Dritter Artikel. Das Verhältnis der göttlichen Vorsehung zu den verschiedenen Seinskreisen.
a) Gottes Vorsehung scheint nicht unmittelbar jegliches Ding zu berücksichtigen. Denn: I. Alle Würde und Erhabenheit muß Gott zugeschrieben werden. Zur Würde eines Königs gehört es aber, daß er Diener habe, vermittelst deren er für die Untergebenen sorgt. Also sorgt Gott um so mehr vor vermittelst anderer Wesen. II. Der Vorsehung gehört es zu, die Dinge zweckmäßig zu ordnen. Nun ist es aber jeglicher Ursache eigen, ihr Gewirktes zu der ihm eigenen Vollendung als zu seinem Zwecke und zu seinem Guten zu führen. Also jegliche wirkende Ursache ist in ihrem Bereiche Ursache für die Wirkung der göttlichen Vorsehung. Sagen also, daß Gott für alles unmittelbar, d. h. ohne Mittelursachen vorsorgt, heißt ebensoviel wie alle anderen Ursachen als Ursachen vernichten. M. Augustin sagt: „Es ist besser, manchees nicht zu wissen, als es zu wissen,“ nämlich das Niedrige; und ebenso spricht Aristoteles (12 Metaph.). Alles „Bessere“ ist aber Gott zuzuschreiben. Gott also trägt für Niedriges und.Geringfügiges nicht unmittelbar Sorge. Auf der anderen Seite heißt es bei Job (34, 13.): „Welchen anderen hat denn Gott über die Welt gesetzt? Und wen hat Er beauftragt, daß er den Erdkreis regiere, den Er gemacht.“ Dazu bemerkt Gregor der Große: „Durch Sich selber regiert Er die Welt, die Er selber gegründet.“ (24. moral. c. 26.)
b) Ich antworte; zwei Momente müssen in der Vorsehung unterschieden werden: 1. Der maßgebende Grund für die Zweckordnung in den der Vorsehung unterliegenden Dingen; und 2. die Ausführung dieser Zweckordnung. Soweit das erste Moment in Betracht kommt, hat Gott für alles Einzelne eine unmittelbare Vorsehung. Denn Er besitzt in seiner Vernunft den Seinsgrund für alle Dinge, auch für die kleinsten; und nach diesem Seinsgrunde als seinem Muster ist gebildet das Sein eines jeden Dinges, welches dasselbe in sich besitzt. Und was immer für Ursachen Gott für einzelne Wirkungen bestimmt hat, denen hat Er auch die Kraft gegeben, um diese Wirkungen hervorzubringen. Also mußte Gott die Ordnung dieser einzelnen Wirkungen zum Zwecke hin in seiner Vernunft haben, damit Er einer jeden die entsprechende nächste Ursache vorsetze. Soweit es auf das zweite Moment ankommt, so bestehen Mittelursachen. Denn Gott regiert in der Ausführung seiner Ordnung die niedrigen Seinskreise durch die höheren und die niedrigeren im selben Seinskreise durch die höheren im nämlichen Seinskreise. Das geschieht aber nicht, weil seine Kraft nicht genügte, sondern wegen seiner überfließenden Güte; weil Er die Würde und die Ehre, etwas zu verursachen, den Kreaturen ebenfalls mitteilen will. Und demgemäß wird die Meinung Platos ausgeschlossen, der eine dreifache Art Vorsehung annimmt: Gregor Nyss. 8. de provid. cap. 3.) Die erste Vorsehung wäre die des höchsten Gottes, der in erster Linie und hauptsächlich seine Vorsehung erstreckt über die geistigen Wesen und somit über die ganze Welt rücksichtlich der „Arten“, Gattungen und allgemeinen Ursachen. Die zweite Vorsehung ist jene, welche sich auf das einzelne Vergängliche erstreckt, auf das, was da entsteht und vergeht; und diese legt er den Göttern bei, welche den Himmel und die Sterne umwandeln; d. h. den getrennten für sich bestehenden Substanzen, welche den Himmelskörpern durch ihren Anstoß die Kreisbewegung geben. Die dritte Vorsehung ist jene, welche die menschlichen Dinge berücksichtigt; und diese schreibt er den δαίμονες zu, welche nach den Platonikern in der Mitte stehen zwischen uns und den Göttern, wie Augustin sagt (9. de civ. Dei cap. l. et 2. und 8. cap. 14.). I. Daß der König Diener hat, welche seinen Willen ausführen, dies gehört zu seiner Würde. Daß er aber nicht im einzelnen das Verständnis von dem hat, was dieselben thun sollen; wie er z. B. nicht die Rechtskenntnis oder die Kriegswissenschaft versteht, zumal wenn er ein Kind ist; das hat in seiner Ohnmacht den Grund. Denn jedes Wissen, welches sich auf eine Thätigkeit erstreckt, ist um so vollkommener, als es tiefer in die Einzelheiten dringt, inmitten deren die Thätigkeit sich vollzieht. II. Die Mittelursachen werden nicht unnütz durch die göttliche Vorsehung, sondern führen dieselben vielmehr aus. III. Für uns ist es besser, das Niedrige nicht zu betrachten, insoweit wir dadurch gehindert werden in der Kenntnis des Besseren und Höheren; und insoweit die Kenntnis der Übel zuweilen den Sinn verkehrt. Das hat aber nicht statt in Gott, der alles in einem Blicke sieht und dessen Wille zum Bösen nicht hinneigen kann.
