Vierunddreißigstes Kapitel. Die Person des Sohnes. VI. Überleitung.
„Mit Dir ist der Anfang am Tage Deiner Kraft inmitten des Strahlenglanzes der Heiligen: Aus meinem Busen heraus habe ich Dich gezeugt vor dem Lichtbringer.“ So feiert der Psalmist die geheimnisvolle Zeugung in Gott. (Ps 109.) „Im Anfange war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort;“ so feiert diese nämliche Geburt der Liebesjünger. IX. „Ich bin der Anfang, der mit euch spricht;“ so spricht der Heiland selber. Der Psalmist nennt die zweite Person „gezeugt“, „Sohn.“ Der Apostel nennt sie „das Wort“. Der Heiland selber stellt Sich vor als „Ich“, als den für sich bestehenden Sohn und als das Wort, von dem alle Worte kommen. X. Treffend unterscheidet der Psalmist hier, wie das göttliche Wort hervorgeht aus der Kenntnis der Wesenheit Gottes, die durchaus als Ganzes, so sagte oben Thomas nach Augustin, vom Vater, dem Principe, dem Anfange von allem, ohne Anfang, mitgeteilt wird. „Mit Dir ist der Anfang.“ Alles was der „Anfang“, das Urprincip in sich enthält, die ganze eine göttliche Natur, teilt Er dem Sohne mit, so daß selbst die Einheit darin einbegriffen ist. Behielte der „Anfang“ jeglichen Anfangs, das Princip jeglichen Princips, auch nur etwas für sich allein, so wäre ja der „Anfang“ nicht mehr nach allen Seiten hin mit dem Sohne. Der Vater hier auf Erden ist bei weitem nicht unbeschränkt mit dem Sohne. Er behält seine Einzelheit, wie Thomas sagen würde, er behält dieses Fleisch, diese Seele für sich; darin ist Er nicht „mit dem Sohne“. Nur die Menschennatur im Vater ist ein und dieselbe mit der im Sohne. Aber hier in Gott geht der „Sohn“ so vom „Vater“ hervor, daß die ganze volle Wirklichkeit des Vaters mit dem Sohne bleibt und zwar so eng mit dem Sohne, daß das ganze eine wirkliche Sein des Vaters ganz und gar zugleich das wirkliche Sein des Sohnes ist. Kraft des einen wirklichen Seins ist der Vater wirklicher Vater und der Sohn wirklicher Sohn. Hier heißt es wahrlich: Tecum principium. Das genügt dem Psalmisten nicht. Er fügt hinzu, „am Tage Deiner Kraft;“' in die virtutis tuae! Teilt der Vater dem Sohne die Natur erst mit, nachdem von dieser alle Wirkung ausgegangen? Übernimmt der Sohn etwa die göttliche Natur, nachdem alles in derselben geregelt ist; wie etwa bei uns ein Vater bei der Geburt eines Sohnes ihm zugleich seine Güter mit ihren ganz bestimmten Einrichtungen testamentarisch verschreibt? Keineswegs! „Am Tage Deiner Kraft,“ sagt der Psalmist. Hier liegt ein großes Geheimnis: Das Geheimnis der aus sich heraus seienden reinen Thatsächlichkeit. Zwei Extreme müssen vermieden werden. Der Sohn war niemals Nichts; und nicht erhielt er als vorher Nichts die göttliche Natur. Nicht in der Nacht des Nichts befindlich erhielt Er sie; sondern am Tage (in die) und zwar am Tage seiner Kraft. Damit ist das eine Extrem vermieden. Das andere Extrem besteht darin, daß eine göttliche Natur gedacht wird, die sich, vorher (freilich nicht der Zeit nach) gewissermaßen indifferent, nun plötzlich aus sich heraus in die drei Personen entfaltet, so daß ihr allein die Kraft gebührte und nur vermittelst ihrer den Personen. Nein! „Am Tage seiner Kraft.“ Der Vater schließt in Sich die göttliche Natur; und nicht die göttliche Natur macht den Vater zum Vater. Der Vater teilt mit diese eine göttliche Natur; aber so, daß immer alle thatsächliche Kraft ein und dieselbe bleibt. „Am Tage,“ d. h. in vollem göttlichem Lichte spricht Er zum Sohne: „Du bist mein Sohn; heute habe ich Dich gezeugt.“ Alles Thätigsein bleibt dasselbe. Einer ist der Wille, eins die Macht, eines das Wissen; alle Bestimmung ist eine, ist gemeinsam. Der Vater hat nicht zuerst disponiert und giebt das so dem Sohne; da würde dem Sohne die Kraft fehlen. „Am Tage seiner Kraft,“ im höchsten Grade der Kraft ist der Sohn eins mit dem Vater. Beide bestimmen, beide wollen, beide wirken, beide wissen. Aber nur eine ist die Bestimmung, nur eines das Wollen, nur eines das Wirken, nur eines das Wissen. Denn nur eine Ewigkeit, also die volle Unmöglichkeit irgend welchen Vorausgehens, ist in beiden; ein volles, „zugleich alles“ wohnt ihnen inne. Sellbst die Kraft, mit welcher der Vater zeugt, ist diesilbe wie jene, mit welcher der Sohn gezeugt wird; nur die Schlußpunkte, die Relationen stehen sich gegenüber und diese Relationen sind an sich nur ratione, nur in der Vernunft bestehend. Ihre Wirklichkeit haben sie von dem einen durchaus einigen Wirklichsein des göttlichen Wesens; wie die Vernunft in mir und das Wort in mir ihre Wirklichkeit von meiner einen wirklichen Natur her haben. „Was der Vater wirkt, das wirkt, auch unter ganz derselben Form, der Sohn.“ Der Vater bleibt als „Princip“ durchaus mit dem Sohne dem ganzen einen Wesen nach. Und Er teilt mit dieses eine Wesen nebst allen den thatsächlichen Vollkommenheiten, die es auszeichnen und selbst nebst jener Wirklichkeit, welche die Personen zu wirklichen Personen macht. „Mit Dir das Princip am Tage Deiner Kraft.“ Noch nicht genug! O Mensch; wenn du doch wolltest von oben her so ganz und gar dein Heil erwarten! Du hast Angst für deine Freiheit, für deine Selbständigkeit, wenn sie Gott in der Hand hat! Aber schaue; eben aus der Natur Gottes, sowie sie im Vater ist, empfängt der Sohn sein volles, reines, durchaus selbständiges Für-sich-bestehen, so daß Er an der Spitze der Selbständigkeit und Würde steht, daß Er wirklich und wahrhaft Person ist. Man möchte in Gottes Natur so gern die Träume der eigenen Einbildung hineinbringen! Diese Natur soll an sich etwas im Grunde Indifferentes sein, wo hinein fremde Wahrheit, fremde Wirklichkeit Zutritt hätte; und erst dann soll sie sich enffalten zur Dreiheit der Personen nach innen, und nach außen Princip des Wirkens sein nach dem Maßstabe, wie sie es von außen empfangen hat. Das ist nach allen Seiten hin, und mag es in welche Ausdrücke auch immer gefaßt sein, falsch. „Nichts ist so gefährlich,“ sagte oben Augustin, „als wenn auch nur im geringsten, betreffs der Dreieinigkeit zu irren.“ Es muß hier genau und scharf durchgeführt werden, was oben Thomas nach Augustin erklärt. „Die Personen sind in Gott die wirkenden Principien.“ „Sie wirken nach außen hin zusammen.“ Kein instans kann angegeben werden, wo die Natur Gottes für sich allein aufgefaßt werden könnte als erstwirkendes Princip. Noch zuletzt hat Thomas erklärt: „Die göttliche Natur ist im Sohne und im heiligen Geiste als empfangen vom Anderen, nämlich vom Vater.“ Was aber bedeutet das, daß nur unter Personen die göttliche Natur sich vorstellt? Das heißt, daß sie in sich abgeschlossen ist; daß nichts Fremdes zu ihr Zutritt hat. Was heißt es, daß die Person des Vaters dem wirklichen Sein nach durchaus ein und dasselbe ist, wie die göttliche Natur? Das heißt, daß die Natur an sich betrachtet keinerlei Wahrheit, keinerlei wie immer aufgefaßte Wirklichkeit unabhängig außer sich selber anerkennt. Was heißt das, daß der Vater die göttliche Natur ganz mitteilt dem Sohne? Das heißt, daß da nicht das mindeste dazwischen tritt als die göttliche Natur selber, soweit sie in der unmitteilbaren Person des Vaters abgeschlossen ist; daß da gar kein fremdes Element sich hineinmengen kann. „Alle Kraft“ dieser Natur ist eine in beiden Personen; alle Macht, alle Bestimmung, alles Wissen ist eins in beiden. Worin aber sind alle Kreaturen, die möglichen und die einmal wirklichen, eingeschlossen? Offenbar, — Thomas hat es mehreremals erklärt — eben in der Macht, im Willen, im Wissen Gottes. Also darin, daß der Vater dem Sohne die göttliche Natur mit deren Vollkommenheiten in aller Einheit mitteilt, teilt Er Ihm auch mit die Macht, das Wissen, den Willen für alle Kreaturen und zwar rein aus Sich heraus. Denn Er, der Vater, ist dem wirklichen Sein nach eins mit der göttlichen Natur; „Vater“, „Person“, aber heißt Abgeschlossenheit, Undurchdringlichkeit, reinstes Selbst. Ohne Rücksicht auf irgend etwas, wohl aber mit allbestimmender Kraft geht der Sohn vom Vater aus und bleibt eins mit Ihm, auch was die Macht, das Wissen, das Bestimmen für alle Kreaturen anbelangt. Das sagt der Psalmist so wunderbar schön: „Im Strahlenglanze der Heiligen,“ in splendoribus sanctorum. „Alles wegen der Auserwählten,“ ruft Paulus aus. Alle Kreatur also wegen der Heiligen und sie bilden vom Geschöpflichen aus die Strahlenkrone um den ewigen Sohn. „Mit Dir der All-Anfang immerdar,“ o göttliches Wort! Denn eines bleibst du mit dem Wesen im Vater: „am Tage Deiner Kraft;“ — denn alle Vollkommenheiten des göttlichen Wesens sind Dein: „im Strahlenglanze der Heiligen;“ — denn die Macht, das Wissen, das Wollen, was die Kreaturen regelt und sie zu Dienern Deiner Heiligen macht, wohnt Dir ebenfalls in unverbrüchlicher Einheit mit dem Vater inne. Einheit im Sein, in der Natur, in der Substanz; Unterschied in der Relation, in der Person: „Aus meinem Innersten heraus habe ich Dich gezeugt,“ sagt der Psalmist und unterscheidet zwischen „Ich“ und „Dich“. Der Liebesjünger dringt noch tiefer. Da kann der menschliche Verstand nur mehr ahnen! „Im Anfange war das Wort.“ Fern der Gedanke, daß der Sohn einen Anfang gehabt habe. Er war nicht nur mit dem Anfange. Er war mitten im Anfange, im Princip alles Seins. Da ist kurz und noch weit schneidender und tiefer der Sinn der Worte des Psalms wiedergegeben. Das „Wort“! Aber da kann man noch weit weniger daran denken, daß hier irgend etwas Fremdes der göttlichen Substanz vorgestellt, mit ihr vermengt Werden kann. Nicht das Denken ist das Wort; nicht das Schauen ist das Wort; nicht der Grund des Denkens ist das Wort und auch nicht das Erkennen selber, Es ist das Gedachte! Das Wesen Gottes als Erkanntes, die Vollkommenheiten Gottes als etwas Erkanntes, die Kreaturen, soweit sie im erstwirkenden Grunde sind als erkannte;— das ist das Wort. Der Begriff „Mensch“ in meiner Vernunft, soweit er angewandt werden kann auf das thatsächliche Einzelne, auf die einzelnen Menschen; — das eigenste Erzeugnis meiner Vernunft also, ist das betreffende Wort für die Erkenntnis des Menschlichen. Und nun lasse Tausende von Menschen daran vorüberziehen; sie ziehen vorüber; das Wort „Mensch“ bleibt. Daß sie schwarz oder weiß sind, groß oder klein, Kinder oder Männer; nicht sie bestimmen das „Wort“; — das Wort bestimmt sie und sie werden als Menschen erkannt. Gehe tausend Jahre zurück; das gleiche Wort „Mensch“ übte seine rein bestimmende Wirkung aus, es eröffnete das entsprechende Einzelne als Menschliches. Nach tausend Jahren wird diese bestimmende Bedeutung nichts verloren haben. Aber was ist dies gegen das „Wort“, das im Anfange war? Unser Wort ist für jeden von uns als einen einzelnen rein zufällig. Es kommt und geht ja wie es gebraucht wird. Es bleibt nicht immer gegenwärtig. Ehe es war, mußte als „Anfang“ das Erkenntnisvermögen sein. Und doch ist es bei all dieser Armut so herrlich! Es schmückt das Innere unserer Vernunft und verläßt dieselbe, soweit wir nur wollen, niemals. Nur bestimmende Kraft kann von ihm ausgehen. Vermittelst seiner leitet der Mensch die Natur, leitet er sich selber. In der Betrachtung des Glanzes dieses „Wortes“ freut er sich an sich selber. Aber das „Wort“ in Gott, das ist Gott selber. Das „Wort“ in Gott, das bleibt ein und dasselbe von Ewigkeit zu Ewigkeit. Das „Wort“ in Gott ist, weil für sich bestehend, das selige, immer angeschaute Gezeugte, das gemäß der Thätigkeit der Vernunft „ausgeht“; es ist dieser „Sohn“ selber, welchen eben der Psalmist gepriesen. Nun ist aber das Wort das Geschaute, das Verstandene. Das Wort Gottes also ist Gott selber als geschaut, als verstanden. Es ist dem wirklichen Sein nach dasselbe wie der Vater; nur daß, was der Vater mitgeteilt, im Worte nun geschaut wird. Was hat aber der Vater mitgeteilt? Was in Ihm war; was Er selber war; was kraft der „Person“ in Ihm abgeschlossen von allem anderen Sein unmitteilbar, d. h. gegen jeden Eintritt irgend welcher Wahrheit oder Wirklichkeit von außen her mit Naturnotwendigkeit geschützt war. Also wird auch im Sohne nichts Anderes geschaut; und die möglichen und wirklichen Kreaturen sind da nur geschaut wie sie im Sein Gottes, das der Vater umschließt und das eins ist mit dem Vater, vorhanden sind: nämlich in der rein aus sich sie bestimmenden Kraft, mag es ihre Erkennbarkeit oder ihre Wirklichkeit angehen! „Der Sohn thut nichts, als was Er den Vater thuend sieht.“ Worauf schaut der Vater in seiner Wirksamkeit nach außen? Auf sein inneres Wesen, auf den darin bestehenden Willen, auf die darin befindliche Ordnung der Weisheit. Auf dasselbe aber schaut der Sohn. Denn Er hat ganz das gleiche eine Wesen, den gleichen einen Willen, die gleiche eine Natur und mit ihr dieselbe Ordnung der Weisheit als Richtschnur, oder Er ist vielmehr dies alles. „Er sieht den Vater dies thuend;“ nicht weil Er den Vater selbständig sich entschließen und wirken sähe und dann ebenfalls so wirkte; sondern weil Er die göttliche Natur vom Vater erhalten und nun vermöge ein und derselben Form beide wirken; nur daß der Sohn diese Natur als eine mitgeteilte hat. „Ich bin der Anfang, der mit euch spricht.“ Damit bestätigt der Herr selber, was bisher gesagt worden. Er ist das Wort des Vaters. Er ist der Sohn des Vaters. Dem Worte ist es eigen, dem erzeugenden Erkenntnißvermögen ähnlich zu sein; dem Sohne ist es eigen, die Natur des Vaters zu tragen. Die Natur in Gott ist einfache reine Thatsächlichkeit, ist dem wirklichen Sein nach im Vater für sich bestehend. Also muß auch der Sohn eins sein im wirklichen Sein mit dem Vater und er muß, wie der Vater für sich bestehen; sonst wäre Er Ihm nicht ähnlich. Das ist aber eben nichts Anderes als das „Wort“ sein, nicht eines Vernunftvermögens; sondern einer Vernunft, welche Substanz ist, d. h. für sich bestehend. Der Heiland kann Sich selber „Anfang“, „Princip“ nennen, denn dem wirklichen Sein nach ist Er eins mit dem Princip, mit dem Anfang: „Ich bin das Princip.“ Und zudem hat Er es von seinem Princip, vom Vater, seinerseits Princip zu sein. Er kann sagen: „Ich bin das Princip; ich bin der Anfang, der mit euch spricht.“ Denn als „Sohn“ ist Er zugleich das ewige Wort, das Wort aller Worte; das Wort, in welchem vom Vater alle Kreatur in einzig bestimmender Weise gesprochen worden ist. Deshalb kann der Vater im vollsten Sinne der Worte zu Ihm sagm: Tecum principium in die virtutis tuae in splendoribus sanctorum; ex utero ante luciferum genui te.
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