Vierter Artikel. „Unerzeugt“ sein ist dem Vater eigen.
a) Dagegen spricht: I. Jede Eigenheit setzt etwas voraus in dem, wo sie ist. „Unerzeugt“ sein aber setzt nichts voraus. Also ist dies keine Eigenheit des Vaters. II. „Unerzeugt“ wird entweder als reine Verneinung ausgesagt; — und so ist auch der heilige Geist unerzeugt. Oder es wird als Entbehren und Mangel ausgesagt dessen, was man haben könnte; und so besagt es etwas Unvollkommenes. In keiner Weise ist es also eine Eigenheit des Vaters. „Unerzeugt“ bezeichnet in Gott nicht die Relation; denn es ist mit diesem Worte keinerlei Relation ausgedrückt. Es bezeichnet also die Substanz. „Unerzeugt“ und „gezeugt“ unterscheiden sich somit in der Substanz. Der „Sohn“ als erzeugt ist aber nicht vom Vater der Substanz nach unterschieden. Also ist „unerzeugt“ keine Eigenheit des Vaters. IV. Eigen ist, was nur Einem zukommt. In Gott aber sind mehrere, welche von Anderen ausgehen. Also hindert nichts, daß auch mehrere sind, welche nicht von Anderen ausgehen. V. Der „Vater“ ist das Princip des Sohnes und des heiligen Geistes. Wenn Er also auf Grund des Gegensatzes zum Sohne „ungezeugt“ genannt wird, so muß Er eine ähnliche Eigenheit haben bezüglich des heiligen Geistes, der von Ihm „gehaucht wird“; Er muß „unausgehbar“ sein. Auf der anderen Seite sagt Hilarius (4. de Trin.): „Er ist der Eine von dem Einen, vom Unerzeugten gezeugt; so daß in jedem die Eigenheiten bleiben, im Vater das Unerzeugt- oder von Keinem sein, im Sohne der Ursprung.“
b) Ich antworte, sowie im Bereiche des Geschöpflichen ein erstes Princip gefunden wird und ein zweites; so ist auch in Gott, wo kein „erstes“ und „zweites“, kein „vorher“ und „nachher“, sein kann, ein Princip, das von keinem Princip herrührt: der Vater; und es giebt da ein Princip, das von einem Princip ausgeht: der Sohn. Im Geschöpflichen aber wird ein erstes Princip in doppelter Weise bekannt: 1. Dadurch, daß es Princip ist und somit Beziehung hat zu dem, was von ihm ausgeht; 2. dadurch, daß es erstes Princip ist und somit von keinem anderen ausgeht. So auch wird der Vater bekannt: 1. Dadurch, daß der „Sohn“ von Ihm ausgeht durch die „Zeugung“ und der heilige Geist durch das „Hauchen“; durch die Beziehung also auf die zwei Personen, die von Ihm ausgehen; — und 2. dadurch, daß Er Princip ohne Princip ist, insofern Er von Nichts ausgeht. Letzteres aber ist das „von Keinem sein“, die innascibilitas, und wird ausgedrückt durch das Wort „unerzeugt“.
c) I. Manche nehmen an, das „Unerzeugtsein“ sei nicht eine rein negative Ausdrucksweise, insofern es eine Eigenheit des Vaters ist; sondern es schließe entweder beides in sich; nämlich das „von Keinem sein“ und das „Princip der anderen Personen sein“; — oder es bezeichne mit die allumfassende Autorität und die Quelle alles Seins. Aber das scheint nicht wahr zu sein. Denn in dieser Weise wäre das „Unerzeugtsein“ oder die innascibilitas keine von der „Vaterschaft“ und „dem Hauchen“ verschiedene Eigenheit im Vater; sie würde diese beiden vielmehr in sich einschließen wie das Gemeinsame das Besondere einschließt. Denn Quelle sein und Autorität sein ist in Gott nichts Anderes wie das Princip sein von allem, was ist. Deshalb muß man mit Augustin (3. de Trin. 7.) sagen, daß der Ausdruck „unerzeugt“ nur die Verneinung der passiven Zeugung, also des Gezeugtwerdens, in sich schließt; es besagt nur „nicht Sohn“. Damit verträgt es sich aber, daß dies „Unerzeugtsein“ einen eigenen den „Vater“ bekanntmachenden Begriff ausdrückt. Denn das absolut Erste und Einfache in jedem Seinskreise wird durch Negationen bekannt gemacht, wie man z. B. auch den „Punkt“ definiert, als ein stoffliches thatsächliches Sein, von dem es keinen Teil giebt. II. „Unerzeugt“ wird manchmal als reine Verneinung genommen. Und demgemäß nennt Hieronymus (lib. I. Didymi de Spir. s.) den heiligen Geist „unerzeugt“. Andererseits kann das „unerzeugt“ auch als Entbehren in Gott ausgesagt werden und schließt trotzdem keine Unvollkommenheit ein. Denn in vielfacher Weise kann ein solches Entbehren aufgefaßt werden. Einmal wird das Entbehren ausgesagt, wie vom Steine z. B. ausgesagt wird, er sei eine tote Sache, entbehre das Leben; wogegen er doch ebenso wie Anderes geeignet gewesen wäre, Leben zu haben, da er gleichmäßig von Gott aus dem Nichts gezogen worden wie andere Dinge, die Leben besitzen. Dann wird Entbehren ausgesagt z. B. vom Maulwurfe, welcher der Augen entbehrt; trotzdem andere Seinsarten seiner Gattung, nämlich andere Tiere Augen besitzen. Endlich wird Entbehren ausgesagt, wenn jemand das nicht thatsächlich hat, was er gemäß seiner eigensten Gattung und Natur haben müßte, wozu er also kraft seiner eigensten Natur die Geeignetheit und das direkte Vermögen hat, wie wenn ein Mensch thatsächlich blind ist. Und dieses letztere Entbehren allein bezeichnet Unvollkommenheit. In dieser letzten Weise wird das „unerzeugt“ nicht vom „Vater“ ausgesagt; vielmehr nach der zweiten angeführten Weise; insofern nämlich in der nämlichen göttlichen Natur eine Person „ungezeugt“ ist, wo doch in derselben Natur eine andere „gezeugt“ ist. Danach könnte aber auch der heilige Geist „ungezeugt“ genannt werden. Es wird hier also, damit dies nur dem „Vater“ zukomme, unter dem Ausdrucke „ungezeugt“ mitverstanden, daß dies, also dieses Entbehren der Gezeugtseins, was der zweiten Person in derselben Natur zukommt, von jener Person gilt, welche zugleich das Princip für andere Personen ist; und so würde verstanden werden, daß die Verneinung des Erzeugtseins hier ausgesagt werde im Bereiche des persönlichen Princips in Gott. Oder es muß verstanden werden unter dem „ungezeugt“, daß die betreffende Person in keiner Weise, durchaus nicht von einer anderen ausgeht, weder nämlich durch Zeugung noch durch „Gehauchtwerden“. So würde das „unerzeugt“ vom heiligen Geiste nicht ausgesagt werden können, der hervorgeht von anderen, wenn auch nicht durch Zeugung. Und ebenso würde das göttliche Wesen nicht als „unerzeugt“ bezeichnet werden können, von welchem gesagt werden kann, es sei im Sohne und im heiligen Geiste von einem Anderen, nämlich vom Vater. (Da ist also von einer absoluten Subsistenz nicht die Rede, welche sich mitteilte oder „explizierte“ im Vater, Sohn und heiligen Geiste.) III. Nach Damascenus (II. de fide orth. c. 9.) bezeichnet „unerzeugt“ einmal „ungeschaffen“; — und so eignet es dem göttlichen Wesen zu; denn dadurch unterscheidet sich die geschaffene Substanz von der ungeschaffenen. Dann bezeichnet dieser Ausdruck das, was nicht „gezeugt“ ist; — und so eignet es als Aussage den Relationen zu; es wird also in dieser Weise relativ ausgesagt und sonach auf diesem Wege auf die Bejahung zurückgeführt. Denn z. B. „Nicht-Mensch“ gehört in der Behauptung als Prädikat zur positiven Seinsart der Substanz und „Nicht-weiß“ gehört zur Seinsart der Eigenschaften. Da also „gezeugt“ in Gott zur Relation gehört, so gehört dazu mit demselben Rechte auch „ungezeugt“. Und so unterscheidet sich der Vater vom Sohne nicht der Substanz nach; sondern nur gemäß der Relation; insofern nämlich die Relation, welche dem Sohne eigen ist, gezeugt zu sein, vom Vater entfernt wird. IV. In jeder Seinsart muß ein Erstes, ein Princip sein, was im Bereiche dieser Seinsart nicht vom Anderen, was „ingenitum“ ist. Zwei „Unerzeugte“, also zwei erste Principien annehmen, hieße nichts Anderes, als zwei Götter behaupten. Deshalb sagt Hilarius (de synodis): „Da nur ein Gott ist, können nicht zwei „Unerzeugte“, innascibiles, sein.“ Zudem wäre, wenn zwei „Unerzeugte“ beständen, der eine nicht vom anderen; also würden sie durch keinen Gegensatz auseinander bezogen werden können; sie könnten sonach nicht göttliche Personen sein. V. Die Eigenheit des Vaters „von Keinem zu sein“, wird in der Ausdrucksweise vielmehr dadurch angedeutet, daß die Geburt des „Sohnes“ von Ihm entfernt wird, als dadurch, daß das „Ausgehen“ des heiligen Geistes von Ihm geleugnet wird. Erstens; weil das „Ausgehen“ des heiligen Geistes, die processio, keinen besonderen Namen hat. (Kap. 27, Art. 4 ad III.); zweitens, weil vom „Ausgehen“ des heiligen Geistes die Zeugung des „Sohnes“ vorausgesetzt wird; da der heilige Geist ja vom Vater und Sohne „ausgeht“. Wird also vom Vater das „Gezeugtsein“ entfernt, so ist damit von vornherein auch das „Ausgehen“ entfernt; denn der heilige Geist ist nicht Princip der Zeugung, sondern vom „Gezeugten“ ausgehend. IV.
