Erster Artikel. Die Menge und die Verschiedenheit der Dinge ist von Gott.
a) Dagegen spricht: I. Was Einheit ist, neigt von Natur aus dazu, nur Eines zu machen. Gott aber ist die höchste Einheit. Also wirkt Er nur eine Wirkung. II. Was nach einem Muster gemacht ist, muß diesem ähnlich sein. Gott aber ist das Muster oder die Exemplaridee dessen, was Er wirkt. Also ist dieses nur Eines, da Gott ein einiger ist. III. Was zum Zwecke dient, steht im Verhältnisse zum Zwecke. Der Zweck der Kreatur aber ist nur einer. Also besteht auch nur eine Wirkung Auf der anderen Seite heißt es Gen. 1. daß Gott das Licht schied von der Finsternis und die Wasser von den Wassern.
b) Ich antworte, den Grund für die Verschiedenheit der Dinge haben die Autoren in vielfacher Weise angegeben. Manche schrieben denselben dem Stoffe zu: Entweder für fich allein oder zugleich mit der wirkenden Ursache. Das erstere that Demokritus und die alten Naturphilosophen. Nach ihnen ist allein der Stoff die Ursache der Verschiedenheit; und somit ist die letztere rein dem Zufalle geschuldet gemäß der Bewegung des Stoffes. Dem Stoffe zugleich mit dem einwirkenden Grunde schrieb Anaxagoras die Ursache der Verschiedenheit zu, der annahm, die Vernunft unterscheide die Dinge, indem sie aussondere, was im Stoffe sich vermischt vorfand. Doch das ist unstatthaft aus zwei Gründen: Erstens ist der Stoff von Gott geschaffen. Also muß auch die Verschiedenheit, welche auf des Stoffes Seite etwa ist, auf die höhere Ursache zurückgeführt werden. Dann ist der Stoff wegen der Wesensform da; und nicht die Form wegen des Stoffes. Nicht wegen des Marmors ist das Standbild da, sondern der Marmor wegen der Form des Standbildes. Also muß auch die Verschiedenheit vermittelst der Formen sich vollziehen. Nicht also wegen des Stoffes ist Verschiedenheit in den Dingen; sondern im Stoffe ist vielmehr, soweit er geschaffen ist, gänzliche Formlosigkeit, damit er keine Form mit Notwendigkeit ausschließe. Andere wie Avicenna legten den Grund für die Verschiedenheit in die untergeordneten Ursachen, in die Ursachen zweiten Ranges. Sie nahmen an, Gott bringe, indem Er Sich selbst erkenne, die erste Vernünftigkeit hervor; in welcher, da sie nicht ihr eigenes Sein ist, notwendig das Zusammengesetztsein aus dem Vermögen für das Sein und der thatsächlichen Wirklichkeit beginnt. Diese erste Vernünftigkeit nun bringe, indem sie die höchste Ursache erkennt, die zweite Vernünftigkeit hervor. Und indem sie sich selber als vermögend erkennt, bringe sie den Stoff der Himmelskörper hervor und somit das bewegende Element; indem sie aber sich selber als thatsächlich in der Wirklichkeit seiend erkennt, gehe daraus die Seele oder die den Himmelskörpern innewohnende Bewegungskraft hervor. Das ist aber ebenso unstatthaft. Denn Schaffen kommt nur Gott zu (siehe oben). Was also nur durch Erschaffung Sein erhalten kann, wie alles dies, was seiner inneren Natur nach nicht dem Entstehen und Vergehen oder überhaupt der Vergänglichkeit ausgesetzt ist; das kann nur von Gott herrühren. Zudem würde das All der Dinge gemäß dieser Annahme nicht von der Absicht der ersten Ursache herrühren; sondern aus dem unbeabsichtigten Zusammenwirken vieler Ursachen, was wieder nichts Anderes als Zufall wäre. Und so wäre das Beste in allen Dingen, nämlich ihre Zugehörigkeit zum All, vom Zufalle. Das ist aber unmöglich. Deshalb muß man sagen, die Verschiedenheit und somit die Menge der Dinge sei von der Absicht des Erstwirkenden, also Gottes. Er brachte die Dinge hervor, damit Er seine Güte mitteile; und da dies durch eine einzige Wirkung nicht genügend geschehen konnte, brachte Er viele und verschiedene Dinge hervor, damit das, was dem einen zur Darstellung der göttlichen Güte fehlt, ersetzt werde durch das andere. Denn die Güte, welche Gott in Höchster Einfachheit besitzt und ist, erscheint auf vielfache Weife in den Dingen; und deshalb stellt das gesamte All besser die göttliche Güte dar als eine einzelne beliebige Kreatur. Und weil diese Verschiedenheit von der Weisheit Gottes als der maßgebenden Richtschnur, herkommt, so sagt Moses, die Dinge seien geschieden worden durch das Wort Gottes; das ist: die Auffassung der Weisheit.
c) I. Was allein kraft seiner Natur wirkt, das wirkt nur eins; denn es hat nur eine Natur. Was aber kraft des freien Willens wirkt, das wirkt je nach der Form, die es erkennt. Und da Gott vieles erkennt, so widerstrebt es seiner Einfachheit nicht. Vieles zu wirken. (Vgl. Kap. 19, Art. 4 und Kap. 15, Art. 2.) II. Keine Kreatur stellt das Wesen Gottes vollkommen dar; und deshalb sind viele Kreaturen. Der Sohn ist das vollkommene Bild des göttlichen Wesens und deshalb ist Er nur Einer. III. Wann das Mittel zum Zwecke hinreichend ist, so giebt es nicht mehrere; reicht eines allein nicht hin, so werden mehrere erfordert. Keine Kreatur aber ist für sich allein genügend, zur Erreichung des letzten Zweckes zu führen. Deshalb mußten mehrere und verschiedene sein.
