Zweiter Artikel. Die Ungleichheit der Dinge ist von Gott.
a) Dagegen wird geltend gemacht: I. Der Beste muß Bestes wirken. Unter den „besten“ aber steht kein Ding höher als das andere. Also mußte Gott nur einander gleiche Dinge hervorbringen. II. Gleichheit ist die Wirkung der Einheit. Gott aber ist Einer. III. Der Gerechtigkeit gehört es zu, nur Ungleichen Ungleiches zu geben. Gott aber ist in allen seinen Werken gerecht. Da also seinem Wirken, wodurch Er den Dingen Sein verleiht, keinerlei Ungleichheit vorausgeht, so mußte Er jedes Ding dem anderen gleich machen. Auf der anderen Seite heißt es Ekkli. 33.: „Weshalb ist der eine Tag besser wie der andere; das eine Licht vorzüglicher wie das andere; das Jahr ragt vor dem Jahr hervor und die Sonne zu einer Jahreszeit übertrifft die Sonne zur anderen? Von der Wissenschaft Gottes aus sind sie geschieden.“
b) Ich antworte; um die Schwierigkeiten zu vermeiden, welche der Unterschied zwischen Gutem und Bösem in der Welt veranlaßt, nahm Origenes an, alles sei im Anfange von Gott in voller Gleichheit geschaffen worden. Er sagt nämlich, Gott habe zuerst nur vernünftige Kreaturen geschaffen, die alle einander gleich gewesen seien. Die Ungleichheit sei entstanden aus dem freien geschöpflichen Willen, kraft dessen sich die einen in mehr oder minder hohem Grade Gott zugewendet hätten; die anderen aber ebenso in verschiedenem Grade von Gott abgefallen wären. Die ersteren also seien gemäß den verschiedenen Stufen der Verdienste Engel geworden; die anderen aber seien ebenso nach den verschiedenen Stufen ihrer Mißverdienste mit verschiedenen Körpern verbunden worden; und dies sei die Ursache der Erschaffung und der Verschiedenheit der Körper. Wäre dies jedoch so, so würde die Körperwelt nicht bestehen, weil Gott den Geschöpfen seine Güte mitteilen wollte, sondern um die Sünder zu bestrafen. Das ist aber gegen Gen. 1, 31.: „Gott sah alles, was Er gemacht hatte; und siehe, es war sehr gut.“ Und Augustin (2. de Civ. 23.) sagt: „Was kann Thörichteres gesprochen werden als daß durch diese Sonne, die nur eine ist in einer Welt, Gott nicht etwa für die Zierde und Schönheit der Welt und nicht für das Wohl der körperlichen Dinge gesorgt habe, sondern daß dadurch vielmehr angezeigt werde, eine Seele hätte gesündigt! Wenn also hundert Seelen ähnlich gesündigt hätten, so würden wir hundert Sonnen haben!“ Es sei vielmehr hiermit ausgesprochen, daß, sowie Gott in seiner Weisheit die Ursache für die Verschiedenheit der Dinge ist, so auch Er die Ursache für ihre Ungleichheit bildet. Das erhellt so: Eine doppelte Art Unterschied ist in den Dingen. Die eine kommt von der Wesensform; und nach ihr sind verschiedene Gattungen. Die andere kommt vom Stoffe; und nach ihr sind der Zahl nach verschiedene Dinge in ein und derselben Gattung. Die erstere Art ist der Formalunterschied, die letztere der Materialunterschied. Da aber nun der Stoff wegen der Form ist, so ist auch der Materialunterschied wegen des Formalen. Deshalb sehen wir, daß in den Dingen, welche dem Entstehen und Vergehen nicht ausgesetzt sind, nur ein Exemplar in jeder Gattung ist; denn die Gattung bleibt hinreichend erhalten in diesem einen. In den vergänglichen Dingen aber sind viele einzelne in einer Gattung, damit die Gattung immer gleichmäßig erhalten werde; mögen auch die einzelnen entstehen und vergehen. Also ist der Formalunterschied, nach welchem die Gattungen geschieden sind, Maß und Richtschnur für den Materialunterschied. Der Formalunterschied aber bedingt ganz notwendig seiner Natur nach Ungleichheit; denn die Gattungen sind wie die Zahlen, wo die Hinzufügung oder Hinwegnahme einer Einheit die Gattung der Zahl ändert, aus der Zweiheit z. B. eine Dreiheit, aus der Dreiheit eine Zweiheit macht. Sonach finden sich in den Dingen der Natur die Gattungen zu einander in geordnetem Verhältnisse. Denn das Zusammengesetzte ist vollkommener als die einfachen Elemente; Wasser z. B. vollkommener als Wasserstoff allein. Die Pflanzen, sind vollkommener wie die Mineralien; die Tiere ragen über die Pflanzen und die Menschen über die Tiere hervor. Und wieder in jedem dieser Bereiche ist die eine Gattung vollkommener wie die andere. Wie also die göttliche Weisheit die Ursache ist für die Verschiedenheit der Dinge wegen des Gesamtwohles und der Gesamtvollendung; so ist sie die Ursache der Ungleichheit. Wäre alles in der Schöpfung das nämliche Tier oder wären alle Dinge nur immer Sonnen, so wäre das All nicht vollkommen.
c) I. Der Beste als Wirkender giebt seiner Gesamtwirkung den Charakter des „Besten“; nicht jedem Teile derselben an sich. Jeder Teil nimmt teil am „Besten“ je nach seinem Verhältnisse zum Ganzen. Die Vollendung des Tieres würde z. B. verschwinden, wenn jedes Glied desselben Auge wäre. Deshalb hat Gott dem All der Kreaturen den Charakter des „Besten“ aufgeprägt; nicht aber jeder einzelnen. Vielmehr hat Er die eine besser gemacht wie die andere. Deshalb heißt es Gen. 1. bei jeder einzelnen Kreatur: „Gott sah, daß (z. B.) das Licht gut war.“ Für alle zusammen aber wird gesagt: „Gott sah, daß alles ... sehr gut war.“ II. Das Erste, was von der Einheit ausgeht, ist die Gleichheit und dann die Vielheit. Und deshalb geht vom Vater, dem die Einheit zugeeignet wird, aus der Sohn, dem die Gleichheit zueignet; und dann die Kreatur, der die Ungleichheit entspricht. Jedoch nehmen auch die Kreaturen teil in gewisser Weise an der Gleichheit; nämlich kraft der Proportion untereinander. III. Jener Einwurf war für Origenes bestimmend. (I. Periarch. c. 7.) Er kann jedoch nur gelten, wenn es sich um Belohnungen handelt, die an und für sich ungleich sind gemäß den ungleichen Verdiensten. In der Bildung der Dinge aber existiert keine Ungleichheit in den Teilen auf Grund der voraufgehenden Ungleichheit in den Verdiensten oder in den Teilen des Stoffes; sondern auf Grund der Vollendung des Ganzen. Dies geht auch aus den Werken der Kunst hervor. Denn nicht deshalb ist das Fundament unterschieden vom Dache, weil der Stoff verschieden ist; sondern damit aus den verschiedenen Teilen ein vollendetes Haus erwachse. Deshalb sucht der Meister einen anderen Stoff für das Dach und einen anderen für das Fundament; und könnte er es, er würde einen passenden Stoff sich machen.
