Erster Artikel. Die Engel sind stofflos.
a) Dagegen spricht: I. Was stofflos ist mit Rücksicht auf uns und stofflich Gott gegenüber, das kann man nicht als ohne weiteres und bedingungslos geistig oder stofflos bezeichnen. Damascenus aber sagt (2. de orth. fide c. 3.): „Der Engel ist zwar unkörperlich und stofflos im Vergleiche mit uns; Gott aber gegenübergestellt wird er als körperlich und stofflich erfunden.“ Also ist der Engel nicht ohne weiteres stofflos zu nennen. II. „Nichts ist in Bewegung wie der Körper,“ beweist Aristoteles(6 Phys.). Damascenus aber (l. c.) behauptet: „Der Engel ist eine vernünftige, stets bewegliche Substanz.“ III. Ambrosius schreibt (de Spir. 5. c. 7.): „Jede Kreatur ist durch gewisse Grenzen ihrer Natur nach umschlossen.“ Umschlossensein aber ist dem Körper eigen. Also ist alle Kreatur körperlich. Die Engel aber sind Kreaturen Gottes, wie der Psalmist sagt: „Lobt den Herrn alle seine Engel“;und gleich darauf: „Er hat gesprochen und sie wurden; geboten hat Er und sie sind geschaffen worden.“ Auf der anderen Seite sagt der Psalmist (103, 4.): „Der da zu seinen Boten die Geister macht.“
b) Ich antworte, es sei durchaus notwendig, einige stofflose Kreaturen anzunehmen. Denn was Gott in den geschaffenen Dingen in erster Linie beabsichtigt; das ist das Gute, was in der Ähnlichkeit mit Gott besteht. Eine vollkommene Ähnlichkeit der Wirkung mit der Ursache aber erscheint dann, wann das Gewirkte seine Ursache nachahmt gemäß jenem Moment in der Ursache, durch welches diese das Gewirkte hervorbringt, wie z. B. das Warme dadurch etwas erwärmt, daß es selber warm ist. Gott aber bringt die Dinge hervor durch sein Wollen und Wissen. Also wird erfordert für die Vollendung des All, daß einige mit Wollen und Wissen ausgestattete, somit vernünftige Kreaturen bestehen. Vernünftig Erkennen aber kann nicht die bestimmende Wesensform eines Körpers sein, so daß es als thatsächliches Erkennen und nicht etwa bloß als ein Erkenntnisvermögen ein und dasselbe wirkliche Sein mit einem Körper oder mit etwas Körperlichem hätte, wie z. B. das sinnliche Sehen an das Auge gebunden ist als die bestimmende Eigenschaft (oder wie die bestimmende Wesensform im Menschen nur dem Vermögen nach Vernunft ist); denn vernünftig erkennen ist wesentlich über Ort und Zeit erhaben, das Körperliche aber ist ebenso wesentlich an Ort und Zeit gebunden und demgemäß in seiner Natur bestimmt. Also, soll das All vollkommen sein, so müssen darin körper- oder stofflose Kreaturen existieren. Die Alten aber, welche die Kraft, vernünftig zu erkennen, nicht begriffen und nicht unterschieden zwischen dem Erkennen der Sinne und dem der Vernunft, meinten, in der Welt sei nichts, was nicht durch den Sinn und die Einbildung erfaßt werden kann. Und weil nur Körperliches vom Sinne erfaßt wird, so hielten sie dafür, es gäbe kein anderes Sein wie das Körperliche. (4 Phys.) Daher stammt der Irrtum der Sadduzäer, welche behaupteten, es gäbe keinen Geist, (Acta ap. 23, 8.) Dieser Umstand selbst aber, daß die Vernunft höher steht wie der Sinn, thut dar, daß es unkörperliches Sein giebt, was von der Vernunft allein begriffen werden kann.
c) I. Die stofflosen Substanzen sind in der Mitte zwischen Gott und stofflichen Kreaturen. Was aber in der Mitte steht, erscheint mit dem einen verglichen als äußerster Gegensatz zum anderen; wie das Laue mit dem Warmen verglichen einem kalt vorkommt. Und danach wird gesagt, die Engel seien im Vergleiche zu Gott stofflich und körperlich; nicht aber als ob eine stoffliche Natur in ihnen wäre. II. In der angezogenen Stelle wird Bewegung im Sinne von Thätigkeit genommen; gleichwie es heißt, daß Wollen und Erkennen Bewegungen sind. Der Engel wird also beweglich genannt, weil er immer thatsächlich erkennt und nicht bald im Vermögen dazu ist und bald wirklich erkennt. III. Vom Orte umschlossen sein ist den Körpern eigen. Von den Eigenschaften einer Natur oder eines Wesens aber umschlossen sein ist jeder Kreatur eigen. Und deshalb sagt Ambrosius (l. c.): „Wenn auch manche Geschöpfe nicht durch die Grenzen des Ortes eingeschlossen werden, so entbehren sie doch nicht der Grenzen in ihrer Substanz.“
