Fünfter Artikel. Die Engel sind unvergänglich.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Damascenus sagt: „Der Engel hat Unsterblichkeit nicht auf Grund seiner Natur, sondern auf Grund der Gnade.“ (2. orth. fide c. 3.) II. Plato schreibt im Timäus: „O Götter der Götter, deren wirkende Ursache und Vater ich bin. Meine Werke seid ihr, von Natur aus vergänglich, kraft meines Willens unvergänglich.“ Diese „Götter“ aber nennen wir Engel. III. Gregor der Große (16. mor. 16.) ebenso: „Alle Dinge fallen ins Nichts, wenn die Hand des Allmächtigen sie nicht hält.“ Was aber zu nichts werden kann, ist vergänglich. Auf der anderen Seite sagt Dionysius (4. de div. nom.): „Die geistigen Substanzen haben unvergängliches Leben und sind von allem Vergehen; vom Tode, vom Stoffe und von der Zeugung fern.“
b) Ich antworte, es sei notwendig zu sagen, daß die Engel unvergänglich sind. Der Grund davon ist,dbaß nichts vergeht außer dadurch daß die Form vom Stoffe getrennt wird. Der Engel aber ist eine für sich bestehende Form ohne Stoff. Also kann seine Substanz nicht vergänglich sein. Denn was einem Dinge an und für sich zukommt, das kann nicht von ihm getrennt werden. Was ihm aber zukommt auf Grund von etwas Anderem, das wird von ihm im selben Augenblicke getrennt als dieses Andere getrennt ist. So kann z. B. ein Kreis nie seine Rundheit verlieren, denn er hat sie als Kreis. Erz aber in Kreisform kann die Rundheit verlieren, denn das Erz hat sie nur durch etwas Anderes, kraft der Kreisform nämlich; verschwindet demnach diese, so verschwindet auch das runde Erz. „Sein“ nun kommt an und für sich der Form zu; denn jedes Ding ist thatsächlich, insoweit es eine bestimmende Form in sich hat. Der Stoff jedoch hat Sein nur kraft der Form, also vermittelst von etwas Anderem. Wird also die Form vom Stoffe getrennt, so hört auch das entsprechende Sein auf. In den Engeln aber hat die Form als solche Sein und Für-sich-bestehen; also kann er sein Sein nicht verlieren. Die Stofflosigkeit selbst ist somit der Grund für die Unvergänglichkeit des Engels. Und das äußere Zeichen dieser Unvergänglichkeit kann hergenommen werden von der vernünftigen Thätigkeit. Denn weil jegliches Ding wirkt gemäß dem daß es thatsächliches Sein hat, so zeigt die Thätigkeit oder das Wirken eines Dinges auf die Art und Weise seines Seins. Nun wird die Art der Thätigkeit von deren Gegenstande aus erschlossen. Der Gegenstand des vernünftigen Erkennens aber ist über die Zeit und damit über die Vergänglichkeit erhaben. Er ist das Ewige. Also ist auch jede rein vernünftige Substanz ihrer Natur nach unvergänglich.
c) I. Damascenus meint die vollkommene Unsterblichkeit, in welcher jegliche Unveränderlichkeit eingeschlossen ist; auch die, gemäß welcher das Fallen, die Sünde nicht besteht. Denn jede Änderung ist gewissermaßen ein Tod. Eine solche Unsterblichkeit aber haben die Engel erst kraft der Gnade. (Kap. 62, Art. 2 und 8.) II. Plato meint unter seinen Göttern die Himmelskörper, von denen er annahm, sie seien wie die irdischen aus Elementen zusammengesetzt und somit kraft ihrer Natur auflösbar; durch den Willen Gottes erst unauflösbar. III. Es giebt Notwendigkeiten (Kap. 44, Art. 1 ad 2), welche eine Ursache ihrer Notwendigkeit haben. Deshalb widerstreitet es nicht dem Unvergänglichen, dem also, was von sich aus notwendig Sein hat, daß es von einem Anderen wie von seiner Ursache abhängt. Wenn demgemäß gesagt wird, ohne die Hand des Allmächtigen würde alles ins Nichts zurückfallen, so ist damit nicht ausgesprochen, in den Engeln selber, in ihrer Natur sei ein Princip für ihr Vergehen; sondern nur, daß ihr Dasein von Gott abhängt. Deshalb aber heißt nicht etwas vergänglich, weil Gott es vernichten kann, indem Er seine Kraft davon abzieht; sondern vielmehr hat die Aussage, es sei etwas vergänglich, darin ihren Grund, daß im Dinge selber irgend ein Princip der Vergänglichkeit existiert, sei es der Gegensatz in seinen Teilen sei es das Vermögen des Stoffes, immer etwas Anderes sein zu können.
