Erster Artikel. Gott ist gut.
a) Gegen diese Behauptung spricht das Wesen des Guten in doppelter Weise: I. Das Wesen des Guten besteht in der Seinsweise, in der Form und in der Ordnung. Gott aber kommt dies alles nicht zu; denn Er ist unermeßlich und hat von seinem Wesen aus zu nichts Beziehung. Also ist Er nicht gut. II. Das Gute wird von allem begehrt. Gott aber wird nicht von allem begehlt, denn nicht alle kennen Ihn. Also ist Er auch nach dieser Seite hin nicht gut. Auf der anderen Seite heißt es in den Klageliedern Jeremiä (3,25.): „Gut ist Gott denen, die auf Ihn hoffen; der Seele, die Ihn sucht.“
b) Ich antworte, daß „gut zu sein“ in vorzüglichster Weise Gott zukommt. Denn gut ist etwas, insofern es begehrenswert ist. Jegliches Ding aber begehrt seine eigene Vollendung. Die Vollendung jedoch und die Form der Wirkung ist nichts anderes, als eine gewisse Ähnlichkeit mit der einwirkenden Ursache, da jede wirkende Ursache, insoweit sie wirkt, hervorbringt, was ihr ähnlich ist. Also ist die einwirkende Ursache selber begehrenswert und hat somit den Charakter des Guten. Was aber an ihr begehrt wird ist dies, daß sie ihre Ähnlichkeit mitteilt. Gott nun ist die wirkende Ursache von allem. Also ist es offenbar, daß Ihm es im höchsten Grade zukommt, gut zu sein. Deshalb sagt.Dionysius von Gott als der erstwirkenden Ursache: „Gut wird Gott genannt, weil von Ihm alles, was besteht, hervorgeht.“
c) I. Der erste Einwurf übersieht, daß Seinsweise, Form und Ornung nur dem geschaffenen Gute zukommen kann. Gott ist aber gut als Schöpfer. Ihm gebührt es sonach, dies alles dem anderen Sein aufzulegen. Von Ihm kommt Seinsweise, Form und Ordnung im Geschaffenen. II. Der zweite Einwurf ist vollständig zurückzuweisen. Jegliches Ding verlangt nämlich nach seiner eigenen Vollendung und damit schon verlangt es nach Gott, denn alle Vollendung im Geschöpflichen enthält oder ist vielmehr eine gewisse Ähnlichkeit mit dem göttlichen Sein. So nun giebt es manche Seinsarten, welche nach Gott verlangen gemäß der allgemeinen Erkenntnisform, die sie in angemessener Weise über Ihn selber haben; dies sind die vernünftigen Kreaturen. Andere giebt es wiederum, welche nach Gott verlangen gemäß dem, daß sie einzelne beschränkte Mitteilungen seiner Güte kennen; dies sind die sinnbegabten Kreaturen. Andere Seinsarten endlich besitzen nur die blind treibende natürliche Neigung ohne jede Kenntnis; diesen ist die entsprechende Neigung eingeprägt von einem höheren Wesen, das Kenntnis hat und welchee sie auf diese Weise zum jedesmaligen Zwecke führt.
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