Vierter Attikel. Alle Dinge sind gut kraft der göttlichen Güte.
a) I. Augustin schreibt (de Trin. 3.): „Gut ist dies und gut ist jenes, schaue das Gute selber, wenn du kannst; so wirst du sehen, daß Gott nicht gut ist durch anderes Gute, sondern daß Er allem Guten sein Gut ist.“ Jedes Ding aber ist gut durch eigenes Gute. Also jegliches Ding ist gut durch das Gute selber, was Gott ist. II. Boötius sagt (de hebdom.): „Alles wird gut genannt, insoweit es auf Gott Beziehung hat“ Alles also ist innerlich im eigenen Sein gut kraft der göttlichen Güte. Auf der anderen Seite ist alles gut; insoweit es Sein hat. Was aber Sein hat, von dem wird ausgesagt: „es ist“ kraft des eigenen Seins und nicht kraft des göttlichen. Also ist auch nicht alles gut durch die göttliche Güte, sondern durch die eigene.
b) Ich antworte: Nichts steht entgegen, daß in allem dem, was Beziehungen anbetrifft, etwas von außen her, nicht gerade wegen eines eigenen inneren Zustandes benannt wird. So wird etwas als im Raume befindlich bezeichnet wegen des außerhalb des betreffenden Dinges liegenden Raumes; und was gemessen worden, wird nach dem ihm äußerlichen Maße benannt. Verschiedene Meinungen machten sich jedoch geltend in dem, was eigentlich, „absolut“ d. h. ohne unmittelbare Beziehung zu etwas Äußerlichem von einem Dinge ausgesagt wird. Plato nahm für alle Dinge Ideen an, welche von den Dingen selber dem subjektiven Sein nach getrennt bestehen und nach welchen diese Dinge auf Grund der Teilname an deren, nämlich der Ideen, Sein benannt wurden. So würde also Sokrates „Mensch“ genannt, weil getrennt von ihm dem subjektiven Sein nach eine Idee „Mensch“ subsistiert; ähnlich würde es beim Pferde, bei der Farbe u. s. w. heißen. Für alle diese Dinge, welche an ein und derselben Gattung teilnehmen, bestand für Plato eine selbständige allgemeine Idee für sich. So stellte er denn auch eine selbständige Idee für das „Eine“, für das „Sein“ auf und nannte diese Idee das für sich bestehende „Eine“, das für sich bestehende „Sein“. Dieses aber selber, was da aus sich heraus und für sich das Eine und das Sein ist; dieses nannte er das höchse Gut; und danach hatte ein jedes der Dinge Einheit, Sein und war gut. Und weil „Sein“ dasselbe ist der Thatsächlichkeit nach wie „Gut“, so nannte er das „Für und an sich Gute“ Gott; und behauptete, alle anderen Dinge seien gut nur durch die Teilnahme an diesem ihnen an sich äußerlichen Gute; die Dinge hätten also rein zu eigen keinerlei Güte und würden nach nichts, was ihnen innerlich ist, gut genannt, sondern einzig und allein nach der selbständigen Idee „Gut“, welche außerhalb ihrer existiert, wie nach dem äußerlichen Maße etwas als gemessen bezeichnet wird. Diese Meinung Platos mag nun, was die Gattung der Dinge anbelangt, falsch sein. Das aber ist ohne alle Einschränkung wahr, daß es ein höchstes, erstes Gut giebt, das da kraft seines Wesens „Sein“ und „Gut“ ist. Dem stimmt auch Aristoteles zu. Auf Grund des ersten demWesen nach Guten nun kann jegliches Ding gut genannt werden, insoweit es demselben, wenn auch entfernt und sehr mangelhaft ähnlich ist. So wird jedes Sein gut genannt 1. kraft der göttlichen Güte, denn diese ist die Exemplar-, die wirkende und die Zweck-Ursache alles Seins; 2. kraft der Ähnlichkeit mit dem göttlichen Gute, welche innerhalb des geschöpflichen Seins besteht; und diese ist als formaler Grund im Dinge selbst die Ursache davon, daß diese gut genannt wird; es ist die eigene Güte im Dinge, wie Augustin und Boëius hervorheben. So besteht also eine Güte, die außerhalb der Dinge ist und wonach sie die denominatio extrinseca: „gut“ tragen. Und es besteht eine Güte in jedem Dinge selber; nämlich das, wodurch es ähnlich ist dem Urprincip. Einerseits giebt es also eine Güte, wonach alle Dinge gut genannt werden; andererseits viele Arten von Güte, wonach die Dinge von sich aus gut heißen.
