Zweiter Artikel. Gott ist das höchste Gut.
a) Dies scheint zu streiten gegen den Begriff des „Höchsten“. Denn: I. Der Zusatz „höchstes“ fügt etwas hinzu zum einfachen „Guten“; sonst würde er für jegliches Gute passen. Was aber ein Wesen hat, wozu etwas für das thatsächliche Sein hinzugefügt worden, das ist zusammengesetzt. Somit würde der Ausdruck „höchstes Gut“ für Gott eine Zusammensetzung bedeuten. II. Gut ist, wonach alles verlangt und strebt. Gott allein aber wird von allem ohne Ausnahme begehrt; denn Er allein ist der Zweck alles Seins. Also ist Er nicht das höchste Gut, sondern eben nur allein das Gute. Das bezeichnet der Herr selber mit den Worten: „Niemand ist gut als Gott allein.“ (Luk. 18.) Also kann nicht von Gott ausgesagt werden, Er sei das höchste Gut; denn in diesem Falle müßten, des Vergleiches halber, noch andere Güter da sein. III. Zudem kann auch aus diesem weiteren Grunde kein Vergleichen statthaben, weil Gott mit den anderen Gütern nicht in ein und derselben „Art“ einbegriffen ist. Was aber miteinander verglichen werden soll, das muß mindestens in ein und derselben Akt sein. So kann die Süßigkeit nicht mit der Biene verglichen werden. Auf der anderen Seite sagt Augustin (I. de Trin. c. 2.): „Die Dreiheit der göttlichen Personen ist das höchste Gut, welches vom Geiste, der auf der höchsten Stufe der Reinheit steht, geschaut wird.“
b) Gott ist einfach und ohne weiteren Zusatz das „höchste Gut“; nämlich nicht nur innerhalb irgend welcher beschränkten Art oder irgend welcher Seinsstufe der Dinge. Denn deshalb wird von Gott das „Gute“ ausgesagt, weil jegliche auf irgend einer Seite begehrte Vollendung von Ihm herrührt als von der erstwirkenden Ursache. Die Wirkungen kommen aber nicht von Gott als von einer Ursache, deren Wesen mit dem Wesen der Wirkungen ein und dasselbe (univoce) wäre, wie der Mensch vom Menschen kommt; sondern wie von einer Ursache, welche mit ihren Wirkungen weder die „Art“ noch die „Gattung“ oder die Wesensform gemeinsam hat. Die entsprechende Ähnlichkeit nun vereinigt in der ersten Art von Ursachen, in den causis univocis, die wirkende Ursache mit der Wirkung. Der Mensch z. B. ist dem Menschen ähnlich, weil beide die eine Gattung haben. In der zweiten Art von Ursachen aber ist die mitgeteilte Vollendung nicht wesentlich gleichmäßig in der Ursache und in der Wirkung, sondern sie ist in der Ursache in weit höherer Seinsweise; so wie die Wärme noch höher ist in der Sonne wie im Feuer. So ist es also erfordert, daß, insofern das Gute in Gott ist wie in der ersten Ursache aller Dinge, in der Ursache, die mit keiner Wirkung etwas der „Art“ oder der Gattung nach gemeinsam hat; es ist erfordert, daß das Gute in dieser Ursache im allerhöchst möglichen Grade sei. Und deshalb ist Gott das höchste Gut. I. Der erste Einwurf täuscht sich über die Bedeutung des Zusatzes „höchstes“ Gut. Dadurch wird nämlich zum Guten keinerlei Wirklichkeit hinzugefügt, in welcher eine Zusammensetzung des Seins begründet sein könnte; sondern nur die Beziehung zu den Kreaturen. Nur jene Beziehung aber ist in den Kreaturen eine thatsächlich wirkliche, welcher ein eigenes wirkliches Sein, nämlich das der Abhängigkeit, zu Grunde liegt. In Gott ist jedoch eine solche Beziehung einzig und allein gemäß der Auffassung der Vernunft; wie z. B. das Wissenswerte Beziehung hat zur Wissenschaft, nicht weil es auf die Wissenschaft bezogen würde und von dieser etwas erhielte, sondern weil umgekehrt die Wissenschaft auf das Wissenswerte bezogen wird und von diesem in ihrem Bestande thatsächlich vermehrt wird. So besteht also keine Zusammensetzung im thatsächlichen Sein Gottes auf Grund des Zusatzes: höchstes Gut. II. „Nach dem Guten strebt alles“ darf nicht so aufgefaßt werden, als ob jegliches Gute von allem begehrt würde, sondern weil jegliches Ding, um begehrt werden zu können, den Charakter des „Guten“ hat. Gott aber ist gut allein kraft seines Wesens, nicht auf Grund von irgend welcher Mitteilung. III. Gott ist das erste Princip aller der verschiedenen Seinsarten; und allein auf Grund dessen wird Er mit anderem verglichen, infolge nämlich des Übermaßes an „Gut“, was Er hat.
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