Zweiter Artikel. Die Wasser über dem Firmamente.
a) Es scheint, daß solche Wasser gar nicht existieren. Denn: I. Das Wasser ist von Natur schwer. Ein solcher Körper aber ist nicht oben, sondern unten. II. Das Wasser fließt. Was aber fließt, bleibt nicht in seinem Bestande über einem runden Körper, wie der Augenschein lehrt. III. Das Wasser hat natürliche Beziehung zur Erzeugung eines zusammengesetzten Körpers;..wie das Unvollendete, das erst Werdende, Beziehung hat zum Vollendeten. Über dem Firmamente aber ist nicht der Ort, daß etwas erzeugt werde; sondern auf der Erde. Also wäre solches Wasser über dem Firmamente höchst überflüssig. Gott aber macht in seinen Werken nichts Überflüssiges. Auf der anderen Seite steht die Autorität der Gen. 1, 7.
b) Ich antworte zuvörderst mit Augustin (2. sup. Gen. ad litt. 5.): „Größer ist hier die Autorität der Schrift als die Kraft unseres Verstandes. Deshalb zweifeln wir keineswegs, es seien da Wasser, wenn wir auch nicht wissen, wie beschaffen diese Wasser sind und auf welche Weise sie daselbst Bestand haben.“ Die Beschaffenheit nun dieser Wasser wird verschieden angegeben. Origenes (hom. 1. in Gen.) hält sie für geistige Substanzen und bezieht darauf Ps. 148, 1.: „Alle Wasser, die über dem Firmamente sind, sollen den Herrn loben;“ und Daniel 3, 60.: „Und alle Wasser, die über dem Firmamente sind, preiset den Herrn.“ Basilius aber antwortet darauf (3. in Hexaëm.), daß dies in der Schrift gesagt wird; nicht weil diese Wasser vernünftige Kreaturen wären, sondern weil ihre vernunftgemäße Betrachtung zur Verherrlichung Gottes führt: wie ja an denselben Stellen auch das Feuer, der Hagel etc. zum Preise Gottes aufgefordert werden. Es sind also körperliche Wasser. Ihre Beschaffenheit wird dann verschieden bestimmt je nach der verschiedenen Auffassung des Firmamentes. Denn wenn man meint, das Firmament sei der Sternenhimmel und sei von der Natur der vier irdisch-stofflichen Elemente (Empedokles), so werden auch die Wasser über ihm den unsrigen ähnlich sein. Folgt man aber dem Aristoteles, so daß das Firmament nicht die Natur des irdischen Stoffes hätte, so haben diese Natur auch nicht die fraglichen Wasser. Wie jedoch ein Feuerhimmel von Strabo angenommen und so benannt wird bloß wegen des Glanzes, nicht weil da wirklich die Natur unseres Feuers wäre; so wird ein anderer Himmel, d. h. Sternenkreis, Wasserhimmel genannt werden können nur wegen des Durchscheinens; und dieser Himmel würde über dem Sternenhimmel sein. Wird nun angenommen, das Firmament habe einen Stoff von anderer Natur wie der unsrige ist; so kann immer noch gesagt werden: „Gott teilte die Wasser;“ — und dann verstehen wir unter Wasser den formlosen Stoff, nicht das Element „Wasser“, wie Augustin sagt. (1. sup. Gen. contra. Manich. cap. 5. et 7.) Danach teilt, was zwischen den verschiedenartigen Körpern ist, den einen Stoff vom anderen; es teilt das Wasser vom Wasser. Soll aber das Firmament die verdichtete Luft sein, so bedeuten die Wasser über dem Firmament die Ausdünstungen, die von der Erde aufsteigen und woraus der Regen entsteht. Denn daß, wie einige meinten (Aug. 2. sup. Gen. ad litt. cap. 4.), diese Ausdünstungen über den Sternenhimmel emporsteigen ist unmöglich; sowohl wegen der festen Gestaltung des Himmels wie wegen der Hitze, wodurch sie vergehen müßten, da dieselbe alle solche Ausdünstungen aufzehren würde; — sowie auch weil der Ort, wo das Leichte und Schwere Einfluß hat für die Bewegung der Körper, nur hier unter dem Mondkreise ist; — und ebenso weil es sichtbar erscheint, daß diese Dünste nicht über die Spitzen mancher Berge empor steigen.
c) I. Manche meinen, die Kraft Gottes verhindere das Hinabfallen der Wasser, also den Charakter ihrer Natur. Doch Augustin sagt, man müsse in der Begründung und Einrichtung der Naturen nicht nach Wundern suchen; nämlich nach der unmittelbaren Einwirkung Gottes. So muß man denn sagen, daß nach den beiden letzten Meinungen die Lösung vorliegt. Nach Aristoteles, also nach der erstgenannten Meinung, genügt dies nicht. Da muß man eine andere Beziehung der Elemente hier unten und da oben annehmen. Danach würden dichte und schwere Wasser hier um die Erde herum sein; um den Himmel herum aber leichte und dünne. Und wie sich diese ersteren zur Erde verhalten, so die letzteren zum Himmel. Oder unter den Wassern wird im allgemeinen der Körperstoff verstanden. II. Basilius sagt da (I. c.), es sei nicht nötig anzunehmen, daß die Himmel, d. h. die entsprechenden Sterne auch oberhalb rund seien. Dann aber sind diese Wasser über dem Firmamente keine fließenden, sondern wie Eis fest; so daß dieser „Himmel“ von anderen auch „Krystallhimmel“ genannt wird. III. Nach der dritten Meinung sind diese Wasser die Dünste, welche den Regen erzeugen. Nach der zweiten sind sie der ganz durchscheinende „Himmel“ und manche nennen ihn das erste Bewegliche, wodurch in erster Linie die Erzeugung im allgemeinen hier auf Erden beeinflußt und geleitet wird, der Grund also der Tagesbewegung; wie der Sternenhimmel der Grund für die Verschiedenheiten der Zeiten und der Erzeugungen ist. Nach der ersten Meinung aber sind diese Wasser da, um die Hitze der Himmelskörper zu mäßigen. Der Stern des Saturn soll ja wegen der Nähe dieser Wasser der kälteste sein. (Aug. 2. sup. Gen. ad litt. 5.)
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