Erster Artikel. Das Firmament ist am zweiten Tage gemacht.
a) Dem steht gegenüber: I. Gen. 1, 8. heißt es: „Gott nannte das Firmament Himmel.“ Der Himmel aber ist gemacht vor allem Tage „im Anfange“. Also ist das Firmament nicht am zweiten Tage gemacht. II. Das Firmament ist seiner Natur nach früher als Wasser und Erde, deren jedoch Erwähnung geschieht vor der Erschaffung des Lichts. Gottes Weisheit aber geziemt es nicht, was seiner Natur früher ist, später zu machen. Also ist das Firmament vor dem ersten Tage gemacht. III. Was durch die sechs Tage hindurch gemacht wurde, das ward gebildet aus dem vor allem Tage geschaffenen Stoffe. Das Firmament aber konnte nicht gemacht werden aus vorliegendem Stoffe, denn es ist dem Entstehen und Vergehen nicht zugänglich. Also ist es nicht am zweiten Tage gemacht. Auf der anderen Seite steht die Autorität der Genesis.
b) Ich antworte, daß, wie Augustin (1. sup. Gen. ad litt. 8. et 12. Conf. 23. et 24.) lehrt, bei solchen Fragen zwei Punkte auseinandergehalten werden müssen. Erstens muß die Autorität der Schrift unverrückbar aufrecht erhalten werden. Da aber zweitens die Schrift vielfache Auslegungen zuläßt, so darf man nicht einer bestimmten in der Weise anhängen, daß, wenn von seiten der Wissenschaft sich herausstellt, diese bestimmte Auslegung sei offenbar falsch, man trotzdem diese selbe Auslegung verteidigen wollte. Im letzten Falle setzt man die Schrift dem Spotte der Ungläubigen aus und schließt ihnen den Weg des Glaubens ab. Hier also ist zu bemerken, daß die Einen unter dem am zweiten Tage gemachten Firmamente jenes verstehen, worin die Sterne sind. Und danach ist die Auslegung eine verschiedene. Manche nämlich meinten, dieses Firmament sei aus den vier stofflich-irdischen Elementen zusammengesetzt und es sei nach Empedokles nur deshalb so unauflöslich fest, weil in seine Zusammensetzung nicht der „Streit“ einging, sondern nur die „Freundschaft“. Plato mit anderen meinte, dieses Firmament sei wohl von irdischem Stoffe; aber es sei nicht zusammengesetzt aus verschiedenen Elementen, sondern sei das einfache Element des Feuers. Aristoteles aber mit seinen Anhängern behauptete, der Stoff im Firmamente sei seiner Natur nach verschieden von den irdischen Elementen. (I. de coelo.) Nach der ersten Ansicht also könnte es zugegeben werden, das Firmament sei, auch nach seiner Substanz, am zweiten Tage gemacht. Denn „Erschaffen“ heißt die Substanz der Elemente selber hervorbringen. „Scheiden“ aber und „Schmücken“ heißt etwas aus den vorliegenden Elementen bilden. Nach der Meinung Platos aber ist es unmöglich, daß man glaube, das Firmament sei am zweiten Tage gemacht worden. Denn „das Firmament machen“ wäre nach ihm: „Hervorbringen das Element des Feuers.“ Das Hervorbringen aber der Elemente ist das Ergebnis des Erschaffens nach denen, welche meinen, die Formlosigkeit des Stoffes sei der Geformtheit desselben der Dauer und Zeit nach vorangegangen; denn diese Formen der Elemente sind eben bereits durch die Erschaffung dem Stoffe gegeben worden. Noch weit weniger aber läßt es sich mit der Meinung des Aristoteles vereinigen, daß das Firmament am zweiten Tage gemacht sei, wenigstens seiner Substanz nach, insofern nämlich durch diese Zahlen die Aufeinanderfolge in der Zeit ausgedrückt wird. Denn der Himmel hat als seiner Natur nach unvergänglich einen Stoff in sich zu Grunde liegend, der keiner anderen Form unterliegen kann. Also kann das Firmament gar nicht aus einem Stoffe gemacht sein, der vorher unter einer anderen Wesensform, sei es auch nur unter der eines Elementes bestand. Danach würde das Hervorbringen des Firmamentes als einer Substanz vor allem Tage anzusetzen sein als Werk des Erschaffens. Und höchstens könnte nach Plato und Aristoteles der geschaffenen Substanz eine gewisse Vollendung am zweiten Tage gegeben worden sein; wie das oben Dionysius von der Sonne meinte. Wird aber mit diesen Tagen nicht die Aufeinanderfolge der Zeit, sondern die Ordnung und Abhängigkeit in der Natur der Dinge bezeichnet, wie Augustin will (4. sup. Gen. ad litt. c. 22.); so besteht keine Schwierigkeit dafür, daß das Firmament am zweiten Tage, auch der Substanz nach, gemäß allen diesen Meinungen gemacht sei, nämlich als leitende Idee im Verständnisse der Engel. Es kann jedoch auch unter dem „Firmamente“ nicht jenes verstanden werden, woran die Sterne haften, sondern der Teil der Luft, in welchem die Wolken sich verdichten. Und dies wird „Firmament“ genannt, weil die Luft da so dicht ist; denn was dicht ist und zusammenhaltend wird nach Basilius (hom. 3. in Hexaëm.) als fester Körper bezeichnet zum Unterschiede vom mathematischen Körper. Nach dieser Auslegung kann man jeder beliebigen der hier vorgetragenen Meinungen folgen. Augustin (2. 8up. Gen. ad litt. 4.) sagt davon: „Diese Art der Betrachtung des Firmamentes lobe ich höchlich.“
c) I. Chrysostomus (hom. 3. in Gen.) schreibt: Moses habe zuerst im allgemeinen gesagt: „Im Anfange schuf Gott Himmel und Erde“ und dann durch die einzelnen Teile hindurch es erklärt. So könnte jemand sagen: Der Künstler hat dieses Haus gemacht; und dann: Zuerst legte er die Fun-damente, darauf richtete er die Mauern auf etc. Und danach wäre also unter dem „Firmamente“ kein anderer Himmel zu verstehen wie der bereits erwähnte. Es kann aber auch der „Himmel“ ein verschiedener sein in v. 1. und in v. 6. So hält Augustin den „Himmel“ in v. 1. für die formlose Geistnatur; und den in v. 6. für den körperlichen Himmel. Beda und Strabo nehmen den Himmel in v. 1. für den Feuerhimmel. Damascenus meint, es sei der Himmel die neunte Sphären-Ordnung, der erste bewegliche Körper nämlich, wonach sich die Tagesbewegung, das Zählen der Tage regelt; und das Firmament sei der Sternenhimmel. Augustin meint ebenfalls, der erste „Himmel“ sei der Sternenhimmel; und der am zweiten Tage die verdichtete Luft unter demselben. (2. sup. Gen. ad litt. cap. 1.) Und deshalb heißt es bezeichnend: „Gott nannte das Firmament Himmel;“ wie vorher ähnlich: „Er nannte das Licht Tag,“ denn der Tag wird auch für die Zeit von vierundzwanzig Stunden genommen. Damit sollte angezeigt werden, Licht und Himmel habe an beiden Stellen nicht dieselbe Bedeutung.
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