Dritter Artikel. Kein Körper ist der Größe nach unendlich.
a) Es scheint, daß ein unendlich großer Körper thatsächlich existieren kann. Denn: I. Die mathematischen Wissenszweige gebrauchen das unendlich Große; es wird nämlich in der Geometrie gesagt: Diese Linie sei unendlich. Man kann aber nicht behaupten, daß die mathematischen Wissenszweige auf falschen Anschauungen beruhen, wie Aristoteles (2. Phys.) sagt. Also giebt es eine thatsächlich unendliche Größe im Körperlichen. II. „Unendlichsein“ ist nicht gegen das Wesen der körperlichen Größe. Denn „endlich und unendlich“ sind Eigentümlichkeiten des Umfanges. Also kann es etwas thatsächlich Unendliches im Körperlichen geben. III. Die körpelliche Größe kann ohne Ende geteilt werden. Also kann sie auch ohne Ende vergrößert werden. Denn der Gegensatz hat als Subjekt immer ein und dasselbe, an welchem er haftet. Wie also „schwarz und weiß“ als dem gemeinschaftlichen Subjekte von der Farbe ausgesagt wird; so kann das thatsächlich unendlich Kleine und ebenso das thatsächlich unendlich Große vom Körper ausgesagt werden. IV.Der Umfang und der innere Zusammenhang der Teile in der Bewegung und in der Zeit rührt von der Größe eines Körpers her, welcher als Träger oder Subjekt der Bewegung dient. Das Unendliche ist aber nicht gegen das Wesen der Bewegung und der Zeit, da, was auch immer für ein unteilbarer Punkt in der Kreisbewegung und in der Zeit gekennzeichnet werden mag, derselbe Anfang einerseits und Ende andererseits ist. Also gegen die Natur der körperlichen Größe ist die thatsächliche Unendlichkeit durchaus nicht. Auf der anderen Seite hat jeder Körper eine Oberfläche. Die Oberfläche aber ist die Grenze eines unendlichen Körpers. Dasselbe gilt von der Oberfläche im Verhältnisse zur Linie. Kein Körper also ist gemäß der Thatsächlichkeit und nicht nur dem Vermögen nach unendlich in der Größe.
b) Ich antworte zuvörderst, daß ein Unterschied besteht zwischen diesen beiden Aussagen: unendlich sein dem Wesen nach und unendlich sein der Größe nach. Denn gesetzt es bestände wirllich ein in seiner Größe unendliche Körper, so wäre derselbe doch „geendet“ seinem Wesen nach; nämlich durch seine allgemeine Wesensform wäre er auf eine gewisse Gattung beschränkt, wie z. B. auf die des Feuers; und seinem Stoffe zufolge wäre e ein einzelner Körper. Es sind dies zwei voneinander verschiedene Fragen: ob etwas dem Wesen nach unendlich sei und ob es ein in der aktuellen Größe Unendliches gebe. Ferner muß aufmerksam gemacht werden, daß die körperliche Größe, erschöpfend aufgefaßt, zwei Bedeutungen zuläßt: die nämlich der mathematischen Größe, wo der Umfang nur in Betracht kommt; und jene, welche der in der wirklichen Natur befindlichen, aus Stoff und Form bestehenden eigen ist. Was die letztere Bedeutung anbelangt, so ist es klar, daß kein in der wirklichen Natur befindlicher Körper unendlich groß sein kann. Denn ein jeder solcher Körper hat eine ganz bestimmte substantiale Form: er ist Feuer oder Luft oder dergleichen. Eine in bestimmten Verhältnissen bestehende Form aber ist die Richtschnur für alle Eigenschaften und Zustände, die zum Wesen hinzutreten, also alle Accidentien. Unter diesen befindet sich nun auch der Umfang. Alfo muß auch der Umfang in bestimmten Verhältnissen sein; er muß der Bestimmtheit der inneren substantialen Form folgen. Es giebt also keine unendliche Größe in der wirklichen Natur. Ganz dieselbe Folgerung ergiebt sich aus der Bewegung. Denn jedem Körper in der Natur ist eine bestimmte Bewegung eigen. Ein mit unendlicher Größe ausgestatteter Körper aber kann keine Bewegung haben. Und zwar kann er keine Bewegung, haben in der Richtung einer geraden Linie. Denn in dieser Weise wird nur ein solcher Körper bewegt, der außehalb des ihm gebührenden Ortes ist, will er doch eben durch solche Bewegung seinen Ruhepunkt erreichen. Ein Körper von unendlicher Größe aber nimmt alle Orte ein und somit ist er gleichgültig, für jeden einzelnen Ort. Auch keine Kreisbewegung kann er haben. Denn dafür ist erfordert, daß der eine Teil dahin komme, wo der andere bereits war, was bei einem unendlich großen Körper nicht möglich ist. Werden nämlich vom Mittelpunkte zwei Linien gezogen, so stehen dieselben voneinander um so weiter ab, je mehr sie verlängert weden. Ist also der Körper in seiner Größe unendlich, so müssen diese zwei Linien unendlich verlängert werden und sie müßten deshalb unendlich weit voneinander abstehen. Dann aber kann der eine Teil an den Ort nicht kommen, den der andere verlassen; denn eine unendliche Entfernung kann nicht durchmessen werden. Vom mathematischen Körper gilt dasselbe. Wollen wir nämlich einen mathematischen Körper uns vorstellen, der thatsächlich existierte, so müssen wir uns selben unter einer bestimmten Form vorstellen; denn nichts kann ohne Form als thatsächlich bestehend gedacht werden. Die Form aber, welche dem Umfange entspricht, ist die Figur; und so wird der Körper „endlich“ sein. Denn die „Figur“ wird von einem Körper ausgesagt, insoweit er in gewissen Grenzen enthalten ist.
c) I. Die Geometrie hat nicht nötig, eine thatsächlich unendliche Linie vorauszusetzen; sondern sie nimmt eine beliebig begrenzte Linie, von der hinweggenommen werden kann, wie viel erforderlich ist; und eine solche Linie nennt sie „unendlich“. II. Allerdings ist das Unendliche nicht gegen das Wesen der Größe im allgemeinen; aber es ist gegen die Natur jeder bestimmten Gattung von Größe, also gegen die Natur dessen, was zwei Ellen oder drei Ellen lang oder kreisförmig ist. Es kann aber nichts innerhalb der „Art“ gemäß der thatsächlichen Wirklichkeit sein, was in keiner Gattung bestehen kann. Es ist also ein unendlich großer Körper unmöglich, weil dafür keine Gattung gefunden werden kann. III. Jenes Unendliche, welches dem Umfange entspricht, ist das material Unendliche, also das Unfertige, was immer noch mehr werden kann. (cf. Art. 1.) Bei der Teilung des Ganzen nun hat man es mit dem Materialen, dem Unvollendeten, zu thun; denn die Teile sind gleichsam die Materialien, welche vom Ganzen her ihre Bestimmung erwarten. Durch das Hinzufügen aber nähert man sich dem Ganzen; und dieses letztere ist wie die bestimmende Form rücksichtlich der Teile. Deshalb findet sich nur bei der Teilung das Unendliche, nämlich das Unvollkommene, das immer mehr bestimmbare Unendliche. Bei der Vermehrung aber findet es sich nicht. Denn da würde es sich um das Unendliche halten, welches ohne Grenzen bestimmt und nicht mehr bestimmbar ist; dieses Unendliche aber entspricht dem Umfange nicht. IV. Der vierte Einwurf gehört nicht hierher. Denn die Zeit und die Bewegung sind nur nach und nach gemäß ihren Teilen in Thatsächlichkeit; nicht als Ganzes, nicht nämlich aIs ob alle Teile zugleich thatsächlich wären. Hier aber handelt es sich um die körperliche Größe, insofern sie thatsächlich, mit allen Teilen zugleich, unendlich wäre. Etwas Aktuelles, was ohne Grenzen ist im Werden, d. h. immer mehr werden kann, wird nicht geleugnet. Denn das ist wie bei III. die materiale Unendlichkeit.
