Erster Artikel. Gott ist wirkend im innern der Dinge.
a) I. Gegen diese Annahme scheint die Schrift selber zu sein; die da sagt: „Erhaben über alle Völker ist der Herr“ (Ps. 112.). Denn was oberhalb eines Dinges steht, das ist nicht innerhalb desselben. II. Ebenso scheint Augustin diese Gegenwart zurückzuweisen; wenn es lib. 82. Quaest. 20. heißt: „In Gott ist vielmehr alles, als daß Gott in allem wäre.“ Denn was innerhalb eines Dinges, das wird von diesem umschlossen. Ist also Gott in den Dingen, so umschließen Ihn die Dinge nicht aber Er sie, wie dies aus seiner Natur als dem Princip des All folgen müßte. III. Je größer die Kraft eines Seins ist, in desto größere Entfernung hin wirkt dieses Sein. Gottes Kraft aber ist die unstreitig größte! Also sein Wirken reicht bis in die weiteste Entfernung. Er braucht somit nicht den Dingen gegenwärtig zu sein. IV. Die Teufel sind auch „Dinge“. Gott aber ist nicht in den Teufeln. Denn „keine Gemeinschaft hat das Licht mit den Finsternissen“ (2. Cor. 6.). Auf der anderen Seite ist das Wirkende da, wo es wirkt. Gott aber wirkt in allem; wie der Prophet sagt (Isai. 26, 12.): „Alle unsere Werke hast Du in uns gewirkt.“ Also ist Gott innerhalb jeglichen Seins.
b) Ich antworte, daß Gott innerhalb eines jeden Dinges ist; nicht zwar als ein Teil von dessen Wesen und auch nicht als Eigenschaft oder als ein irgendwie zum Wesen hinzutretender Zustand, sondern in der Weise, wie der wirkende Grund da ist, wo er wirkt. Denn jegliches einwirkende Sein muß mit dem verbunden sein, wohin es unmittelbar einwirkt und es muß dieses von seiner Kraft berührt werden. Daraus leitet Aristoteles den Satz ab, daß das Bewegende und das Bewegte zugleich sein müssen; so lange nämlich nur dauert die Bewegung, wie die bewegende Kraft mit dem Beweglichen verbunden ist. Gott aber ist kraft seines Wesens thatsächliches Sein. Also muß gerade das Wirklichsein der Geschöpfe seine eigenste Wirkung bilden; wie z. B. feurig machen die eigenste Wirkung des Feuers ist. Diese Wirkung aber verursacht Gott in den Dingen, nicht nur wann dieselben beginnen zu sein, sondern so lange sie im Sein erhalten werden; wie z. B. das Licht in der Luft von der Sonne verursacht wird, so lange die Luft erleuchtet bleibt. So lange also ein Ding Sein hat, muß Gott ihm gegenwärtig sein; und zwar gemäß der Weise, wie es Sein hat. Nun ist aber das Sein für ein Ding jenes Element, welches am meisten dem Dinge innerlich ist und was in alle Dinge am tiefsten eintritt; denn alles andere, Substanz und Vermögen oder Fähigkeiten, werden erst etwas Wirkliches, soweit die Bestimmung für ihre Thatsächlichkeit vom Sein ausgeht. Es ist das formalste, d. h. das am meisten und am tiefsten bestimmende Element in den Dingen für alles, was im Dinge sich findet. Also muß der wirkende Grund des thatsächlichen Seins der Existenz, Gott, am tiefsten in jedes Ding eintreten.
c) Die Einwürfe gehen alle von einem falschen Gesichtspunkte aus, I. „Gott ist erhaben über alles Sein“ auf Grund der einzig hohen Vorzüge seines Wesens. Trotzdem oder vielmehr eben deswegen ist Gott innerhalb der Dinge als wirkender Grund ihres ganzen Seins; und bleibt getrennt von ihnen und erhaben über sie in seinem Wesen. II. Der zweite Einwurf verwechselt das Körperliche mit dem Geistigen. Das Körperliche wird vom Orte umschlossen, in welchem es sich befindet. Das Geistige aber hält das zusammen, wo es ist; wie z. B. die Seele den Körper zusammenhält. So ist demnach auch Gott in den Dingen, indem Er sie als wirkende Ursache zusammenhält. Und in dieser Weise wird auch nach Analogie des Körperlichen gesagt, alles sei in Gott, insoweit alles von der Macht Gottes umschlossen ist. III. Das Wirken keiner Ursache erstreckt sich auf Entferntes, außer insofern sie das, was entfernt ist, durch Vermittlung anderer Ursachen erreicht; wie ich etwa durch einen Brief vermittelst eines Böten auf eine entfernte Person einwirke. Gottes einzig große Kraft aber ist es, daß Er keinerlei vermittelnder Ursachen bedarf. Stellt Er deren irgendwie auf, so thut Er es, um sie an seiner Macht teilnehmen zu lassen; und sonach aus Güte. Er wirkt unmittelbar in allem das Sein, und erst kraft des Seins können die Dinge selber wirken. Nichts ist also in der Weise von Gott entfernt, daß es nicht Gott in sich habe. Die Dinge werden als fern von Gott bezeichnet auf Grund ihrer Unähnlichkeit mit Ihm in ihrer Natur oder im Bereiche der Gnade; sowie Er kraft seiner Natur über alles ist. IV. Danach ist auch in den Teufeln Gott; insoweit diese eine geistige Natur und dementsprechende Vollkommenheiten besitzen. Er ist nicht in ihnen; insoweit sie in ihrer Bosheit von Ihm abgewendet sind.
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