Vierter Artikel. Die vom Leibe getrennte Seele kann keinen Körper bewegen.
a) Dagegen spricht: I. Der Umstand, daß die so getrennte Seele eine geistige Substanz ist. Geistigen Substanzen aber folgt, wie Kap. 110, Art. 3 dargelegt, der Körper mit Rücksicht auf die örtliche Bewegung. II. Nach einer apokryphen Schrift über die Reise des heiligen Klemens hielt Simon Magus durch magische Mittel die Seele eines Kindes bei sich fest, das er getötet; und machte damit magische Künste. Also mußte diese Seele die entsprechende Kraft besitzen, wenigstens auf die Körper, insoweit sie der Bewegung unterliegen, Einfluß zu haben. Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (1. de anima): „Keine Seele kann an und für sich einen anderen Körper bewegen, wie den ihrigen.“
b) Ich antworte, daß die Seele, soweit sie verbunden ist mit dem Leibe, offenbar nur einen belebten Körper zu bewegen vermag, so daß, wenn ein Glied ihres Körpers abgestorben ist, sie es nicht in Bewegung setzen kann. Von der getrennten Seele aber wird kein Körper belebt, so daß ihr, soweit es auf ihre eigene Kraft ankommt, kein Körper in seiner Bewegung gehorcht; es müßte denn Gott eine solche Kraft der Seele für einen einzelnen Fall verleihen.
c) I. Die geistigen Substanzen wie die Engel sind nicht von Natur auf einen bestimmten Körper angewiesen; denn sie sind von Natur überhaupt körper- und stofflos. Also kann von ihrer Natur aus ihre bewegende Kraft sich auf verschiedene Körper erstrecken. Würde jedoch eine solche geistige Substanz durch ihre eigene Natur dazu bestimmt, einen gewissen Körper zu bewegen, so könnte jene Substanz weder einen größeren noch einen kleineren in Bewegung setzen; wie z. B. gemäß den Philosophen der Engel, welcher einen kleineren Himmelskörper bewegt, keinen größeren bewegen könnte. Da also die Seele von Natur aus an ihren eigenen Körper gebunden ist und bleibt, so folgt, daß sie für sich allein keinen anderen in Bewegung setzen kann. II. Wie Augustin (10. de Civ. Dei 11.) und Chrysostomus (hom. 29. sup. Matth.) sagen, geben die Dämonen häufig vor, sie seien Seelen von Verstorbenen, um den diesbezüglichen Irrtum der Heiden zu bekräftigen. So wird wohl auch Simon Magus von einem Dämon getäuscht worden sein, daß er vorgab, er, der Dämon, besitze die Seele des Kindes, das jener getötet hatte.
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