Vierter Artikel. Das „Ausgehen“ der Liebe in Gott ist keine Zeugung.
a) Dagegen spricht: I. Was gemäß der Ähnlichkeit der Natur in den Lebenden ausgeht, wird als gezeugt und geboren bezeichnet. Gemäß der Thätigkeit des Willens geht aber in Gott die „Liebe“ aus, welche mit Gott dieselbe Natur hat; sonst wäre ja dieses „Ausgehen“ außerhalb der Natur Gottes, also nicht etwas, was im Thätigseienden bliebe. Also muß auch das „Ausgehen“ der Liebe als Zeugung betrachtet werden. II.. Zudem ist Ähnlichkeit wesentlich der „Liebe“ eigen, gleichwie dem „Worte“; denn „jegliches Lebende liebt, was ihm ähnlich ist“. (Eccli. 13.) Da also auf Grund der Ähnlichkeit es dem „Worte“ zukommt, gezeugt zu werden, so kommt eben dasselbe auch der „Liebe“ zu. III. Nichts ist in irgend welcher allgemeinen Art enthalten, was nicht zugleich einer besonderen und bestimmten Gattung angehörte. Es müßte also das „Ausgehen“ der Liebe in Gott außer diesem allgemeinen Namen „Ausgehen“ noch einen eigenen besonderen haben, was nicht der Fall ist. Also ist es eben nichts Anderes als Zeugung. Auf der anderen Seite würde folgen, daß der heilige Geist, welcher als „Liebe“ ausgeht, auch als gezeugt ausginge. Dies ist jedoch gegen das Symbolum des heiligen Athanasius, wo es heißt: „Der heilige Geist vom Vater und vom Sohne, nicht gemacht, nicht geschaffen, nicht gezeugt, sondern ausgehend.“
b) Ich antworte, das „Ausgehen“ der Liebe in Gott darf nicht als Zeugung bezeichnet werden. Denn dies ist der Unterschied zwischen Vernunft und Willen, daß die Vernunft thatsächlich erkennt gemäß dem, daß der erkannte Gegenstand in ihr ist, nach seiner Ähnlichkeit; der Wille aber will thatsächlich nicht deshalb, weil eine Ähnlichkeit des Gewollten in ihm ist, sondern weil der Wille eine Hinneigung hat zum gewollten Gegenstande. Das „Ausgehen“ also, welches sich auf das Wesen der Vernunft gründet, vollzieht sich nach Maßgabe der Ähnlichkeit; und insofern kann es den Charakter der Zeugung haben, da jegliches Ding, was zeugt, ein sich selber ähnliches zeugt. Das „Ausgehen“ aber, welches sich auf das Wesen des Willens gründet, vollzieht sich nicht nach Maßgabe einer solchen Ähnlichkeit, sondern vielmehr nach der Natur dessen, was treibt und hinbewegt zu etwas. Und deshalb geht, was gemäß der Willensthätigkeit dies thut, von Gott aus nicht als gezeugt, nicht als Sohn; sondern vielmehr als „Geist“. Denn durch diesen Namen wird ein lebenskräftiger Antrieb und ein lebensfrisches Bewegen angezeigt, insofern von jemand gesagt wird, er sei bewegt oder getrieben durch die Liebe, um etwas zu thun.
c) I. Was auch immer in Gott ist, das ist eins mit der göttlichen Natur. Also von dieser göttlichen Natur als solcher aus kann nicht der eigentliche Grund hergenommen werden, warum das eine „Ausgehen“ nicht so ist wie das andere. Die Ordnung und Beziehung und somit die Verschiedenheit zwischen dem einen und dem anderen kommt von der Natur des Willens und der Vernunft. Danach also, nach der Verschiedenheit in dem Begriffe dieser beiden, wird der Name für ein jedes „Ausgehen“ dieser beiden gewählt. Denn der Name bezeichnet den einem jeden eigenen Grund und die einem jeden eigentümliche Weise. Und daher geschieht es, daß, was nach Weise der Liebe ausgeht, wohl die göttliche Natur erhält und doch nicht als gezeugt bezeichnet wird. II. Die Ähnlichkeit wird anders vom „Worte“ ausgesagt und anders von der „Liebe“; vom Worte nämlich, insoweit es selber eine Ähnlichkeit des verstandenen Dinges ist; wie das Gezeugte eine Ähnlichkeit des Zeugenden. Die Liebe ist aber selber nicht Ähnlichkeit, sondern ihr ist Ähnlichkeit insofern eigen, als die Ähnlichkeit (in der Vernunft, also das Gekannte) das Princip für die Liebe ist. Die „Liebe“ ist also nicht „gezeugt“. Wohl aber ist das, was gezeugt ist, das Princip der Liebe. III. Gott können wir nur von den Kreaturen her und vermittelst ihrer benennen. In den Kreaturen aber geschieht die Mitteilung der eigenen Natur nur durch Zeugung. Also hat allein das dementfprechende Ausgehen des „Wortes“ einen besonderen eigenen Namen. Das andere „Ausgehen“ besitzt nur diesen gemeinsamen Namen. Es kann jedoch speciell „Hauchen“ spiratio genannt werden; denn es ist das „Ausgehen“ des Geistes, spiritus.
