Einunddreißigstes Kapitel Einheit und Mehrheit in Gott. Überleitung.
„Denn die Waffen in unserem Kriegsdienste sind nicht dem Fleische angehörig; Gott vielmehr gehört die Macht, zu zerstören die Befestigungen, zu verwirren die Ratschlüsse und alles zu vernichten was, so hoch es auch sein mag, sich erhebt gegen die Wissenschaft Gottes; gefangen zu nehmen jeglichen Verstand, daß er Christo gehorche.“ (2. Kor. 10.) Wie wäre es doch so leicht für den Menschen, seinen Frieden und seine Ruhe hier auf Erden schon zu finden! Er hat nur anzuerkennen, wie Gott souveräner Herr ist und für das, was er nicht augenblicklich als für ihn geeignet ansieht, sich auf Ihn, seinen barmherzigen Schöpfer, zu verlassen. Der Kranke klagt das Licht an, daß es seinen Augen wehe thut; während doch nur seine leidenden Augen an dem Schmerze schuld sind. So klagt der Mensch so oft das „Mysterium“ dafür an, daß er nicht weiter zu erkennen vermag; während er doch nur seine Schwäche anzuklagen hätte. Er soll nur die krankhafte Einbildung aufgeben, als ob von ihm aus irgend etwas Erkennbares sich dem Allerkennenden und Allerkennbaren vorstelle, daß von ihm aus ein guter oder ein schlechter Entschluß Gott gegenüber wirksam oder bestimmend sei; — es werden dann zahlreiche Schwierigkeiten und Zweifel fallen, für welche er nun das „Geheimnis“ verantwortlich machen möchte. Das „Geheimnis“ an sich verursacht nie Leid, macht nie Dunkel, hält nie auf. Es öffnet weit die Thore des Verstandes, führt zur Freiheit den Willen, zum hellstrahlenden Lichte die Vernunft. Gut ist das Licht der Sonne; aber die Augen des Kranken können es nicht tragen. Gut ist das Licht des Geheimnisses; aber die Vernunft des Menschen ist gefangen im falschen Begriffe von persönlicher Ehre und Freiheit, und deshalb schmerzt im selben Grade das Licht des Geheimnisses. Daß das heilige Geheimnis, wie der Apostel dies will, dazu beitrage, diese falschen Begriffe zu zerstören, zu vernichten die Höhe, die sich aufrichten will gegen Gott; — wie würde dann das Licht den Geist erfüllen; die Klagen über die Beengung, die Beschränkung, sagen wir über die Feindschaft des übernatürlichen Geheimnisses bald schwinden! „Die Ehre der beschränkten Person!“ Siehe da, was aufbaut die „Befestigungen gegen die Wissenschaft Gottes“ und was die Quelle ist für die Ratschlüsse, welche nicht die Gottes sind. Was befolgst du nicht, 0 Mensch, das höchste Beispiel, das dir gegeben wird! „Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist;“ so weist der Herr selber auf dieses Beispiel hin. Die göttlichen Personen sind die höchsten, würdevollsten, in aller Freiheit thronenden. Und folgen sie nicht in allem der Weisheit, wie sie in der göttlichen Natur niedergelegt ist? Haben sie eine andere Kraft als die der göttlichen Natur? Wie? Du meinst, nicht frei zu sein, wenn der erstbewirkende Grund deines freien Handelns nicht du selbst bist. Und der „Sohn“ ist frei, der seine ganze Freiheit mit Naturnotwendigkeit vom Vater hat? Der „Vater“ ist frei, der die ganze eine göttliche Natur mit Naturnotwendigkeit dem „Sohne“ giebt. Der heilige Geist ist frei und Quelle der Freiheit, der seine freie Natur ganz und gar der thatsächlichen Wirksamkeit nach — denn in Gott ist kein Vermögen — vom „Vater“ und vom „Sohne“ erhalt? Und das Nichts soll deshalb nicht frei sein können, weil es den wirkenden Grund für den freien Alt in Gott sehen muß! „Der Sohn macht nichts, als was Er den Vater machen sieht;“ so sagt dieser Sohn selber. Und doch ist Er „unter den Toten frei“! „Im Anfange des Buches ist von Ihm geschrieben, daß Er den Willen des Vaters thue.“ Und doch kann Er „seine Seele einsetzen als Preis und Er kann sie auch nicht einsetzen. Er kann sie hingeben und wieder an Sich nehmen“! „Freie Persönlichkeit!“ Wie treffend sagte oben Thomas. „Der Mensch wird nicht nur getrieben, sondern er treibt sich auch selber an.“ In wie vielen Dingen ist denn der Mensch sein Herr? Er wird getrieben. Das Talent treibt ihn, ohne daß er es sich gegeben. Der Hunger treibt ihn, ohne daß er der Grund davon ist, einen Leib zu haben. Die Lust zu Ieben treibt ihn, ohne daß er dagegen etwas thun könnte. Aber solche Schranken der Freiheit im Menschen werden gerne anerkannt; das kommt von der Natur. Nur wenn es sich um Gott handelt; der soll beileibe im Innern des Herzens nicht wirken können. Die Natur kann ruhig das Verlangen nach Glück geben. Sie kann ruhig die Liebe zur Wahrheit verleihen. Die Natur kann ruhig die Anhänglichkeit an das Sein mitteilen. Sie kann arbeiten im Innern der Seele. Aber Gott darf dies nicht; das würde die Ehre der freien Persönlichkeit einschränken. Was ist denn Gott seinem Wesen nach eigen? Gerade das Einzelne zu wirken; dem Einzelnen wirkliches Sein zu geben, dem dann, wenn es auch selber vorübergeht, immer doch die allgemeinen Vermögen zu Diensten sein müssen, welche den empfangenen Eindruck bewahren. Was ist der Grund, der positiv einwirkende Grund dafür, daß der Sonnenstrahl im einzelnen Wassertropfen sich spiegelt und sonach letzterer leuchtet? Das ist das einwirkende Licht der Sonne. Aber daß es nun der Tropfen ist, nun jener; daß kein Tropfen stehen bleibt, sondern von sich aus bekennt, er könne nicht standhalten; davon ist die Unvollkommenheit des Tropfens schuld, welcher von seinem feststehenden Wesen aus nicht Wirklichkeit und noch weniger alle Wirklichkeit verlangt. Daß der freie Alt des Menschen ein positiver ist und auf ein positives einzelnes Ziel gerichtet und daß dieses einzelne Ziel mit dem Endziele in innigstem Zusammenhange steht; davon ist Gott, das Einwirken des Dreieinigen, die wirkende Ursache. Da oben ist es geschrieben, welches im einzelnen unser Endziel ist; und nur da oben kann es geschrieben sein. Denn die drei göttlichen Personen wirken und bestimmen nur durch die eine, allgewaltige allumfassende, allerfüllende Natur Gottes. Aber daß der eine Alt so ist, daß er nicht die Vollendung des anderen hat; daß der eine nicht mehr ist, während der andere noch nicht ist; — davon ist das Geschöpf die einzige Ursache. Du wählst für dein Almosen diese Zeit so, daß diese Zeit keine andere ist; so, daß diese Person keine andere ist, dieser Ort kein anderer;- davon bist du die freie Ursache. Die Kraft aberr, vermöge derren du den verdienstvollen Willen hast, unter den einzelnen Umfständen etwelche Almosen zu geben, dieselben hier und jetzt zu geben; — jene Kraft, die darin deinen Willen bestimmt, deine Vernunft erleuchtet, deine Hand führt; die ist der unmittelbaren Einwirkung des Dreeinigen geschuldet. „Empfangen;“ das ist die Devise der geschöpflichen Freiheit; und soweit sie empfängt, ist sie Freiheit. Der Sohn ist wesentlich und unumschränkt, weil Er all die göttliche thatsächliche Natur empfangen hat. Wir sind soweit frei im thatsächlichen Wirken, als wir den einwirkenden Einfluß Gottes aufnehmen, insoweit wir also ähnllch sind dem Sohne und durch Ihn dem Dnieinigen. Durch seine Kraft allein gehört uns das Vermögen, frei zu wirken. Durch seine Kraft wählen wir selber in der Weise, wie es unserer aus dem Nichts stammenden Natur angemessen ist, nämlich so, daß wir hier und jetzt wirken; nicht aber dort und zu anderer Zeit. In jeder unserer Handlungen kommt es von uns her, daß sie nicht vielmehr da sind als dort. Du rächest dich durch deine Worte! Daß du dabei dein Recht suchest, ist gut, daß du dafür den Willen und die Absicht hast, ist gut; das kommt von Gott. Aber daß du nicht die Zeit, nicht den Ort, nicht die Verhältnisse im einzelnen abwartest, die dem Gesetze Gottes entsprechen, das kommt rein von deinem Nichts; Gott erlaubt hier nur, daß du von seinem Wirken abfällst. Er überläßt dich deinem Nichts. Folge dem Beispiele der heiligen drei göttlichen Personen. Lies auch du in deiner Vernunft die reine Richtschnur deines Handelns; wie die heiligen drei göttlichen Personen der Allweisheit des göttlichen Wesens folgen. Sie sind eins mit diesem Wesen. Werde du auch kraft der Vernunft eins mit den Wesen der Geschöpfe, die zu Gott dir den Weg zeigen; werde eins mit deiner inneren Richtschnur; werde eins mit den Spuren der göttlichen Weisheit, wie sie dir von allen Seiten entgegenleuchten — und du wirst „vollkommen werden, wie dein Vater im Himmel vollkommen ist“. „Die Ehre der freien Persönlichkeit!“ Was ist denn dies, die geschöpfliche Person? Scharf genug hat es der Engel der Schule eingeprägt. „Princip“ ist sie für Einzelsein; nicht wirkliches Einzelsein. „Vermögen“ ist sie. Die geschöpfiiche Person wird so genannt als in aller vernünftigen Natur gemeinhin das Vermögen für das Einzelsein.“ Sie ist Vermögen in dem Sinne, daß alle Einflüsse von außen her durch dieses Vermögen dir gerade gehören, zu deinem Wohle ausschlagen können. Deine Person hat an sich gar keine Ehre! Ehre hat sie erst, wenn sie erreicht wird von dem Einwirken der ersten Ursache und so verbunden wird mit jenen Personen, denen von sich aus alle Ehre und Würde gebührt. „Nicht gleicher Art,“ hatte oben Thomas gesagt, „wird Person ausgesagt vom Geschöpfe wie von Gott; sondern in einem gewissen Verhältnisse, wie dies überhaupt von den Namen gilt, die von Gott gelten und von der Kreatur.“ „Sein“ wird ausgesagt von Gott und von der Kreatur. In welchem Verhältnisse? Daß Gott thatsächliches, rein wirkendes Sein dem Wesen nach ist und die Kreatur nur Möglichkeit und allein mit Bezug auf Gott wirkliches Sein. Ebenso geschieht es hier. Möglichkeit, nächste Möglichkeit im Dinge, ein einzelnes zu sein (principium der Einzelheiten dieses Menschen z. B., sagte oben Thomas), ist die geschöpfliche Person. Wirklichkeit, reine für sich bestehende einzelste Wirklichkeit ist die göttliche Person. Die Ehre deiner Person hältst du aufrecht, wenn dieselbe unter dem Einwirken der göttlichen Person thatsächlich selbständig und somit dieser ähnlich, Quelle deines Wohles wird. Daraus quillt dann freies selbständiges Wirken. Ist gebeugt unter die Geschöpfe deine Person, gehorcht sie den Leidenschaften; so ist Schande ihr Anteil. Sie kann wohl auch in diesem Falle noch die einzelnen Einflüsse von außen her zu deinem Wohle wenden, insofern sie ihrer Natur nach fähig ist, das bethätigende Einwirken Gottes aufzunehmen und vermittelst desselben über die Kreatur zu herrschen; im thatsächlichen Sein aber fällt sie ab von diesem ihrem eigenen Wohle. Das Wirkliche, Einzelne, das „fait accompli“, hat immer seinen Einflußauf den Menschen. Denn es trägt immer irgendwie den Adel der reinen erstwirkenden Ursache, der reinen Wirklichkeit an der Stirne. Es ist immer ein Zeichen und Zeugnis der Freiheit, die an und für sich nichts Anderes ist als Thatsächlichleit. Wirkt Gott positiv und unmittelbar dieses Wirkliche; dann ist es angemessen den Vermögen und Wesenheiten der Natur, der Gerechtigkeit und den Gesetzen Gottes. Läßt es Gott bloß zu infolge seiner geheimen Ratschlüsse, dann ist es gegen die Natur, gegen die Richtschnur und die Gesetze Gottes, gegen das Wohl des Geschöpfes. In beiden Fällen aber müssen wir anbeten die allwirkende Macht Gottes;freudig zustimmen im ersten, uns beugen im zweiten; immer jedoch darin die Waffe sehen, womit die „Macht Gottes zerstört bie Befestigungen, die Ratschlüsse, die Höhen, die sich erheben gegen die göttliche Wissenschaft“, und zwar immer wieder von neuem von dem falschen Begriffe über Freiheit und persönliche Ehre aus.
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