Dritter Artikel. Das Verhältnis des Namens „Vater“ zum Wesen und zur Person. VI.
a) Es scheint, daß der Name „Vater“ in erster Linie und hauptsächlich vom Wesen gelte und erst in abgeleiteter Weise von der „Person“. Denn: I. Was gemeinsamer oder mehr umfassend ist, das ist auch nach dem Verständnisse früher als das, was beschränkter und in größerer Besonderheit sich findet. Insofern aber dieser Name „Vater“ von der Person ausgesagt wird, ist er auf ein besonderes beschränkt. Soweit er vom Wesen ausgesagt wird, ist er weiter und umfassender; wie damit daß gesagt wird: „Vater unser“ die ganze Dreieinigkeit gemeint ist. Also wird dieser Name in erster Linie und hauptsächlich vom Wesen als dem Gemeinsamen ausgesagt und erst auf Grund dessen von der Person als dem Besonderen. II. Was in genau derselben Weise bezeichnet, darin ist weder ein vorher noch ein nachher, weder eine hauptsächliche noch eine abgeleitete Bedeutung. Nach derselben Weise aber wird die erste Person der Vater des Sohnes, der zweiten Person, genannt, wie der ganze dreieinige Gott seinem Wesen nach Vater aller Kreaturen genannt wird; zumal Basilius (de fide 15. Hom.) sagt: „Empfangen ist gemeinsam der Kreatur und dem Sohne.“ Also giebt es keine hauptsächliche direkte Bedeutung für das Wort „Vater“; und keine abgeleitete; keine per prius et post. IX. III. Was gemäß ein und derselben Auffassung von zwei Dingen ausgesagt wird, darin ist kein Grund für ein Vergleichen. Der Sohn aber wird gemäß der Auffassung auf dieselbe Stufe gestellt wie die Kreatur, soweit es auf die Kindschaft oder Zeugung ankommt; wie es Kol. 1, 15. heißt: „Der da (Christus) das Bild des unsichtbaren Gottes ist, der Erstgeborene aller Kreatur.“ Also giebt es keine Abstufung in der Bedeutung des Ausdruckes „Vater“; sondern es gilt dieser Name gleicherweise vom göttlichen Wesen und von der ersten Person. Auf der anderen Geite ist das Ewige eher als das Zeitliche. Von Ewigkeit nun her ist Gott der Vater des Eingeborenen; in der Zeit erst der Vater der Kreatur. Also wird „Vater“ zuerst und hauptsächlich von der Person, nämlich rücksichtlich des Sohnes ausgesagt; und erst abgeleiteterweise vom Wesen, nämlich rücksichtlich der Kreatur.
b) Ich antworte, daß ein Name von jenem Sein zuerst und hauptsächlich ausgesagt wird, in welchem die volle und ganze Bedeutung des Namens gewahrt bleibt; nicht aber von jenem anderen, in welchem nur nach einer Seite hin die Bedeutung des Namens sich aufrecht halten läßt. Denn von letzterem wird er nur insoweit ausgesagt als das betreffende Sein dem ersteren ähnlich ist, welchem vollkommen die Natur des Namens entspricht. So wird z. B. „Löwe“ in erster Linie und hauptsächlich vom entsprechenden Tiere gebraucht; und erst in zweiter Linie, nämlich unter Voraussetzung dieser Bedeutung, von einem Menschen, der in Kühnheit, Stärke etc. dem Löwen ähnlich ist. Es ist nun aber offenbar, daß die ganz vollkommene Natur der „Vaterschaft und Sohnschaft“ bei der ersten und zweiten Person in Gott gewahrt ist; denn da ist eine durchaus einige (nicht dem Gattungswesen nur, sondern auch der Zahl nach) Natur und Herrlichkeit in „Vater“ und „Sohn“. Im Geschöpfe aber findet sich die Kindschaft Gottes nicht in vollkommener Weise, da nicht die eine Natur Gott mit dem Geschöpfe verbindet; sondern nur unvollkommen nach einer gewissen Ähnlichkeit, die, je größer sie ist, desto mehr auch den inneren Grund abgiebt für eine mehr oder minder wahre Kindschaft Gottes. Gott wird nämlich Vater einer Kreatur genannt auf Grund der Ähnlichkeit bereits, welche in den Kreaturen als bloßen Spuren Gottes enthalten ist. So heißt es bei Job (c. 38.): „Wer ist der Vater des Regens? Oder wer hat erzeugt die Tautropfen?“ Dann wird Gott Vater genannt rücksichtlich der Kreatur auf Grund der Ähnlichkeit, welche in einer Kreatur als dem Bilde Gottes enthalten ist. So heißt es Deuter. 32, 6.: „Ist Er nicht dein Vater, der dich besessen und gemacht und geschaffen hat?“ Ferner ist Gott der Vater mancher Kreaturen auf Grund der Ähnlichkeit, welche von der Gnade herrührt: „Der Geist selbst giebt Zeugnis unserem Geiste, daß wir Kinder Gottes sind; wenn aber Kinder, so auch Erben;“ sagt Paulus. (Röm. 8.) Endlich ist Gott der Vater mancher Kreaturen gemäß der Ähnlichkeit in der Herrlichkeit, was Paulus ausdrückt (Röm. 5.) mit den Worten: „Wir rühmen uns in der Hoffnung auf die Herrlichkeit der Kinder Gottes.“ So also wird die „Vaterschaft“ von Gott in erster Linie ausgesagt, insofern dadurch die Beziehung der einen Person zur anderen ausgedrückt wird; sie wird erst in abgeleiteter Weise ausgesagt, insofern sie die Beziehung zu den Kreaturen einschließt.
c) I. Ein das Gemeinsame bezeichnendes Prädikat ist, insofern es an und für sich in absoluter Weise ausgesagt wird gemäß der Ordnung unserer Vernunft, die das Besondere auf Grund des allgemeinen auffaßt, früher und direkter in ihrer Aussage, als dieses selbe Prädikat, wenn es auf Besonderes geht; wie z. B. die Bezeichnung „Mensch“ zuerst auf die allgemeine Gattung geht und erst auf Grund dessen auf den besonderen Menschen. Denn das Besondere ist da eingeschlossen im allgemeinen. So wird auch „Gott“ in der Auffassung „Vater“ mit eingeschlossen, als das Frühere und Allgemeinere; nicht aber umgekehrt. Gilt es aber gemeinsame Prädikate, welche die Beziehungen zu den Kreaturen bedeuten, so sind diese Prädikate später in ihrer Geltung betreffs der Kreaturen, als diese selben Prädikate, insofern sie von den Personen in Gott ausgesagt werden; denn sie werden nur ausgesagt als allgemeine von den Kreaturen auf Grund der Aussagen über die Personen, da letztere das Princip, den Grund bilden für die Hervorbringung der Kreaturen. Wie das „Wort“ (die Kunstform), welches in der Vernunft des Künstlers sich findet, als vorhergehend und früher aufgefaßt wird mit Rücksicht auf das Kunstwerk, welches von ihm ausgeht und nach seiner Ähnlichkeit geformt ist; so wird auch das Ausgehen des „Wortes“ in Gott als vorhergehend, als früher aufgefaßt mit Rücksicht auf die Kreaturen, die nur gemäß einer Ähnlichkeit des „Sohnes“ zum „Vater“ hervorgebracht sind; wie Paulus (Röm. 8.) sagt: „Die Er vorhergewußt und vorherbestimmt hat, daß sie gleichförmig würden dem Bilde seines Sohnes.“ II. „Empfangen“ ist allerdings gemeinsam der Kreatur und dem „Sohne“; aber es ist nicht gleicher Art, sondern nur gemäß einem gewissen Verhältnisse. Demgemäß wird auch zu den angeführten Worten vom Apostel hinzugefügt: „Damit Er selber der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern,“ nachdem er gesagt hatte, „einige sollten gleichförmig werden dem Bilde des Sohnes Gottes.“ Nur also nach einer gewissen Ähnlichkeit wird Er der „Erstgeborene unter vielen Brüdern oder von aller Kreatur“ genannt. Aber als „Sohn Gottes“, soweit seine eigene Natur in Betracht gezogen wird und nicht bloß eine gewisse Ähnlichkeit, hat Er etwas ganz Eigenes. Denn kraft seiner Natur, mit Notwendigkeit, hat Er das, was Er empfangen; wie Basilius (1. c.) ebenfalls hinzufügt. Und demgemäß wird Er nicht „Erstgeborener“, sondern „Eingeborener“ genannt; gemäß Joh. 1, 18.: „Der Eingeborene, der im Busen des Vaters ist; Er selber hat es erzählt.“ Damit ist auch auf III geantwortet.
