Dritter Artikel. Fünf äußere Sinne sind der menschlichen Natur entsprechend.
a) Dem scheint nicht so. Denn: I. Der Sinn ist mit seinem Erkennen auf die zum allgemeinen inneren Wesen hinzutretenden Eigenschaften gerichtet. Deren aber sind viele; und selbst die verschiedenen Arten derselben sind noch zahlreich. Da also die Vermögen als Maßstab ihrer Unterscheidung die Gegenstände ihrer Thätigkeit haben, so müssen weit mehr Sinne sein. II. Die Größe, die Figur und Ähnliches, die sogenannten für alle Sinne gemeinsamen wahrnehmbaren Gegenstände (sensibilia communia),werden an und für sich von den Sinnen erreicht und nicht nebensächlich auf Grund dessen, was seiner Natur nach sinnlich wahrnehmbar ist. Was aber an und für sich auf Grund seiner Natur Gegenstand der Sinne ist, das macht einen Unterschied in den Vermögen. Da also die Größe und Figur in höherem Grade sich unterscheiden von der Farbe wie der Ton, so müßte auch weit mehr ein eigener Sinn sein für die Größe oder Figur, als für die Farbe und den Ton. III. Nur immer ein Sinn ist fähig, um eine Art Gegensatz aufzufassen; wie das Gesicht das Weiße und Schwarze auffaßt. Der Tastsinn aber faßt mehrere Arten Gegensätze auf, wie feucht und trocken, warm und kalt. Also ist er nicht ein einziger Sinn, sondern das Resultat mehrerer. IV. Der Geschmack ist ein gewisses Fühlen oder Tasten; also ist er kein eigener Sinn. Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (2. de anima): „Außer den fünf Sinnen ist kein anderer.“
b) Ich antworte, daß man den Maßstab für den Unterschied in den fünf Sinnen in den stofflichen Organen finden wollte; je nachdem nämlich in diesen ein stoffliches Element in der Zusammensetzung überwiege. Andere wollten diesen Maßstab in der verschiedenen Art der Vermittlung finden zwischen dem Sinn und seinem Gegenstande, je nachdem dieses vermittelnde Zwischensein mit dem Sinne mehr verbunden oder mehr getrennt ist; die Luft nämlich oder das Licht oder Ähnliches. Wieder andere sahen diesen Maßstab in der Natur der sinnlich wahrnehmbaren Dinge. Doch dies Alles ist nichts. Denn nicht wegen der Organe sind die Sinne da, sondern wegen der Sinne die Organe; also die Verschiedenheit in den Organen kann keinen Unterschied in den Sinnen begründen. Ebenso ist die Vermittlung zwischen dem Gegenstande und dem Sinn in ihrer Verschiedenheit der mannigfachen Thätigkeit der Sinne angepaßt und nicht umgekehrt. Die Naturen der Dinge aber auffassen gehört der Vernunft an, nicht den Sinnen. Es muß also der Maßstab für die Unterscheidung der äußeren Sinne danach beurteilt werden, was eigentlich und an sich zur sinnlichen Thätigkeit gehört. Nun ist es die Natur der Sinne, dazu geeignet zu sein, daß sie leiden oder geformt werden von einem außen befindlichen, sinnlich Wahrnehmbaren. Was also von außen her das Princip für die Veränderung der sinnlichen Thätigkeit, für die sinnliche Auffassung ist; das ist maßgebend zur Beurteilung der Sinne und dem entsprechend muß der Unterschied in den Sinnen aufgestellt werden. Nun besteht eine doppelte Art von wirkendem, veränderndem Einfluß von außen her: einer gemäß der subjektiven einzelnen Natur selber des äußeren Gegenstandes, also ein natürlicher; und einer gemäß der Ähnlichkeit mit dem äußeren Gegenstande, also ein vom Stoffe insoweit losgelöster, ein beschränkt sinnlich geistiger. Dem ersten entsprechend wird die Form des einwirkenden, verändernden Gegenstandes nach ihrem natürlichen Sein aufgenommen, wie die Wärme z. B. im Erwärmten; dem zweiten entsprechend wird im Veränderten die Form des verändernden Gegenstandes nach ihrem geistigen Sein; nämlich nach ihrer Ähnlichkeit aufgenommen, wie die Form der Farbe in der Pupille, die dadurch nicht selber gefärbt wird. Nun wird diese letzte Art Einfluß und demgemäßer Veränderung im Sinne, die geistige, für jeden Sinn erfordert; sonst wäre jede natürliche Veränderung hinreichend, um sinnlich wahrzunehmen; und jeder in dieser Weise natürliche Körper müßte sinnlich empfinden, wenn an ihm eine Änderung sich vollzieht. Immer also muß irgend welche Ähnlichkeit im Sinne die formende und treibende Kraft sein. Es kommt also nur auf das Verhältnis an, in welchem die natürliche Einwirkung mit der geistigen verbunden ist; damit die äußeren Sinne unterschieden seien. Da giebt es nun einen Sinn, das Sehvermögen, wo nur eine geistige Änderung statthat, wo also nur die dem Gegenstande ähnliche Form im Auge das Sehen formt und bildet; eine natürliche Veränderung im Organ des Auges, daß dieses etwa kalt oder warm würde z. B. besteht nicht. In den anderen Sinnen ist mit der geistigen Veränderung eine natürliche verbunden und zwar entweder von seiten des Gegenstandes oder von seiten des sinnlichen Organs. Von seiten des Gegenstandes besteht eine natürlich stoffliche Veränderung als Bedingung für die Sinnesthätigkeit 1. in der Bewegung, nämlich der Luft, während im übrigen der Gegenstand derselbe bleibt; und danach ist das Gehör, dessen Gegenstand der Ton bildet, da dieser verursacht wird durch den Anstoß und die Erschütterung der Luft; — 2. in der Veränderung des Gegenstandes selber in seinem Sein; und danach ist der Geruch, der Gegenstand des Geruchssinnes; denn durch das Warme muß der Körper in etwa verändert werden, damit er Geruch ausatme. Von seiten des Sinnesorganes ist eine natürliche Änderung da beim Geschmack- und beim Gefühls- oder Tastsinn. Denn die Hand, die Warmes berührt, wird selber warm; und die Zunge wird selber feucht durch das Schmecken der Feuchtigkeit. Das Gehör und der Geruch dagegen sind durch den Einfluß allein ihres Gegenstandes nicht einer solch natürlichen Änderung zugänglich; sondern höchstens auf Grund eines zufällig begleitenden Umstandes. Und so ist denn das Sehvermögen, das thätig ist ohne jede natürliche Änderung im Gegenstande oder im Organ, am meisten geistig; und unter den Sinnen der vollkommenste und umfassendste. Nach ihm kommt das Gehör und der Geruch, bei denen im Gegenstande eine natürliche Veränderung vor sich geht; und das Gehör steht höher wie der Geruch, weil die Bewegung von Ort zu Ort vollkommener ist als die Veränderung im Sein, geht sie doch der letzteren immer vorher. Der Gefühls- und Geschmacksinn, über deren Unterschied sogleich gesprochen werden wird, sind am meisten „natürlich“; bei ihnen muß das vermittelnde Sein mit dem Organe selber in Berührung stehen und die natürliche Veränderung des Organs verursachen.
c) I. Nur solche Eigenschaften sind ihrer Natur nach geeignet, einen Unterschied in den Sinnen zu begründen, welche eine einwirkende und deshalb verändernde Kraft in sich einschließen, gemäß denen ein Wirken und Leiden, ein Geben und Empfangen statthat; wie Physic 7 Aristoteles sagt: „Gemäß den nämlichen Eigenschaften wird die Sinnesthätigteit eine andere, gemäß welchen die leblosen Körper einer Änderung unterliegen.“ II. Größe, Figur u. dgl., die sogenannten gemeinsam sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften, stehen in der Mitte zwischen den Gegenständen, die an sich und eigentlich von den Sinnen wahrgenommen werden und jenen, die ganz zufällig, d. h. nicht im mindesten auf Grund ihrer Natur, sondern weil sie mit dem Gegenstande der Sinne irgendwie verbunden sind, von den Sinnen erfaßt sind. Denn die erstgenannten Gegenstände, die jedem Sinnesgegenstande eigen sind, verändern und formen auf Grund ihrer selbst und an und für sich den Sinn, da sie einwirkende Eigenschaften sind. Die Größe, Figur nun und alles dergleichen zu jedem Sinn ohne Unterschied Gehörige läßt sich zurückführen auf den Umfang. Für die Größe und die Zahl leuchtet das von selbst ein, daß sie Arten vom Umfange sind. Die Figur aber ist eine Eigentümlichkeit des Umfanges; denn sie begrenzt diesen. Die Bewegung und Ruhe werden empfunden, je nach dem ein Gegenstand sich immer in derselben Weise oder verschiedenermaßen verhält in seiner Größe und seiner Ortsentfernung, sei es die Bewegung, welche im Zunehmen eingeschlossen ist, oder die Bewegung von Ort zu Ort oder auch die Bewegung von einer sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaft zur anderen. So die Bewegung empfinden ist ebensoviel gewissermaßen wie empfinden das Eine und das Viele. Der Umfang nun aber ist der unmittelbare Träger der einwirkenden sinnlichen Eigenheit; wie die Oberfläche das Subjekt für die Farbe ist. Und deshalb bestimmen und bethätigen diese allen Sinnen gemeinsamen Gegenstände; zwar nicht auf Grund ihrer eigenen Natur und an und für sich, sondern auf Grund der einwirkenden Eigenschaft, deren Träger sie sind, wie die Oberfläche auf Grund der Farbe. Und doch sind sie nicht für die Sinne rein nebensächliche und zufällige Gegenstände. Denn solche Gegenstände, wie diese sensibilia communia) machen irgend welche Veränderung in den Sinnen. In anderer Weise nämlich wird der Sinn bestimmt von einer großen Oberfläche oder von einer kleinen; in anderer Weise bestimmt eine große weiße Mauer das Auge wie eine kleine. III. Aristoteles scheint zu meinen (2. de anima), der Tastsinn sei ein einiger der „Art“ nach; ließe aber viele Gattungen zu und deshalb erstrecke er sich auf verschiedene Gegensätze. Es erscheine jedoch dieser Unterschied in den Gattungen nicht, weil letztere kein verschiedenes Organ besitzen; sondern der ganze Körper den Gattungen des Gefühls ohne Unterschied dient. Nur der Geschmack habe ein besonderes Organ und deshalb werde er geschieden vom allgemeinen Gefühlssinn. Jedoch kann man auch sagen, alle jene einzelnen Gegensätze stimmten überein in einer gemeinsamen „Art“ des Gegensatzes und diese sei dann Gegenstand des Tastsinnes. Jene gemeinsame „Art“ aber hätte keinen Namen; wie ja auch die gemeinsame „Art“, die dem Kalten und Warmen zu Grunde liegt, nicht benannt wird. IV. Der Geschmacksinn ist nach Aristoteles eine eigene Gattung des Gefühls- oder Tastsinnes, die da ihr Organ nur in der Zunge hat. Er wird also vom Gefühl unterschieden; insoweit er innerhalb der allgemeinen „Art“ des Gefühlssinnes eine besondere Gattung vorstellt zum Unterschiede von den anderen Gattungen des Gefühls im ganzen Körper. Ist aber das Gefühl für sich ein eigener Sinn auf Grund eines eigenen Gegenstandes, so wird der Unterschied des Geschmacks und des Gefühls in der verschiedenen Weise der natürlichen Veränderung des Organs gefunden. Denn der Gefühls- oder Tastsinn wird in seinem Organ durch „natürlichen“ Einfluß des Fühlbaren verändert gemäß der Eigenschaft, welche sein Gegenstand ist; gemäß dem Warmen oder Kalten, was die Hand fühlt, wird sie selber warm oder kalt. Die Zunge wird aber nicht gemäß ihrem eigentlichen Gegenstande verändert; sie wird nicht selber süß oder bitter, sondern gemäß einer vorhergehenden Eigenschaft des Gegenstandes, welche dessen Geschmack begründet; nämlich gemäß dem Feuchten, was an sich Gegenstand des Gefühls ist.
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