Zweiter Artikel. Das Paradies war ein passender Ort für die ersten Menschen.
a) Dagegen spricht: I. Der Mensch und der Engel sind gleicherweise zur Seligkeit bestimmt. Der Engel aber ist gleich im Anfange ein Bewohner des Feuerhimmels geworden, nämlich des Ortes der Seligen. Also mußte da auch der Ort für den ersten Menschen sein. II. Auf Grund seiner Seele gebührte dem Menschen als Ort der Himmel, welcher der natürliche Ort der Seele zu sein scheint; da allen Seelen gleichsam eingeboren ist das Verlangen nach dem Himmel. Auf Grund seines Körpers aber gebührte dem Menschen kein anderer Ort, wie den übrigen sinnbegabten Wesen, den Tieren. Also war das Paradies vollständig überflüssig. III. Zudem ist jetzt das Paradies ein ganz nutzloser Ort, da niemand nach der Sünde daselbst ist. Jeder Ort aber ist wegen dessen da, was darin ist. Auf der anderen Seite sagt Damascenus vom Paradiese: „Es ist eine Gottes, des Gebers, würdige Gegend; und ebenso ist der Aufenthalt da angemessen jenem Wesen, welches nach dem Bilde Gottes geschaffen worden.“ (2. de orth. fide c. 11.)
b) Ich antworte, daß, wie bemerkt, der Mensch in der Weise unvergänglich und unsterblich war, daß in der Seele eine gewisse Kraft bestand, um den Körper vor dem Verderben zu bewahren; und nicht als ob im Körper selber eine Eigentümlichkeit gewesen wäre, auf der die Unsterblichkeit beruht hätte. Nun droht dem Menschen Verderben von innen und von außen. Von innen, insoweit das notwendige feuchte Element durch die Wärme verzehrt wird und durch das Alter; — diesem verderbenden Einflüsse begegnete der Mensch durch die Speise. Von außen her scheint am meisten Verderben zu drohen von der Luft; — diesem Einflusse ward begegnet durch das nach jeder Seite hin gemäßigte Klima. Beides aber war im Paradiese gegeben. Denn, sagt Damascenus (l. c.), „das Paradies ist ein Ort, welcher ringsum von gemäßigter, zartester, reinster, klarer Luft umgeben ist und immerdar geschmückt mit blühenden Pflanzen.“ Also war gemäß dem Urzustande des Menschen, womit die Unsterblichkeit des Leibes verbunden war, das Paradies ein passender Ort.
c) I. Der Feuerhimmel ist der höchste aller körperlichen Orte und ist außerhalb aller Veränderung; selbst ohne Bewegung. Mit Rücksicht auf das erste Moment ist er sonach der Engelnatur entsprechend, welche an der Spitze aller körperlichen Kreatur steht und sie nach Gottes Willen leitet. Denn danach ist die Engelnatur auch im höchsten Orte von allem Stofflichen; wie als die Lenkerin und Vorsteherin der ganzen stofflichen Welt. Mit Rücksicht auf das zweite Moment, die Unveränderlichkeit, kommt ein solcher Ort den Engeln zu als seligen Geistern, die da in Ewigkeit gefestigt sind im Anschauen Gottes. Dem Menschen aber kommt seiner Natur nach der Feuerhimmel nicht zu als Ort, in welchem er geschaffen würde; denn er steht nicht als Leiter der gesamten körperlichen Natur vor. Wohl aber kommt dieser Ort auch dem Menschen zu in der Seligkeit. Er ist also nicht darin geschaffen worden; wohl aber soll er dahin verpflanzt werden in seiner schließlichen Seligkeit. II. Es ist lächerlich, zu sagen, der Seele als solcher käme ein Ort als ein ihr natürlicher zu. Nur auf Grund einer gewissen Ähnlichkeit in den Eigentümlichsten weist man einer geistigen Substanz einen Ort zu, wie eben gesagt worden. Das irdische Paradies aber war für den Menschen durchaus passend, sowohl in Anbetracht der Seele wie des Leibes. In der Seele nämlich war eine Kraft, welche vom Körper jedes Verderben abhielt; eine solche Kraft aber besaßen nicht die Tiere. Und deshalb sagt Damascenus (I. c.): „Im Paradiese war kein unvernünftiges Tier.“ Die Tiere wurden kraft der göttlichen Vorsehung nur einmal da hineingeführt, damit Adam ihnen Namen auflege; und die Schlange trat hinein auf Grund der Einmischung des Dämon. III. Der Ort des Paradieses ist deshalb allein nicht nutzlos, weil niemand darin wohnt nach der Sünde; wie ja auch dem Menschen nicht nutzloserweise eine Unsterblichkeit in gewissen Grenzen zu teil geworden war, obgleich er dieselbe nicht bewahren sollte. Denn auf solche Weise zeigt sich einerseits die Güte Gottes und was der Mensch durch die Sünde verloren hat. Trotzdem wird jedoch gesagt, daß Henoch und Elias gegenwärtig im Paradiese wohnen; die ja noch nicht gestorben und doch von der Erde entfernt worden sind.
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