Sechster Artikel. Die Wirkungen der Himmelskörper folgen nicht immer mit Notwendigkeit.
a) Es scheint, daß die Himmelskörper in ihrer Thätigkeit von absoluter Notwendigkeit begleitet sind. Denn: I. Ist die hinreichende Ursache gesetzt, so folgt notwendig die Wirkung. Die Himmelskörper aber sind hinreichende Ursachen für ihre Wirkungen. Da sie also keinen freien Willen haben, sondern mit Notwendigkeit wirken, so folgt auch die Wirkung mit Notwendigkeit. II. Die Himmelskörper begegnen im irdischen Stoffe keinem Hindernisse, da ihnen als dem höheren Stoffe der irdische als der niedrigere voll unterworfen ist. Also ist gar kein Grund vorhanden, warum ihre Wirkungen nicht von Notwendigkeit begleitet sein sollen. III. Fänden die Himmelskörper wirklich hier unten ein Hindernis für ihre Thätigkeit, so müßte dieses Hindernis doch wieder in ihnen selber seinen Grund haben; denn hier unten geschieht ja nichts, was nicht von den Himmelskörpern aus verursacht wäre. Dieses Hindernis also selber wäre wieder notwendig, weil es von einem anderen Himmelskörper kommt. Also kehrt immer dieselbe Schlußfolge zurück. Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (de somno et. vigilia c 2.): „Auch nicht von den Dingen, die in den Körpern geschehen, den Zeichen nämlich des Einwirkens der Himmelskörper, z. B. von den Wassern und Winden, ist es durchaus nicht unzulässig, zu sagen, daß Vieles auch nicht vorkommen kann und Vieles, was vorkommen kann, nicht vorkommt.“
b) Ich antworte, zuvörderst von seiten des Willens und, soweit der Wille sich erstreckt, könne das Wirken der Himmelskörper gehindert werden; denn der Wille steht nicht unter deren wirkendem Einflüsse. Was nun die anderen natürlichen Dinge betrifft, wo kein Princip der Freiheit besteht, den Eindrücken von oben her zu folgen oder nicht, so nahmen die alten Naturphilosophen an, daß in diesem Bereiche Alles mit Notwendigkeit sich ereigne, denn für Alles müsse 1. eine Ursache in der Natur sein, und 2. sei einmal die Ursache gesetzt, so folge auch mit Notwendigkeit die Wirkung. Diese Annahme aber weist Aristoteles. (6 Metaph.) gemäß zwei Gründen zurück. Denn: 1. Es ist nicht wahr, daß, ist einmal die Ursache gesetzt, dann auch die Wirkung mit Notwendigkeit gesetzt werden müsse. Es giebt nämlich Ursachen, welche zu ihren Wirkungen in keiner notwendigen Beziehung stehen, sondern aus denen die betreffende Wirkung wohl in den meisten Fällen folgt, aber auch nicht selten fehlgeht. Weil aber ein solches Hindernis für die Wirkung ebenfalls aus Notwendigkeit hervorgeht, so scheint diese Erklärung, noch nicht genügend. Und deshalb wird gesagt: 2. Alles, was für sich selbst, was an sich ist, nämlich als wirklich und direkt beabsichtigt, das hat eine Ursache; was aber von keiner Seite her beabsichtigt worden, was demnach rein nebenbei ist, das hat keine Ursache; denn es hat weder wahrhaft Sein noch ist es wahrhaft Eines. So besteht z. B. für das „Weiße“ eine Ursache; und für das „Musikalische“ besteht eine Ursache. Aber daß etwas „Weißes“ gerade „musikalisch“ ist, dafür besteht keine Ursache; denn das ist nicht wahrhaft noch ist es eine innerlich mit Notwendigkeit begründete Einheit. Nun ist es aber offenbar, daß eine Ursache, welche die Thätigkeit einer anderen Ursache mit Beziehung auf deren eigenste Wirkung stört, dieser bisweilen durchaus ohne weiteren und von keiner Seite her in der Natur beabsichtigten Grund, also zufällig, entgegen tritt; und somit hat ein solches Begegnen keine Ursache in der Natur. Was also aus einem solchen Zusammentreffen folgt, das wird nicht auf eine Ursache zurückgeführt, in welcher dasselbe vorher in seiner Ursache bestimmt enthalten gewesen wäre und aus der es nun mit Notwendigkeit hervorginge. So z. B. daß ein feuriger Körper im oberen Teile der Luft erzeugt wird und herunterfällt, das hat zur Ursache die Kraft eines Himmelskörpers; und ähnlich, daß auf der Erde ein Stoff besteht, der brennen kann, das kommt vom Einwirken der Himmelskörper her. Daß aber der herabfallende feurige Körper gerade diesen Stoff trifft und nicht jenen und ihn verbrennt, das ist nicht in der Kraft eines Himmelskörpers als der verursachenden enthalten; das ist außer aller Ursächlichkeit im Bereiche der Natur. Nicht alle Wirkungen also der Himmelskörper folgen aus denselben mit Notwendigkeit.
c) I. Die Himmelskörper bringen ihre Wirkungen hervor vermittelst der besonderen einzelnen Ursachen hier unten; und diese können mangeln. II. Die Kraft des Himmelskörpers ist nicht eine unbeschränkte. Sie erfordert eine gewisse Vorbereitung in den Verhältnissen des Stoffes, ehe die Wirkung sich vollziehen kann, sowohl betreffs der örtlichen Entfernung als auch in sonstigen Eigenschaften. Wie also eine über die Maßen weite Entfernung der Sonne z. B. die Wirkung derselben hindern würde, so auch kann das zu Grobe im Stoffe, seine zu große Wärme oder Kälte und Ähnliches die Wirkung des Himmelskörpers stören. III. Das Zusammentreffen selber zweier Ursachen läßt sich nicht auf einen Himmelskörper als höhere Ursache zurückführen, wie gesagt worden.
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