Erster Artikel. Es giebt Thätigkeit in Körpern.
a) Es scheint, kein Körper sei thätig. Denn: I. Augustinus sagt (4. de Civ. Dei 9.): „In den Dingen wird etwas gefunden, was nur gewirkt wird, nicht aber wirkt, wie die Körper; etwas, was wirkt und nicht gewirkt wird, Gott; — und etwas, was gewirkt wird und wirkt, die geistigen Substanzen.“ II. Jedes Einwirkende außer der ersten Ursache bedarf eines vorliegenden bestimmbaren Subjekts, das solch' Einwirken in sich aufnehmen kann. Unter dem Körper aber ist keine andere Substanz mehr, die sein Einwirken aufnehmen könnte; denn er nimmt die letzte Stufe ein im Sein. Also kann kein Körper einwirken. III. Jede körperliche Substanz ist von einem gewissen Umfange eingeschlossen. Der Umfang aber hindert die Substanz in der Bewegung und in der Thätigkeit, denn er schränkt sie gleichsam ein; wie die nebelhafte Luft ein Hindernis ist für die Wahrnehmung des Lichts. Und davon is ein Zeichen, daß je mehr ein Ding an Umfang wächst, desto ungeeigneter es wird, um bewegt zu werden. Also ist die körperliche Substanz unfähig, zu bewegen oder thätig zu sein. IV. Jedes thätige Wesen hat seine Kraft, um thätig zu sein, von daher, daß es dem Erstthätigen nahesteht. Unter allen Wesen aber steht dem Erstwirkenden am fernsten der Körper als das am meisten Zusammengesetzte. Also kann kein Körper thätig sein, sondern er kann nur das Einwirken vom Anderen her aufnehmen. V. Wäre ein Körper thätig, so würde seine Thätigkeit sich richten entweder auf die Hervorbringung der substantialen Wesensform oder auf die Hervorbringung einer bloßen Eigenschaft. Das Erste ist nicht möglich. Denn in den Körpern wird kein Princip der Thätigkeit gefunden außer etwa eine wirksame Eigenschaft, wie z. B. die Wärme beim Feuer. Eine Eigenschaft aber kann nicht etwas Höheres bewirken, als sie selber ist, sie kann also nicht eine Wesensform bewirken. Aber auch eine bloße Eigenschaft in einem anderen Sein kann nicht die Folge des Einwirkens sein. Denn da nur vermittelst einer wirksamen Eigenschaft der Körper thätig sein kann, jede Eigenschaft aber nur soweit ist, als sie im Subjekte, nämlich in dem sie tragenden Sein bleibt (denn das Sein der Eigenschaft ist vielmehr ein „In-etwas-sein“; nicht aber ein selbständiges Sein für sich), so kann sich auch die Thätigkeit einer solchen Eigenschaft nicht über das sie tragende Sein, über ihr Subjekt hinaus erstrecken. Also ist kein Körper thätig. Auf der anderen Seite sagt Dionysius (15. de coel. hier.): „Dem Stoffe gegenüber offenbart es (das Feuer) seine Größe; es ist wirksam und mächtig.“
b) Ich antworte; daß Körper Wirksamkeit haben, erscheint sichtbar vor aller Augen. Diese Erscheinung aber suchte man auf dreifache Weise zu erklären. 1. Avicebron erklärte in seinem Buche Fons vitae, kein Körper an sich sei wirksam; sondern alle Thätigkeit, welche von den Körpern auszugehen scheine, sei die Thätigkeit einer gewissen geistigen Kraft, welche die Körper durchdringe. Wenn also das Feuer brenne, so sei es nicht eigentlich das Feuer, welches brenne, sondern eine geistige Kraft, die es durchdringe. Diese Meinung scheint in Plato ihren Ausgangspunkt zu haben. 2. Plato nämlich nahm an, alle Wesensformen, die im Stoffe sind, seien an sich in jeder Beziehung beschränkt und nach Zeit und Ort stofflich bestimmt, ohne daß sie selbst die Möglichkeit in sich schlössen, vom Stoffe thatsächlich abgelöst und so in ihrer Allgemeinheit erscheinen zu können. Vielmehr beständen die entsprechenden allgemeinen, somit erkennbaren und zum Wirken befähigten Formen für sich selbständig außerhalb des Stoffes. Diese also seien die wirkenden Ursachen der Formen im Stoffe. Insofern somit die Form durch den Stoff beschränkt und so vermittelst des Umfanges eine einzelne geworden wäre, könne sie sich nicht auf anderes Sein erstrecken; sie sei einzig auf sich beschränkt. Nur die allgemeine, außer des Stoffes bestehende geistige Form könne auf Anderes einwirken; denn sie hat keinen Umfang. Doch dieser Grund schließt durchaus nicht diese Folgerung ein, daß eine Form im Stoffe ihrer Natur nach nicht wirksam thätig sei, sondern daß sie nicht eine allgemeine wirkende Ursache sei. Denn je nachdem ein Wesen an einer Vollkommenheit oder Eigenheit teil hat, muß es auch teilhaben an dem, was dieser Vollkommenheit wesentlich zukommt; wie wenn etwas am Lichte teilnimmt, es auch sichtbar sein muß. Wirken aber, was doch nichts anderes ist als machen, das etwas thatsächliches Sein hat, ist an und für sich dem Wesen nach eigen dem Thatsächlichen, insoweit es thatsächlich ist; da ja das Thätige sich Ähnliches macht. So also hat ein Wesen, welches außerhalb des Stoffes und somit ohne Umfang ist, es in sich, daß es eine allgemeine wirkende Ursache sei, welche in ihrem Wirken durch die stofflichen Schranken nicht gehindert ist. Ist aber ein Wesen stofflich und beschränkt, so folgt, daß sein Wirken ein beschränktes und besonderes, d. h. innerhalb stofflicher Grenzen von Zeit und Ort sei. Wenn deshalb die Wesensform des Feuers, wodurch Feuer eben Feuer ist, nach den Platonikern getrennt bestände vom Stoffe, so wäre sie die Ursache alles Brennens im allgemeinen. Die Form des Feuers aber, die hier in diesem Stoffe ist, bliebe die Ursache, daß das Feuer gerade von diesem Körper in jenen geleitet wird, der da nahesteht; sie würde also die allgemeine, unbestimmte Ursache des Brennens modifizieren gemäß den stofflichen Einzelheiten. Jedoch geht Avicebron mit seiner Meinung noch weiter als Plato. Denn Plato nahm an, daß nur die substantialen Wesensformen der Körper einen vom Stoffe thatsächlich getrennten Bestand hätten; die Eigenschaften aber führte er zurück auf dem Stoffe angemessene Principien, wie z. B. „groß“ und „klein“ als erste Gegensätze; gleichwie andere „dünn“ und „dicht“ als solche erste Materialsprincipien annahmen. Plato also und Avicenna, der in manchem Plato folgte, meinten wohl, daß die Körper thätig seien; aber nur gemäß ihren Eigenschaften, insofern sie nämlich den Stoff vorbereiten für die substantiale Wesensform. Diese letztere Vollendung aber selber, die Wesensform, wonach vom Dinge eben das Sein ausgesagt wird, leiteten sie unmittelbar von den genannten geistigen Wesensformen oder Substanzen ab. Das ist also die zweite Meinung über die Thätigkeit der Körper. (Vgl. Kap. 45, Art. 8.) 3. Demokrit meinte, die Körper seien insoweit thätig, als Atome von ihnen ausflössen; und sie seien bestimmbar oder leidend, insofern sie diese Atome aufnähmen. Aber danach würde nach Aristoteles (de Gener.) nicht der ganze Körper wirken und nicht der ganze leiden; ebenso würde wegen dieses Wirkens der Umfang des wirkenden Körpers minder werden, was offenbar falsch ist. So müssen wir also sagen, daß der Körper thätig ist, soweit er thatsächliches Sein hat; und daß er auf einen anderen Körper einwirkt, soweit letzterer im Zustande des Vermögens sich findet.
c) I. Die Stelle Augustins ist von der körperlichen Gesamtnatur zu verstehen, unter welcher keine andere mehr existiert, auf die sie einwirken könnte; wie etwa die geistige Natur auf die körperliche einwirkt und die ungeschaffene auf die geschaffene. Dies ist die Antwort auch für II. Avicebron argumentiert jedoch so: „Es besteht ein Bewegendes, welches nicht beweglich ist; die erste Ursache aller Dinge nämlich. Also besteht auch etwas, was nur beweglich ist, also nur leidet.“ Das ist richtig. Aber dieses letztgenannte Sein ist der Urstoff, der reines Vermögen, reine Möglichkeit ist wie Gott reine Thatsächlichkeit ist. Der Körper jedoch ist zusammengesetzt aus Stoff und Form, aus Bestimmbarem und Bestimmendem; also ist er wirkend nach einer Seite hin und leidend nach der anderen. III. Der Umfang hindert nicht die Form im Stoffe für alle Thätigkeit; sondern er hindert, daß der Körper eine allgemeine, ohne stoffliche Schranken in Zeit und Ort wirkende Ursache sei. Das Zeichen aber auch vom Gewichte her ist durchaus nicht zweckgemäß. Denn 1. ist das Hinzufügen eines größeren Umfanges nicht die Ursache des Gewichtes (de coelo et mundo 4.);— 2. ist die Bewegung vielmehr um so schneller, je größer das Gewicht ist, wenn die dem Dinge von Natur eigene Bewegung in Betracht kommt, wie z. B. ein schwerer Stein schneller fällt als ein leichter, — 3. geschieht die Thätigkeit gar nicht durch die Bewegung von Ort zu Ort, wie Demokrit wollte; sondern dadurch daß, was vorher nur dem Vermögen nach war, nun Thatsächlichkeit gewinnt. IV. Von Gott am fernsten steht der Urstoff, das reine Vermögen nämlich, etwas zu werden. (Vgl. II.) V. Der Körper richtet sein Wirken sowohl auf die substantiale Wesensform wie auf die Eigenschaften. Denn die thätig wirksame Eigenschaft, wie z. B. die Wärme, wirkt, trotzdem sie an sich bloß Eigenschaft ist, doch als Werkzeug und in der Kraft der entsprechenden inneren substantialen Wesensform; und deshalb kann ihr schließliches Ziel sein die Hervorbringung der letzteren; wie ja z. B. die natürliche Wärme als Werkzeug der Seele im Körper dahin wirkt, daß Fleisch erzeugt wird. Auf Eigenschaften aber richtet sich die Thätigkeit gemäß der eigenen Kraft der thätig wirksamen Eigenschaft eines Körpers. Und dies ist nicht gegen die Natur einer solchen Eigenschaft, daß sie über ihr Subjekt oder über das sie tragende Sein hinaus wirkt; sondern es wäre dies gegen ihre Natur, daß sie über dieses Subjekt hinaus, wonach sie ist, Sein hat; es müßte denn jemand wie Demokrit meinen, das gleiche Atom sei im wirkenden Körper und im leidenden, gehe vom einen in den anderen; und jede Eigenschaft sei nichts Anderes als ein solches Atom.
