Kapitel 29: Die freiwillige und die unfreiwillige Handlung
Wir erwähnten oft die freiwillige und die unfreiwillige Handlung; daher müssen wir auch über diese Punkte gründlich handeln, um nicht in ihrer sorgfältigen Erkenntnis fehl zu gehen. Wer über die unfreiwillige oder freiwillige Handlung reden will, muß vorher gewisse Richtlinien und Gesichtspunkte festsetzen; durch diese wird erst zu erkennen sein, ob die Handlung freiwillig oder unfreiwillig ist. Jede freiwillige Handlung ist mit einer Tat verknüpft; auch die vermeintlich unfreiwillige Handlung an sich vollzieht sich in einer Tat: das soll nun also gleich gezeigt werden. Einige Denker nehmen die wirklich unfreiwillige Handlung nicht bloß beim Leiden, sondern auch beim Tätigsein an. Vor allen Dingen ist zu erklären: was ist eine Tat? Eine Tat ist eine vernünftige Tätigkeit. Die Taten ernten Lob oder Tadel. Die einen Taten werden mit Lust, die andren mit Betrübnis ausgeführt. Die einen sind für den Täter erstrebenswert, die andren sind zu meiden; von den erstrebenswerten sind die einen stets, die andren nur für eine bestimmte Zeit erstrebenswert. Aehnlich verhält es sich auch mit den Taten, die man meiden muß. Andrerseits: die einen Taten finden Mitleid und Verzeihung, die andren erleiden dagegen Haß und Strafe. Als Erkennungszeichen der freiwilligen Handlung sollen folgende Eigenschaften gelten: der freiwilligen Handlung folgt auf alle Fälle Lob oder Tadel, sie geschieht mit Lust, ferner müssen die Taten für die Menschen, die sie ausüben, stets oder wenigstens im Augenblick ihrer Ausführung erstrebenswert sein. Als Erkennungszeichen der unfreiwilligen Handlung dienen folgende: die Taten der unfreiwilligen Handlung verdienen Verzeihung oder Mitleid, sie geschehen mit Betrübnis, sie sind nicht erstrebenswert. Nach S. 83 diesen Begriffsumschreibungen wollen wir vorderhand von der unfreiwilligen Handlung reden.
