Nr. 14
Was sagt ihr Geschlechter; was ihr derlei Meinungen ergebene Völker? Wenn man dieß erzählt, ergreift euch dann nicht Scham und Abscheu vor solchen Schändlichkeiten? Wir tragen Verlangen, von euch in Bezug auf die Götter etwas Würdiges zu hören oder zu lernen; dagegen aber bringt ihr uns Ausschneidungen der Brüste, Amputationen männlicher Geschlechtstheile, Groll, Blut, Wuth, Selbstmord der Jungfrauen und Blumen wie Bäume, hervorgebracht aus der Verstorbenen Blut. Saget abermals: es hat also die große Mutter jene abgehauenen Geschlechtsglieder trauernd selbst mit wohlgefälliger Aemsigkeit aufgesammelt; mit ihren eigenen heiligen, göttlichen Händen die Werkzeuge jener schändlichen, unfläthigen Verrichtung berührt und aufgehoben; auch der Erde zur Verwahrung übergeben, und damit sie nicht nackt in derselben Schooß vergehen, zuvor noch mit einer Decke verhüllt, ja auch gewaschen und mit Balsam eingerieben? Denn woher könnten die Düfte der Violen kommen, wofern nicht des Gliedes Fäulniß jener Zusatz von Balsam milderte. Ueberdenkt ihr solche Erzählungen, ich frage, scheint es euch nicht als hörtet ihr Weberinnen, der überdrüssigen Arbeit Zeit sich verkürzend, oder alte Weiber, leichtgläubigen Kindern Zerstreuung suchend, indem sie allerlei Erdichtungen unter dem Bilde der Wahrheit an den Tag bringen? Acdestis sprach mit Jupiter, er sollte dem Geliebten das Leben zurückgeben. Dieß zuzusagen verweigerte Jupiter, weil es durch mächtigeres Verhängniß verhindert wurde; um aber nicht gänzlich hartherzig zu seyn, verlieh er eine Gunst, nämlich keine Fäulniß solle den Körper auflösen, immer das Haar wachsen, der kleinste Finger am Körper leben, immerwährende Empfindung zeigen. Wer hat je so etwas angenommen oder durch leichtgläubiges Zustimmen bekräftigt, daß an einem Todten das Haar wachse, kein Theil zu Grunde gehe und dem Gesetze der Verwesung entnommen der sterbliche Körper bis jetzt noch dauere?
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