Nr. 41
Vordem war der Brauch, allegorische Redensarten durch den ehrbarsten Vortrag zu verdunkeln, schmachvolle Dinge, unfläthig zum Vortrag, mit der Würde der Ehrbarkeit zu überkleiden. Eure Schriftsteller dagegen sprechen mittelst der Schändlichkeit gewichtige Dinge aus, und weisen in unzüchtigen Worten was an Keuschheit werthvoll ist nach; so daß, wie einst die Verruchtheit unfläthiger Dinge durch die Sittsamkeit verhüllt ward, nun auf spaßhafte und garstige Weise dieselbe in den Ausdruck würdiger Dinge umgesetzt ausgesagt wird. Sagen wir, heißt es, Mars und Venus seyen durch Vulkans Kunstfertigkeit umstrickt worden, so meinen wir, die Begierde und den Zorn habe der Vernunft Kraft und Ueberlegung gebändigt. Was untersagte aber, was widerstand, eine jede Sache mit seinen Worten auszudrücken? Ja, was drängte, da man ich weiß nicht was durch Denkbücher und Schriften anzeigen wollte, daß man das Angezeigte nicht verstehen lassen, sondern entgegengesetzte Dinge zugleich unter Einem Ausdruck fassen, den Eifer des Verlangenden belehren und wider den Nichtwollenden Neid darthun wollte? Hatte es irgend eine Gefahr, die Götter Ehebrecher zu nennen? Zunge und Mund beim Aussprechen der Begierlichkeit und des Zornes durch unfläthige Berührung etwa verunreinigt? Geschähe aber dieß und S. 162 nähme man der allegorischen Blindheit Verdunklung hinweg, so würde das Erkennen leichter von Statten gehen, wie auch der Götter Würde unversehrt sich bewahren. Nun aber, so man sagt, in des Mars und der Venus Umstrickung sey der Laster Unterdrückung bezeichnet, ergeben sich zwei höchst verkehrte Dinge zugleich zur selben Zeit, nämlich daß einerseits das Bild einer garstigen Sache den Begriff von Ehrbarkeit unterschiebt, und andererseits das Unanständige das Gemüth früher als das Ansehen irgend einer Religion erfaßt.
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