Nr. 44
Wollt ihr aber diese Fabeln in allegorischer Weise geschrieben annehmen, was soll mit den Anderen geschehen, welche, wie wir sehen, in solche sich zu wandeln nicht gezwungen werden können? denn was sollen wir für jenen Holzkeil unterlegen, welchen des semeleischen Sprößlings Brunst auf dem Grabhügel in Bewegung setzte? Und was für jenen geraubten und zum Dienst der Wollust substituirten Ganymed? Was für jene Umgestaltung zur Ameise, in welche der allerhöchste Jupiter die Umrisse seiner Unermeßlichkeit zusammenzog? Was für den Schwan und Satyr? Was für den Goldregen, in den er sich trügerisch, zu treuloser Lust, mit der Gestalten Wechsel spielend einhüllte? Und damit es nicht scheine, mir wollen von Jupiter allein nur sprechen, welche Allegorien können in den Liebschaften der anderen Gottheiten wohl seyn? welche in den Knechtsdiensten und Lohnverhältnissen? welche in den Fesselungen, in den Kinderberaubungen, in den Wehklagen? welche in den Qualen, in den Verwundungen, in den Grablegungen? Da ihr mittelst solcher Darstellungen nur Eine Schuld den Himmlischen zu Stande bringen konntet, so mischte ihr noch, wie man zu sagen pflegt, zur guten Fischsulze die schlechte Fischbrühe, benanntet mit der Götter Namen schmähliche Dinge und bemakeltet mit den Benennungen schimpflicher Dinge hinwiederum die Götter. Glaubtet ihr aber hierbei an derselben Daseyn, oder daß sie irgendwo seyen mit unzweifelhafter Erkenntniß, so hemmte euch die Furcht bei derselben Erwähnung; und gleichwie sie euch hörten und euere Worte vernahmen, so mußten sie geglaubt und im Gedächtniß unbeweglich bewahrt werden: denn bei Menschen, die pflichtmäßigem Glauben sich hingaben, mußten nicht die Götter selbst nur, sondern auch der Götter Namen ehrwürdig seyn: denn so viel Würde an denen ist, welche mit diesen Namen bezeichnet werden, eben so viel Würde ist billig auch in derselben Benennungen.
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