Nr. 32
Du irrst und fehlst, entgegnet man, und deine genugsame Unwissenheit, Ungelehrtheit und Rohheit thust du im Durchziehen unserer heiligen Dinge kund: denn alle diese dir schimpflich und zur Bemacklung des Göttlichen geeignet scheinenden Erzählungen, enthalten heilige Geheimnisse, wunderbare und hehre Gründe in sich, welche nicht leicht eines Jeden Scharfsinn aber wahrnehmen kann. Nicht was das Geschriebene und was die Worte dem ersten Anschein auch aussprechen, wird nämlich angezeigt und gemeint, S. 157 sondern alles Jenes ist im allegorischen Sinn und als untergelegte Geheimnisse zu verstehen. Wer also sagt: Jupiter hat seiner Mutter beigewohnt, der bezeichnet nicht blutschänderische und schandvolle Umarmungen der Wollust, sondern giebt den Jupiter als Regen, die Ceres als Erde an. Und wer ferner spricht, er habe bei der Tochter die Lust befriedigt, der bringt nichts von abscheulicher Wollust vor, sondern er setzt für die Benennung Regen, Jupiter, unter der Bezeichnung Tochter die Saat. So sagt auch der, welcher vom Vater Dis die Proserpina geraubt werden läßt, nicht die Jungfrau, wie du wähnst, als zu höchst schändlicher Gier entführt aus, sondern weil wir die Saatkörner in den Schooß der Erde verbergen, sey die Göttin unter die Erde hinabgekommen, und die Verbindung mit dem Orkus bezeichnet das Gesetz der zeugenden Befruchtung. Aus ganz ähnlicher Ursache wird auch in den übrigen Erzählungen Anderes gesagt und Anderes verstanden, so daß unter der gemeinen Einsicht der Rede der geheimnißvolle Grund und die verhüllte Höhe des Mysteriums verborgen liegt.
