Erster Artikel. In Gott ist vermögen.
a) Es scheint, daß in Gott sich kein Vermögen vorfindet. Denn: I. Gleichwie der Urstoff als reine Möglichkeit sich zum Vermögen verhält: so verhält sich Gott als reine Thatsächlichkeit und als ein Wirkendes zur Thätigkeit. Der Urstoff aber ist an sich betrachtet, da er seiner Natur nach alle möglichen Wesensformen tragen kann, selber ohne Wesensform und somit ohne thatsächliches, thätiges Sein. Also ist Gott seinerseits ohne Vermögen. II. „Die Thätigkeit ist“ nach Aristoteles (9 Metaph.) „besser als das entsprechende Vermögen“. Denn die bestimmende Wesensform ist besser als der in sich unbestimmte, allerseits bestimmbare Stoff; und wiederum ist die Thätigkeit selber besser als das Vermögen dazu, denn der Zweck des letzteren ist eben das Thätigsein. Nichts aber ist besser als das, was in Gott ist; denn was in Gott ist, ist Gott. (Kap. 3, Art. 3.) Also besteht kein Vermögen in Gott. III. Jedes Vermögen ist das Princip für das Thätigsein. Gottes Thätigsein aber ist sein Wesen, da in Gott keine zum Wesen hinzutretende Eigenschaft existiert. Da also das Wesen Gottes kein Princip hat, so ist auch kein Vermögen in Gott. IV.Das Wissen und das Wollen Gottes sind die Ursache der Dinge. Ursache aber sein und Princip sein ist dasselbe. Also hat man in Gott nicht notwendig, ein Vermögen anzunehmen als das Princip der Wirksamkeit nach außen. Der Wille und das Wissen Gottes genügt dafür. Auf der anderen Seite heißt es Ps. 88, 9.: „Vermögend bist Du, o Herr, und Deine Wahrheit ist um Dich herum.“
b) Ich antworte, daß es eine zweifache Art Vermögen giebt: 1. ein empfangendes oder leidendes; — und dies ist in keiner Weise in Gott; 2. ein wirkendes oder bestimmendes; und dies ist in Gott im höchsten Grade. Denn offenbar ist ein Sein in demselben Grade wirkend oder bestimmend, als es thatsächliche Wirklichkeit und Bestimmtheit ist. Und es ist ein Sein leidend oder empfangend, insoweit es ohnmächtig und unvollendet ist. Gott aber ist im höchsten Grade Thatsächlichkeit und die höchste Vollendung; in Ihm findet sich keinerlei Unvolllommenheit. Also steht Er an der Spitze aller wirkenden Principien und kann in nichts etwas empfangen oder nach irgend welcher Seite vollendet werden. Ein wirkendes Vermögen kommt aber im höchsten Grade einem in sich rein wirklichen Princip zu. Denn ein wirkendes Vermögen ist das Princip, in anderes hinein zu wirken; ein leidendes Vermögen ist das Princip, von einem anderen beeinflußt oder bestimmt zu »erden. Es erübrigt also, daß wirkendes Vermögen in Gott im höchsten Grade sich findet. I.Das wirkende Vermögen steht nicht dem Thätigsein gegenüber, sondern es ist in diesem letzteren begründet. Denn jegliches wirkt, je nach dem es thatsächlich besteht. Das empfangende Vermögen jedoch steht gegenüber dem Thätigsein. Denn jegliches muß in dem Grade empfangen als es unvollendet und nicht thatsächlich ist. Dieses letztere Vermögen also muß von Gott ausgeschlossen werden; nicht das erste, das wirkende. II. Wenn das Thätigsein dem Sein nach etwas Anderes ist, wie das Vermögen, so erscheint es erforderlich, daß das Thätigsein vorzüglicher sei wie das Vermögen dazu. Das Thätigsein Gottes aber ist nichts Änderes wie sein Vermögen, beides vielmehr ist das göttliche Wesen; denn auch das Sein Gottes ist nicht etwas Anderes wie sein Wesen. Also ist in Gott nichts, was vorzüglicher wäre wie sein Vermögen zu wirken. III. Das Vermögen in den geschaffenen Dingen ist nicht nur Princip für die Thätigkeit des betreffenden Dinges, sondern auch Princip für das als Wirkung von ihm Ausgehende. So also wird in Gott der Charakter des Vermögens als des Prinnps für die Wirkung gewahrt; nicht aber als des Princips für das Thätigsein des Subjekts; denn das ist in Gott das göttliche Wesen selber. Es könnte jedoch auch nach der Auffassungsweise ein Unterschied gemacht werden; insofern nämlich das Wesen Gottes, das von vornherein Alles in sich enthält, was an Vollendung in den Dingen sich vorfindet, aufgefaßt wird als Thätigsein und als wirkendes Vermögen; wie es ja auch aufgefaßt wird als Subjekt, von welchem die göttliche Natur getragen wird und als die göttliche Natur selber. IV. In Gott wird kein wirkendes Vermögen in der Weise angenommen, als ob dasselbe dem thatsächlichen Sein nach verschieden wäre vom Wissen und vom Wollen; sondern nur die Auffassungsweise ist maßgebend. Denn „Vermögen“ will sagen „ausführendes Princip“, das da nämlich ausfuhrt, was der Wille befiehlt und wozu das Wissen leitet. Oder es kann auch gesagt werden, das göttliche Wissen oder Wollen selber werde wirkendes Vermögen genannt, insofern davon eine Wirkung ausgeht. Die Betrachtung des Wissens und des Wollens also würde in Gott jedenfalls vorausgehen der Betrachtung des wirkenden Vermögens, wie die Ursache vorausgeht der Thätigkeit und der Wirkung.
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