Dritter Artikel. Gott ist allmächtig.
a) Dies scheint nicht der Fall zu sein. Denn: I. Gott kann weber leiden noch bewegt werden, da Er unveränderlich ist. II. Sündigen heißt etwas thun. Gott aber kann dies nicht. III. Von Gott sagt die Kirche (Kollekte für den 10. Sonntag nach Pfingsten): „Er offenbare am meisten seine Allmacht durch Schonen und Erbarmen.“ Das wäre also das Äußerste, was Gott könnte. Darüber hinaus liegen aber noch weit schwierigere Sachen; wie z. B. eine neue Welt gründen. Also ist Gott nicht allmächtig. IV. Ambrosius sagt zu 1. Kor. 1.: „Die Weisheit dieser Welt machte Gott zu Schanden, indem Er als möglich zeigte, was jene für unmöglich hielt.“ Demnach muß man über Möglichkeit und Unmöglichkeit nicht urteilen gemäß den niedrigeren Ursachen, nach welchen die Weisheit dieser Welt urteilt, sondern gemäß der göttlichen Weisheit. Wenn demgemäß Gott allmächtig ist, so wird alles möglich; nichts wird unmöglich sein. Wird aber das Unmögliche hinweggenommen, so verschwindet auch das Notwendige. Denn was notwendig ist zu sein, das ist.unmöglich, nicht zu sein. Nichts aIso wird in den Dingen notwendig sein, wenn Gott allmächtig, ist. Das aber ist unmöglich. AIso. Auf der anderen Seite heißt es bei Lulas 1, 37.: „Bei Gott ist nichts unmöglich.“
d) Ich antworte, daß wohl alle sagen, Gott sei allmächtig. Aber schwierig erscheint es, die Natur der Allmacht zu. kennzeichnen. Was soll nämlich darunter verstanden werden, wenn gesagt wird, Gott könne alles? Wer jedoch recht überlegt, wird finden, daß dies nichts Änderes bedeutet als Gott könne alles, was möglich ist und daß Er aus diesem Grunde almächtig genannt werde. „Möglich“ aber ist etwas in zweifacher Weise: Einmal mit Rücksicht auf ein Vermögen; wie z.B. alles, was der menschlichen Macht unterliegt, dem Menschen möglich ist. Dann in unbedingter Weise; weil nämlich zwischen Subjekt und Prädikat kein Gegensatz besteht, infolge dessen das eine die Verneinung des anderen ist. Nun kann aber Gott nicht deshalb allmächtig genannt werden,, weil Er alles kann, was der geschaffenen Natur möglich ist, weil seine Macht sich weiter erstreckt. Wird jedoch von Gott gesagt, Gott sei allmächtig, weil Er alles kann, was seiner Natur möglich ist, so wäre dies ein Kreis in der Begriffsbestimmung der Allmacht; Er könnte dann eben alles, weil Er allmächtig ist und Er wäre allmächtig, weil Er alles könnte. Es bleibt somit nur übrig, daß Gott allmächtig ist, weil Er alles kann, was unbedingt auf Grund der Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat möglich ist. Möglich also wäre dann etwas von vornherein und unbedingt, weil das Prädikat zum Subjekte nicht im Gegensatze steht; wie wenn ich sage: Sokrates sitzt. Unmöglich wäre etwas unbedingt, weil das Prädikat vom Subjekte aufgehoben wird oder umgekehrt. Dabei ist nun zu erwägen, daß, da jede wirkende Ursache eine ihr ähnliche Wirkung erzeugt, einem jeden wirksamen Vermögen als möglich ein solcher Gegenstand entsprechen muß, welcher Beziehung hat zu jenem Wesen und wirklichen Sein, wo das wirksame Vermögen sich findet; wie z.B. das Vermögen zu erwärmen zum Gegenstande hat das erwärmbare Sein. Das göttliche Sein aber, worauf die Natur der göttlichen Macht beruht, ist das unendlich vollendete Sein. Was also auch immer den Charakter des Seins haben kann, das ist in dem unbedingt Möglichen enthalten, mit Rücksicht worauf Gott allmächtig genannt wird. Dem Sein aber als solchem ist nur entgegen das Nichtsein. Das alles widerstrebt also dem Charakter des unbedingt Möglichen, was in sich zugleich einschließt Sein und Nichtsein. Dies ist der göttlichen Allmacht nicht unterworfen; nicht als ob in Gott ein Mangel an Macht wäre, sondern weil es nicht den Charakter des Möglichen oder Thubaren haben kann. Deshalb wird besser gesagt: es kann nicht geschehen; als daß gesagt wird: Gott kann es nicht machen. Dies ist nicht gegen das Wort des Engels: „Kein Ding ist bei Gott unmöglich;“ denn was einen Widerspruch in sich einschließt, das kann kein „Ding“ sein; es kann eben überhaupt nicht sein.
c) I. Gott wird allmächtig genannt gemäß dem wirkenden Vermögen, nicht gemäß dem empfangenden und bestimmbaren. Daß Er also nicht empfangen oder leiden und nicht bestimmt werden kann, das ist kein Gegensatz gegen seine Allmacht. Il. Sündigen ist: der vollkommenen Thätigkeit ermangeln. Sündigen können also ist, der vollkommenen Thätigkeit ermangeln können. Das aber steht im Widersprüche mit der Allmacht, welche allseitige, notwendige Vollkommenheit im Wesen veraussetzt. Und wenn Aristoteles (4 Top. 3.) sagt, „Gott könne mit Absicht auch das Böse thun,“ so sagt er dies unter der Voraussetzung, daß Gott dies will. Denn nichts hindert, daß ein Satz wahr ist, dessen Bedingung im Vorhersatze unmöglich ist; wie z. B. wenn der Mensch ein Esel ist, so hat er vier Beine. Der Satz ist wahr; aber die Bedingung ist unmöglich. So würde auch hier der Satz wahr sein: Wenn Gott will, kann Er Böses thun; die Bedingung aber im Vordersatze enthält eine Unmöglichkeit. Oder es könnte so aufgefaßt werden, daß, wenn Gott etwas thäte, was dem Anscheine nach böse wäre, wie z. B. einen Menschen töten, dies gut sein würde, sobald Er es thäte. So war es kein Diebstahl mehr, als die Kinder Israels die goldenen und silbernen Gefäße aus Ägypten auf Gottes Geheiß mitnahmen; denn Gott ist der Herr allen Dinge. Oder Aristoteles spricht nach der allgemeinen Meinung des heidnischen Voltes, das da meinte, Menschen können Götter werden, wie Jupiter, Merkurius. III. Gott offenbart seine Allmacht zumeist im Schonen und Erbarmen; weil dies seine höchste Gewalt anzeigt. Denn Schonen und Erbarmen, d. h. frei die Sünde nachlassen kann nur jener, der durch kein höheres Gesetz, gebunden wird. Oder: Weil durch Schonen und Erbarmen Gott die Menschen zur Teilnahme am unendlichen Gute führt. Oder: Weil die Wirkung der göttlichen Barmheizigkeit das Fundament aller Werke Gottes ist; denn nichts wird einer Kreatur geschuldet außer auf Grund dessen, was ihr von Gott als etwas nicht Geschuldetes verliehen worden. Darin aber erscheint anr meisten die göttliche Allmacht, daß ihr die Verleihung der ersten gründlegenden Güter geschuldet wird. IV. „Unbedingt möglich“ wird etwas genannt weder nach den höheren noch nach den niederen Ursachen, sondern an und für sich selbst. „Möglich aber mit Rücksicht auf ein Vermögen“ wird etwas genannt mit Rücksicht auf das nächste wirkende Vermögen. Was also geeignet ist, unmittelbar auf Gott zurückgeführt zu werden, wie Schaffen, Rechtfertigen den Sünder u. dgl. wird so genannt gemäß den höchsten Ulsachen. Und was von den niedrigen Ursachen ausgehen kann, das ist in Bezug auf diese möglich. Denn gemäß der Lage der nächsten Ursache haben die Wirkungen Notwendigkeit oder sind an sich frei und mit Zufälligkeit verbunden, wie (Kap. 15; Art. 13, II.) gezeigt worden. Dann aber ward die Weisheit der Welt zu Schanden gemacht, weil sie, was der Natur unmöglich war, auch als für Gott unmöglich erachtete. Die Allmacht Gottes also nimmt von den Dingen keineswegs die Unmöglichkeit und Notwendigkeit.
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