Zweiter Artikel. Das wirkende vermögen in Gott ist unendlich.
a) Dagegen scheint bereits zu sprechen: I. Aristoteles, der (3 Physic.) bestimmt, daß alles Unendliche unvollkommen sei. II. Jedes Vermögen äußert sich vermittelst der Wirkung. Gott aber kann keine unendliche Wirkung machen. Ais0 ist auch sein Vermögen nicht unendlich. III. Aristoteles beweist (8 Physic.), daß ein Vermögen, welches unendlich wäre, im Augenblicke, ohne Zeitfolge, bewegen müßte. Gott aber bewegt die rein geistigen Wesen vermittelst der Zeit; die stofflichen in Zeit und Ort, wie Augustin sagt (8. sup. Gen. ad litt. c. 20, 22.). Auf der anderen Seite sagt Hilarius (8. de Trin.) und Damascenus (lib. I. c. 18.), Gottes Kraft und Leben und Vermögen sei unermeßlich.
b) Ich antworte, daß, wie bereits bemerkt, demgemäß wirkendes Vermögen in Gott sich findet, wie Er selbst thatsächlich ist. Sein thatsächliches Sein aber ist unendlich, d. h. nicht im mindesten begrenzt von etwas ihm Äußerlichem, was ihm zum Träger diente oder es aufnähme. (Kap. 7, Art. I.) Also muß auch dem angemessen das wirkende Vermögen unendlich sein. In allen wirkenden Ursachen nämlich wird dies gefunden, daß, je volllommener eine dieser Ursachen im Besitze ihrer Wesensform ist, vermittelst deren sie wirkt, desto einschneidender auch ihr Vermögen im Wirken sich darstellt, wie z. B. was mehr warm ist, auch mehr Fähigkeit besitztz warm zu machen; und wenn seine Wärme ohne Grenzen wäre, so würde es ein grenzenloses Vermögen für die Einführung von Wärme besitzen. Da also das Wesen Gottes, vermittelst dessen Er wirkt, unendlich ist, so ist auch seine Macht unendlich.
c) I. Aristoteles, spricht hier vom Unendlichen, das vom Stoffe herrührt, wonach nämlich etwas immer mehr empfangen oder werden kann. Von diesem Unendlichen aber ist hier keine Rede. II. Jenes wirkende Vermögen offenbart sich ganz in seiner Wirkung, welches mit dieser die Gattung oder das Wesen gemeinsam hat; wie die Zeugungskraft des Menschen nichts weiter hervorbringen kann als einen Menschen. Ein wirkendes Vermögen aber, wobei das Wesen der Wirkung nicht zugleich der Gattung nach das Wesen des Vermögens ist, offenbart sich nicht ganz in dem Hervorbringen seiner Wirkung; wie z. B. das von der Sonne Gewirkte nicht die Kraft derselben erschöpft, wenn sie durch ihre Wärme Pflanzen erzeugt. Gott aber gehört jedenfalls nicht zur erstgenannten Klasse von Ursachen. Denn nichts Anderes kann mit Ihm weder in der Gattung noch in der „Art“ übereinkommen. Sonach ist seine Wirkung immer geringer als Er selber. Wenn aber auch die Macht Gottes gar keine Wirkung hervorbrächte, so wäre sie nicht umsonst; denn umsonst ist, was zu einem Zwecke hingeordnet ist, den es nicht erreicht. Gottes Macht aber ist zu keiner Wirkung hingeordnet wie zu ihrem Zwecke; vielmehr ist sie selbst der Zweck ihrer Wirkung. III. Aristoteles beweist in der angegebenen Stelle, daß, wenn ein Körper ungemessenes Vermögen hätte, derselbe bewegen würde ohne Zeit. Das gilt aber nicht für eine unkörperliche bewegende Kraft. Der Grund davon ist, daß, wenn ein Körper einen anderen bewegt, der bewegende im Wesen des Körperlichen mit dem bewegten übereinkommt; und somit der bewegende als das wirkende Vermögen seine ganze verursachende Kraft offenbart, wie eben (II.) gesagt worden. Je größer also die Kraft wäre, desto schneller würde die Bewegung sein, und wäre somit die bewegende Kraft unendlich, so würde die Bewegung ohne Verhältnis schneller sein; — und das heißt bewegen ohne Zeit. Die unkörperliche bewegende Kraft aber kommt mit dem Bewegten nicht im Wesen des Körperlichen überein; und somit offenbart sich da nicht ihre ganze bewegende Kraft. Demnach bewegt es nicht ohne Zeit, zumal es kraft des Willens bewegt.
