Dritter Artikel. Die Seligkeit Gottes im Verhältnisse zur Seligkeit der Heiligen.
a) Gott scheint die Seligkeit eines jeden der Seligen zu sein. Denn: I. Gott ist das höchste Gut. (Kap. 6, Art. 2.) Unmöglich aber können mehrere höchste Güter angenommen werden. (Kap. 11, Art. 3.) Da also zum Wesen der Seligkeit es gehört, daß sie das höchste Gut sei; scheint nichts Anderes übrig zu bleiben als daß Gott die Seligkeit der Seligen sei. II. Die Seligkeit ist der letzte Zweck der vernünftigen Kreatur. „Ein solcher letzter Zweck sein“ kommt aber nur Gott zu. Also ist Gott die Seligkeit der vernünftigen Kreatur. Auf der anderen Seite sagt Paulus (1. Kor. 15, 41.): „Der eine Stern unterscheidet sich vom anderen in der Klarheit;“ womit er andeutet, die Seligkeit des einen sei größer als die des anderen. Es giebt aber nichts Größeres als Gott. Also ist die Seligkeit etwas Anderes wie Gott. .
d) Ich antworte, daß die Seligkeit der vernünftigen Kreatur in der Thätigkeit der Vernunft, im Erkennen, besteht. Dann aber ist zu unterscheiden: der Gegenstand der Thätigkeit, also das Erkannte; — und die Thätigkeit selber, also das Erkennen. Wird der Gegenstand in Betracht gezogen, so ist die Seligkeit der Seligen Gott allein; denn dadurch ist jemand selig, daß er Gott wie derselbe ist erkennt, wie Augustin (5. Conf. c. 4.) sagt: „Selig, wer Dich weiß, wenn er auch alles Andere nicht weiß.“ Wird aber die Thätigkeit selber des Erkennens in Betracht gezogen, so ist die Seligkeit in den Seligen etwas Geschaffenes; in Gott aber ist sie etwas Ungeschaffenes.
e) I. Die Seligkeit ist das höchste Gut rücksichtlich des Gegenstandes derselben; rücksichtlich der Thätigkeit aber, nämlich des Seligseins, ist sie in den Kreaturen als mehr oder minder große Teilnahme am Guten etwas Geschaffenes. II. Der Zweck einer Natur ist ein doppelter: die Sache selber und der Gebrauch derselben. So ist der Zweck des Geizigen 1. das Geld und 2. die Erwerbung des Geldes. Gott ist mm der letzte Zweck der vernünftigen Kreatur, wie die Sache feiler; die geschaffene Seligkeit ist wie der Gebrauch oder besser der Genuß derselben.
