Erster Artikel. Gott ist nicht ein Körper.
Gegen diese Behauptung scheint sich die heilige Schrift selber zu erheben. Denn: Jeder Körper hat
a) einen Umfang nach Breite, Tiefe, Höhe;
b) eine Figur;
c) Teile;
d) eine gewisse Lage;
e) die Eigenschaft, den Ort zu begrenzen. Alles dieses aber wird von der Schrift rücksichtlich Gottes behauptet. Denn sie sagt:
a) „Höher als der Himmel ist Er; was willst du thun? Tiefer als die Hölle, woher willst du Kenntnis schöpfen? Länger als die Erde ist sein Maß und breiter als das Meer.“ (Job 11.)
b) „Wir wollen den Menschen machen nach unserem Bilde und Gleichnisse;“ denn die Figur wird Bild genannt nach Hebr. 1.: „Da Er der Glanz der Herrlichkeit ist und die Figur seiner Substanz,“ d. h. das Bild seiner Substanz.
c) „Wenn du einen Arm hättest wie Gott,“ sagt Job 40.; und öfter der Psalmist, wie in 33, 16, 117: „Die Augen des Herrn wachen über die Gerechten;“ und „die Rechte des Herrn that Wunderwerke.“
d) Ich habe den Herrn sitzen gesehen“ (Isa. 6) und: „Es steht der Herr, um zu richten,“ (Isai. 13.)
e) „Tretet zu Ihm heran und werdet erleuchtet.“ (Ps. 33.) Hier ist der Herr als örtliche Grenze bezeichnet, die man zu erreichen strebt; und in den folgenden Worten als solche, von der man sich entfernt: „Die vor Dir zurückweichen, werden für die Erde eingeschrieben werden;“ um allein mit irdischen Gütern für ihr etwaiges Gute sich belohnt zu sehen. Auf der anderen Seite aber sagt Johannes (4,24): „Gott ist Geist.“
b) Ich antworte, daß Gott absolut nichts Körperliches sein kann. Das geht aus drei Gründen hervor. 1.Kein Körper bewegt, ohne daß er selbst in Bewegung gesetzt, wie die Induktion ergiebt. Gott aber ist (vgl. Kap. 2. Art.,3) der erste Beweger, der durchaus unbeweglich ist. Also ist Gott offenbar keinerlei Körper. 2. Es ist notwendig, daß das erste Sein unter allen anderen Seinsarten nur Thatsächlichkeit sei und in keiner Weise en Vermögen, um noch etwas zu werden, in sich schließe. Denn obgleich, wie z. B. beim einzelnen Menschen, sobald es sich um ein und denselben Gegenstand handelt, zuerst der Zeit nach das Vermögen etwas zu thun, vorhanden sein muß, ehe die wirkliche Thätigkeit eintritt; so ist doch, wenn das Vermögen an sich, abgesehen von ein und demselben Gegenstande, mit dem Thätigsein an sich verglichen wird, ohne Zweifel das letztere, die Thatsächlichleit, früher als das bloße Vermögen. Denn dazu, daß ein Vermögen vom Zustande des Vermögens in den der Wirksamkeit übergehe, gehört ein Sein, welches thatsächlich besteht und demnach auf das Vermögen einwirken kann; wie das Holz, welches das Vermögen hat warm zu werden, nicht von sich aus warm wird, sondern erst durch den Einfluß des Feuers, welches dagegen seinerseits nicht mehr warm werden kann, sondern dem Wesen nach thatsächlich warm ist. Es ist aber oben gezeigt morden, daß Gott unter allen Seinsarten das erste Sein ist. In Gott kann also unmöglich ein Vermögen angenommen werden, um noch etwas thatsächlich zu machen. Alles Körperliche nun trägt immer ein solches Vermögen schon deshalb in sich, weil jeder Körper, so klein er ist, noch weiter, und zwar von sich aus ohne Grenzen geteilt werden und so thatsächlich kleiner sein kann. Also ist es unmöglich, daß Gott ein Körper sei. 3. Gott ist das erhabenste Sein (vgl. Kap. 2. Art. 3). Unmöglich jedoch kann ein Körper das edelste und erhabenste Sein genannt weiden. Denn entweder ist der Körper lebend oder er ist es nicht. Der lebende Körper aber ist unstreitig erhabener als der ohne Leben. Hat nun ein Körper Leben aus dem Grunde allein, wie er ein Körper ist? Offenbar nicht! Denn sonst würde jeder Körper leben. So muß also der Körper durch ein anderes Prinzip leben, welches nicht vom Körper kommt; wie unser Körper lebt durch die Seele. Wodurch aber ein Körper lebt, das ist jedenfalls edler und erhabener als der Körper selber. Soll also Gott im Sein die absolut edelste und erhabenste Rangstufe einnehmen, so kann Er unmöglich Körper sein.
c) Die Antwort auf die Schriftstellen ergiebt sich aus den im ersten Kapitel, Artikel 10 aufgestellten Pnnzipien.
a) Unter der Ähnlichkeit des Umfanges nach den drei Richtungen hin drückt die Schrift geistige Vollkommenheiten in Gott aus: durch die Tiefe die Kraft, das Verborgene zu erkennen; durch die Höhe die Erhabenheit der göttlichen Macht über alles; durch die Länge die ewige Dauer; durch die Breite den Liebesaffekt Gottes, der sich auf alles erstreckt. Oder wie Dionysius sagt (de div. nom. c. 9.): „Unter der Tiefe Gottes wird die Unbegreiflichkeit seines Wesens verstanden; unter der Länge seine Kraft, die alles durchdringt; durch die Breite, daß seine Kraft sich noch immer weiter erstrecken kann und somit nicht im mindesten erschöpft ist.“
b) Nicht dem Körper nach trägt der Mensch das Bild Gottes in sich, sondern danach, wonach er vor allen Tieren hervorragt. Deshalb folgen auf die angeführten Worte diese anderen: „Damit er herrsche über die Fische des Meeres“ u. s. w. Der Mensch aber herrscht über die Tiere durch sein Urteil und seinen Verstand. Danach also, was er Stoffloses in sich hat, ist er gemacht „nach dem Bilde Gottes.“
c) Das Auge wird von Gott ausgesagt, damit durch diese Ähnlichkeit sein geistiges Erkennen ausgedrückt werde, nicht etwa ein sinnliches. Und ähnlich gilt dies von den anderen erwähnten Körperteilen.
d) Ebenso wird,von Gott das Sitzen ausgesagt, um vermittelst dieser Ähnlichkeit seine Unbeweglichkeit und seine Autorität auszudrücken; das Stehen dient zur Bezeichnung seiner Kraft, um zu überwinden, was sich seinen Absichten, .entgegenstellt.
e) Gott nähert sich der Mensch durch seine Liebesaffekte, nicht durch Schritte des Körpers; er entfernt sich ebenso von Ihm durch die Zustände seines Geistes. Unter der Ähnlichkeit des Körperlichen wird also der geistige Zustand ausgedrückt.
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