Dritter Artikel. Gott als Einiger ist ganz dasselbe, was seine Natur oder sein Wesen ist.
a) Gegen diese Behauptung sind zwei Gründe geltend zu machen: I. Nichts ist in sich selbst. Das Wesen oder die Natur Gottes, also die Gottheit, ist in Gott. Also kann Gott nicht sein Wesen oder seine Natur sein. II. Die Wirkungen ähneln der Ursache. In den Geschöpfen aber ist nicht ein und dasselbe das Suppositum oder das innere Princip des Einzelseins und die allgemeine Natur des Dinges: der einzelne Mensch ist nicht die Menschheit. Also scheint dies auch in Gott nicht der Fall zu sein. Auf der anderen Seite heißt es bei Joh. 14, 6: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Wie sich aber das Leben zum Lebenden verhält, so die Gottheit zu Gott.
b) Ich antworte, daß Gott als Einzelwesen genau dasselbe ist wie seine Natur oder sein Wesen. Um dies recht zu verstehen, muß vorher.bemerkt werden, daß in den aus Stoff und Form zusammengesetzten Dingen notwendigerweise die Natur oder das Wesen, als Princip des Allgemeinen, verschieden ist vom Suppositum als dem Princip des getrennten Einzelseins. Denn jene begreift nur in sich, was unter die Begriffsbestimmung der allgemeinen Gattung oder Art fällt; wie z. B. das Menschsein in sich begreift, was allen Menschen zukommt, nur also, was zum Begriffe Mensch gehört und wodurch jeder Mensch eben Mensch ist. Was aber zu diesem allen Menschen Gemeinsamen infolge des einzelnen Stoffes hinzutritt und den einzelnen Menschen ausmacht, der sich von jedem anderen unterscheidet, also z. B. diese bestimmten Knochen, dieses Fleisch, die ? oder die schwarze Farbe u. dgl.; das ist nicht eingeschlossen in der Natur oder im allgemeinen Begriffe des „Menschsein“. Es ist aber eingeschlossen in dem, was ich als „diesen einzelnen Menschen“ bezeichne; und besitzt also der Ausdruck: „dieser einzelne Mensch“ oder „der Mensch“ als ein wirklich existierender etwas, was der Ausdruck: „Menschsein“ nicht hat. Und demgemäß ist beides nicht durchaus gleichbedeutend: der (einzelne) „Mensch“ und das „Menschsein“. Vielmehr ist das Menschsein das bestimmende Element (die pars formalis) dafür, daß der enlzelne Mensch zur allgemeinen Gattung, zur Rangstufe „Mensch“ im Sein gehört; und dieses bestimmende formale Element prägt das Sein, dem es entspricht, allen im einzelnen Menschnen befindlichen Eigenschaften und Zustanden auf, so daß alles dieses Einzelne im Menschen nicht tierisch nicht pflanzlich, sondern rein menschlich ist. Wo aber keine Zusammensetzung aus Stoff und Form besteht, wo also das Princip dafür, daß etwas als einzelnes existiert, nicht der Stoff unter bestimmten Dimensionen ist; sondern wo die an sich allgemeine Form in sich selber das Princip des Einzelseins besitzt; — da ist eins solche Form für sich allein auch das Suppositum. In ihr ist Suppositum oder Princip des Einzelseins nicht unterschieben von der Natur oder dem Princip füv das Allgemeine. Natürlich ist aber bei derartigen Formen dann es auch unmöglich, daß mehrere Einzeldinge ein und derselben nämlichen Natur der Gattung angehören; sondern vielmehr eine jede dieser Formen, aus welchen von selbst und nicht durch äußere Zuthat das Princip des einzelnen Fürsichbestehens fließt, füllt zugleich eine ganze Gattung aus. Da nun also in Gott kein Stoff ist, so ist auch Gott seine Gottheit sein Leben; seine Natur trägt in sich unabhängig das Princip des Einzelseins. Suppositum und Natur sind in Ihm dasselbe.
c) I. Der erste Eimvurf berücksichtigt nicht, daß nach unserer Redeweise wir nur gemäß dem Zusammengesetzten über Einfaches sprechen können; denn wir sehen nur Zusammengesetztes und nur dieses vermittelt uns unsere Kenntnis. Deshalb gebrauchen wir konkrete Ausdrücke, damit wir Gottes wirkliches Einzelsein bezeichnen; und wir gebrauchen abstrakte, damit wir seine Einfachheit im Sein veranschaulichen. Daß wir von „Gottheit“, „Leben“ u. s. w. sprechen, das liegt nicht daran, daß in der Sache selber, in dem wirklichen Sein Gottes, eine Verschiedenheit wärre, wonach das eine nicht das andere ist; wonach „Gottheit“ nicht dasselbe wäre wie „Gott“; — sondern dies liegt einzig an unserer Art und Weise der Auffassung und der Rede. II. Die Wirkungen Gottes ahmen Gott nicht vollkommen nach; sie sind Ihm nicht vollkommen ähnlich; sondern nur soweit sie es vermögen. Zur Unvollkommenheit in dieser Nachahmung aber gehört es, daß das an sich Einfache nur durch mannigfache Zufammensetzungen dargestellt und veranschaulicht werden kann; und so besteht in den stofflichen Kreaturen der Unterschied zwischen Suppositum und Natur, während selbiger in Gott als der Ureinfachheit nicht sich findet.
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