Achter Artikel. Gott wird nie mit anderem Sein zusammengesetzt.
a) Gegen diese Behauptung spricht die Autorität und die Vernunft. I. Dionysius sagt (de.cael. hier. cap. 4.): „Das Sein aller Dinge ist die Gottheit, welche über alles Sein erhaben ist.“ Das Sein aller Dinge aber tritt ein in die Zusammensetzung eines jeden Dinges. Augustin schreibt ebenso (de Verbis Dom. sermo 33): „Das Wort Gottes, also Gott selber, ist eine Form, welche nicht geformt worden ist.“ Die Form ist aber der bestimmende Teil im Zusammengesetzten. Also tritt Gott ein in die Zusammensetzung der Dinge. II. Alle Dinge, welche irgendwie sind und nicht voneinander sich unterscheiden, sind ein und dasselbe. Gott aber und der Urstoff haben Sein und unterscheiden sich nicht voneinander. Also sind sie ein und dasselbe. Nun tritt der Urstoff als Element in die Zusammensetzung der Dinge ein. Also. Daß aber der Urstoff und Gott sich nicht voneinander unterscheiden, geht daraus hervor, daß beide einfach sind. Denn sollten sie voneinander sich unterscheiden, so müßten doch Unterschiede da sein; und in diesem Falle müßte eines von beiden zusammengesetzt sein. Da also Gott einfach ist und auch der Urstoff, die materia prima, einfach ist: da zudem der Letztere in die Zusammensetzung der Dinge als Element eintritt; so ist gar kein Grund vorhanden, warum Gott nicht in die Dinge als zusammensetzendes Element eingehen sollte. Auf der anderen Seite sagt Dionysius (de div. nom. cap. 2): „Gott besitzt nicht den Sinn des Gefühls wie überhaupt Er nichts hat, wodurch Er mit einem anderen Sein als Teil desselben Gemeinschaft hätte; und im Buche de causis heißt es: „Die erste Ursache leitet alles so, daß sie sich niemals mit etwas Wie dessen Teil vermischt.“
b) Ich antworte, daß gegen diese Behauptung drei Irrtümer zu verzeichnen sind: Einige nämlich meinten, Gott sei die Seele der Welt, wie Augustin in 7. de civ. Dei erzählt; und darauf führt sich zurück die andere Meinung, daß Gott die Seele des die Bewegung des All leitenden Sternes sei. Andere behaupteten, Gott sei das Formalprincip innerhalb aller Dinge, also der bestimmende Grund in deren Wesen; dies soll die Ansicht der Almarikaner gewesen sein. Der dritte Irrtum war der des David von Dinando, der in höchster Thorheit annahm, Gott sei der Urstoff. Das alles ist in offenbarster Weise falsch. Gott kann nie als Teil eines Zusammengesetzten gelten weder als formales, bestimmendes Princip im Wesen eines Dinges noch als bestimmbares, materiales. Die Gründe sind folgende: I. Gott ist die erste wirkende Ursache. Die wirkende Ursache ist aber niemals ein und dasselbe wie die innere maßgebende Form des gewirkten Dinges; höchstens kommen beide in der bestimmenden Gattung übeein; wie z. B. der Mensch einen anderen Menschen erzeugt. Der bestimmbare Stoff aber ist weder ein und dasselbe (der Zahl nach) wie die wirkende Ursache, noch stimmt beides in der Gattung überein. Denn ersterer ist im Zustande des Vermögens, etwas zu werden; letztere aber ist in thatsächlichem Sein bestehend. II. Gott ist die erste wirkende Ursache. Ihm also kommt es zu, vor jeglicher Voraussetzung und Bedingung, bloß auf sich angewiesen, zu wirken. Was aber in eine Zusammensetzung eintritt als Teil des Zusammengesetzten, dem kommt es als einem Teile und als einem reinen Elemente im Zusammengesetzten nicht zu, ohne alle Voraussetzung und für sich allein zu wirken; sondern es muß die Wirkung an erster Stelle vom Zusammengesetzten, vom Ganzen, ausgehen. Denn nicht die Hand wirkt, sondern der Mensch vermittelst der Hand; und es ist dem Feuer eigen zu wirken vermittelst der Wärme. Gott kann somit kein Teil in einem Zusammengesetzten sein. IV. Kein Teil eines Zusammengesetzten kann ohne weiteres die erste Stelle einnehmen im Sein; weder der bestimmbare Stoff noch die bestimmende Form, welches die ersten hauptsächlichsten Teile der zusammengesetzten Dinge sind . Denn der Stoff ist seiner Natur nach im Zustande des Vermögens, etwas zu werden. Was jedoch erst etwas zu werden vermag, das folgt dem bereits in wirklicher Thatsächlichkeit befindlichen Sein, dem Akt nämlich, nach. Die bestimmende Form aber, welche ein Teil im Zusammengesetzten ist, wird mitgeteilt. Sowie aber das Sein, welches nur Anteil hat an etwas, später ist als jenes Sein, welches ebendasselbe dem Wesen oder der Natur nach ist; wie also z. B das warme Zimmer später ist, als die Wärme des Feuers, so ist auch das, was mitgeteilt worden, später als das, was ebendasselbe dem Wesen nach, also mit innerer Notwendigkeit ist. Gott aber ist durchaus und nach jeder Richtung hin das erste Sein. Er kann also in keiner Weise den Teil eines Zusammengesetzten bilden.
c) I. Die Stelle des Einwurfes aus Dionysius kann gar nicht mißverstanden werden. „Die Gottheit, welche über alles Sein erhaben ist,“ sagt er ausdrücklich, betont also ganz bestimmt die Trennung Gottes von allem anderen Sein dem Wesen oder der Natur nach. Gott ist sonach „das Sein aller Dinge“, weil Er von allen die wirkende oder Exemplar-Ursache ist, Ebenso versteht Augustin unter dem persönlichen „Worte Gottes“ die Exemplarform aller Dinge. II. Der zweite Einwurf hat darin recht, daß es einen eigentlichen Unterschied, eine „Differenz“, zwischen zwei Seinsarten, die beide durchaus einfach sind, nicht giebt. Das ist vielmehr den zusammengesetzten Dingen eigen. Der Mensch und das Pferd z. B. unterscheiden sich durch den Unterschiedb der Anwesenheit des vernünftigen Elementes im einen und durch den Mangel desselben im anderen. Demgemäß würde man besser sagen, der Urstoff ist etwas anderes und Gott ist etwas anderes (non differunt, sed diversa sunt). Denn der erstere ist reiner Bedarf an Sein und deshalb einfach in seiner Ohnmacht (vgl. „Natur, Vernunft, Gott“, Kap. 3, §. 1); Gott aber ist Seinsfülle und aus diesem Grunde einfach und unvermischt.
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