Zweiter Artikel. Die „notionalen“ Alte beruhen nicht auf freiem Willen.
a) Dagegen spricht: I. Hilarius (de syn. ad can. 25.): „Nicht auf Grund natürlicher Notwendigkeit hat der Vater den Sohn gezeugt.“ II. Der Apostel (Kol. 1, 13.): „Er hat uns hinübergetragen in das Reich des Sohnes seiner Liebe.“ Die Liebe aber gründet sich auf den freien Willen. III. Nichts ist freiwilliger, wie die Liebe. Der heilige Geist aber „geht aus“ als Liebe; also freiwillig. IV. Der Sohn geht aus als „Wort“. Jedes Wort aber geht aus vom Sprechenden kraft des Willens. Also geht auch der Sohn nicht kraft der Natur aus. V. Was nicht freiwillig ist, das ist notwendig. Also hätte der Vater nach der entgegengesetzten Meinung mit Notwendigkeit den Sohn gezeugt, was gegen Augustin ist (lib. ad Orosium). Auf der anderen Seite sagt Augustin (I. c.): „Weder aus freiem Willen noch aus Notwendigkeit zeugte der Vater den Sohn.“ 179.
b) Ich antwotte, in doppelter Weise sei das zu verstehen: mit „freiem Willen.“ Einmal so, daß damit nur die Begleitung des Willens ausgedrückt wird; wie wenn ich sagen würde: ich bin mit meinem Willen Mensch; d. h. ich will dies, daß ich Mensch bin, ich bin damit zufrieden. Und so kann vom Vater gesagt werden. Er zeugte den Sohn mit seinem Willen; sowie Er auch mit seinem Willen Gott ist; denn Er will Gott sein und will den Sohn zeugen. Dann so , daß unter dem „mit meinem Willen“ das Princip ausgedrückt wird; wie wenn ich sage, der Künstler wirkte mit seinem Willen das Kunstwerk, weil sein Wille das Princip des letzteren ist. Und so schuf wohl Gott die Kreaturen; aber so zeugte der Vater nicht den Sohn. Deshalb sagt Hilarius (l. c.): „Wenn jemand sagt, Gott habe vermittelst seines Willens den Sohn gemacht, wie Er die Kreaturen schafft; so sei er belegt mit dem Anathem.“ Und der Grund davon ist folgender. Wille und Natur sind darin unterschieden, daß die Natur zu Einem hin bestimmt ist in ihrer Thätigkeit; der Wille aber nicht. Das aber hat wieder darin seinen Grund, daß die Wirkung ähnlich wird der leitenden Form im Wirkenden, vermittelst deren sie erzielt worden. Nun hat aber jedes für sich bestehende Ding von Natur aus nur eine Wesensform und vermittelst deren hat es Sein. Also thut es von Natur, was ihm selber der Natur nach ähnlich ist; was es selber ist, dazu macht es auch die gewirkte Sache. Der Mensch erzeugt von Natur aus den Menschen. Die Form aber, vermittelst deren der Wille handelt, ist nicht eine allein, sondern mehrere, je nach dem mehrere Dinge verstanden werden. Was also der Wille als Princip thut, das ist nicht der Natur und dem Wesen nach so, wie der Wirkende der Natur und dem Wesen nach ist; sondern ist so wie der Wirkende will und erkennt. Somit ist alles das, was vom Willen als dem Princip kommt, so, daß es auch anders sein kann. Von dem aber, was nicht anders sein kann, ist das Princip die Natur. Was nun so und auch anders sein kann, ist weit 182. entfernt von der göttlichen Natur; das gehört vielmehr zum Wesen der Kreatur. Denn Gott ist Sein von sich selbst; die Natur stammt vom Nichts. Deshalb sagten die Arianer, welche den Sohn zur Kreatur erniedrigten, der Vater hat aus freiem Willen den Sohn gezeugt; nämlich so, daß der Wille des Vaters das Princip war. Wir aber müssen sagen, der Vater habe den Sohn gezeugt kraft der Natur; wie Hilarius (de syn. 24.) schreibt: „Die Substanz hat der Wille Gottes allen Kreaturen gebracht; die Natur jedoch gab dem Sohne seine vollkommene Geburt aus der ungeborenen und keiner Bestimmbarkeit unterworfenen Substanz. Wie Gott wollte, ist alles geschaffen; der Sohn aber ist aus Gott so subsistierend geboren wie Gott selber ist.“ 186.
c) I. Die Stelle ist gegen jene, welche den Willen auch als begleitenden in Gott ausschließen und möchten, der Vater hätte den Sohn gegen seinen Willen erzeugt, sowie wir etwa manches aus Naturnotwendigkeit leiden, was gegen unseren Willen ist, z. B. den Tod, die Krankheit u. dgl. Deshalb hatte Hilarius vorher gesagt: „Nicht als ob der Vater nicht gewollt hätte und als ob Er gezwungen worden wäre, zeugte Er aus natürlicher Notwendigkeit den Sohn.“ II. Den Sohn der Liebe nennt der Apostel den Herrn, weil Er über alles Maß vom Vater geliebt ist; nicht als ob die Liebe das Princip sei für die Zeugung des Sohnes. III. Auch der Wille ist eine gewisse Natur und will deshalb manches kraft seiner Natur; wie der Mensch z. B. kraft seiner Natur sein Wohl will. Ähnlich will und liebt Gott kraft seiner Natur Sich selbst. Der heilige Geist aber „geht aus“ als Liebe, insofern Gott Sich selbst liebt. Also geht Er kraft der Natur hervor und doch nach Art des Willens. 190. IV. Ebenso versteht Gott kraft seiner Natur Sich selbst; und so ist das Hervorgehen des „Wortes“ naturgemäß. V. Notwendig wird etwas genannt: entweder weil es kraft eines anderen Seins Notwendigkeit hat oder weil es Notwendigkeit aus sich selber hat. Von einem anderen hat etwas Notwendigkeit, wenn es durch irgend welchen äußeren Einfluß gezwungen wird; oder wenn es der von außen her vorgesteckte Zweck, das eigene Wohl so verlangt. So nun ist die göttliche Zeugung nicht notwendig. Denn weder unterliegt sie einem zwingenden Einflusse, noch ist sie Mittel zum Zweck. Von sich aus aber ist etwas notwendig, wenn es nicht anders sein kann. Und so ist Gott notwendig und ist es notwendig, daß der Vater den Sohn erzeuge. 192.
