Erster Artikel. Von den göttlichen Personen wird mit Recht die Gleichheit ausgesagt.
a) Dagegen spricht: I. Gleichheit wird nur ausgesagt auf Grund des Umfanges oder der Quantität. In den göttlichen Personen aber besteht weder eine von innen kommende Quantität, die da Größe heißt; noch eine von außen her messende, nämlich Zeit und Ort; noch eine diskrete: Gleichheit in der Zahl, weil zwei Personen mehr sind wie eine. Also den göttlichen Personen kommt keine Gleichheit zu. II. Die göttlichen Personen sind eines Wesens. Das Wesen aber bezeichnet die bestimmende Form, wonach vielmehr eine Ähnlichkeit besteht wie Gleichheit. III. Wenn den Personen Gleichheit zukäme, so müßte die eine der anderen gleich sein. Das ist aber nicht der Fall, weil, wie Augustin sagt (6. de Trin. 10.): „Wenn das Bild vollkommen wiedergiebt das, wovon es das Bild ist, so wird es diesem wohl gleich; nicht dieses aber, das Wiedergegebene dem Bilde.“ Also ist der Vater, dessen Bild der Sohn ist, nicht dem Sohne gleich. IV. Die Gleichheit ist eine Relation. Keine Relation aber ist gemeinsam allen drei Personen; da eben die Relation den Unterschied in den Personen begründet. Also ist in Gott keine Gleichheit. Auf der anderen Seite sagt Athanasius im Symbolum: „Die drei Personen sind gleich ewig und durchaus gleich.“
b) Ich antworte, daß notwendig Gleichheit in den drei Personen sein muß. Denn „gleich“ wird nach Aristoteles (10 Metaph.) ausgesagt auf Grund der Verneinung von mehr oder minder. Wir können aber in Gott kein mehr oder minder zulassen. Denn, sagt Boëtius (de Trin.): „Jene nehmen in Gott Verschiedenes an, welche die Gottheit in der einen Person vermindern, in der anderen vermehren; wie die Arianer dies thun, welche durch Stufenfolge in den Zahlen die Dreieinigkeit zerreißen und sie zu einer Mehrheit verschiedener Seinsarten machen.“ Der Grund davon ist, daß für Ungleiches nicht ein und dieselbe Quantität zu Grunde liegen kann. Die Quantität aber in Gott ist das Wesen. Wenn also irgend welche Ungleichheit wäre in den Personen, so wäre das Wesen nicht ein einiges: und so wären die drei Personen nicht ein Gott. Also kommt den göttlichen Personen die volle Gleichheit zu. 305.
c) I. Bei der Aufzählung der Arten Quantität im Einwürfe ist bloß die stoffliche Quantität berücksichtigt worden; die allerdings in den göttlichen Personen sich nicht findet. Eine andere Art Quantität oder Umfang ist aber noch die Quantität oder der Umfang der innewohnenden Kraft, welche sich nach der Vollendung einer Natur oder einer Form richtet. Danach wird z. B. etwas mehr oder minder warm genannt, inwiefern es mehr oder minder vollkommen ist in der Wärme. Eine derartige Quantität nun muß berücksichtigt werden zuerst in der Wurzel, d. h. in der Vollendung der Form oder der Natur selber; und so wird eine Wärme an und für sich, weil sie vollkommen ist, groß 308. genannt. Diesbezüglich sagt Augustinus (6. de Trin. 18.): „In den Dingen, welche nicht an körperlichem Umfange groß sind, ist das: groß sein, was da ist: besser sein.“ „Besser“ nämlich ist das Nämliche wie „vollkommener“. Dann aber müssen berücksichtigt werden die Wirkungen der Form oder Natur. Denn zuvörderst hat jedes Ding gemäß seiner Form oder Natur das thatsächliche Sein als erste Wirkung. Die zweite Wirkung ist das Thätigsein, insoweit jedes Sein wirkt oder thätig ist gemäß seiner Form oder Natur. Somit muß die Quantität der Kraft beachtet werden sowohl gemäß dem Sein als auch nach dem Thätigsein: gemäß dem Sein, insofern die Dinge, welche eine vollkommenere Natur haben, von größerer Dauer sind; — gemäß der Thätigkeit, insofern die vollkommeneren Naturen thatkräftiger sind für das Handeln. Und so nun, sagt Augustin Fulgentius de fide ad Petr. cap. 1.), „wird die Gleichheit verstanden in Vater, Sohn und heiligen Geist; insoweit keiner derselben voran ist in der Ewigkeit oder in der Größe oder überragend in der Macht.“ II. Die Gleichheit der Kraft schließt in sich die Ähnlichkeit ein; und besagt noch etwas mehr. Denn wenn zwei Dinge in der nämlichen Form Gemeinsamkeit haben, so können sie einander ähnlich genannt werden, mag auch das eine in höherer Vollkommenheit die Form haben wie das andere; wie z. B. die Luft in der Wärme dem Feuer ähnlich ist. Gleich aber können sie nicht genannt werden, wenn das eine vollkommeneren Anteil an der besagten Form hat wie das andere. Und da nicht nur eine einige Natur ist in Vater und Sohn, sondern gleichermaßen vollkommen in beiden; deshalb nennen wir den Sohn nicht nur ähnlich dem Vater, damit der Irrtum des Eunomius AUgustin. de haeres. 154.) ausgeschlossen werde; sondern wir nennen Ihn gleich dem Vater, damit der Irrtum des Arius ausgeschlossen sei. III. Gleichheit und Ähnlichkeit kann in Gott bezeichnet werden durch Namen und Zeitwörter. Insofern sie durch Namen ausgedrückt wird, ist wechselseitige Gleichheit und Ähnlichkeit in den göttlichen Personen. Denn der Vater ist ähnlich dem Sohne und der Sohn dem Vater; da das Wesen Gottes nicht mehr das des Vaters ist wie das des Sohnes. Sowie also der Sohn die Größe des Vaters hat, was da ist „dem Vater gleich sein“; so hat der Vater die Größe des Sohnes, was da ist „dem Sohne gleich sein“. Rücksichtlich der Kreaturen aber besteht diese Wechselseitigkeit nicht. Sie sind als verursachte ähnlich der Ursache, aber nicht umgekehrt; da die Form an leitender Stelle im Princip sich findet als wirkende, in dem Verursachten erst kraft des Princips. Zeitwörter aber bezeichnen Gleichheit zugleich mit der Bewegung. Und wenn auch in Gott keine Bewegung ist, so findet sich doch daselbst ein „Empfangen“. Weil also der Sohn empfängt vom Vater das, wodurch Er Ihm gleich ist und nicht umgekehrt, so sagen wir, der Sohn wird ähnlich dem Vater (coaequatur) und nicht umgekehrt. IV. In den drei Personen kann nur berücksichtigt werden das Wesen, worin sie übereinkommen; und die Relationen, wodurch sie unterschieden werden. Die Gleichheit aber schließt beides ein: den Unterschied der Personen sowohl, wie die Einheit des Wesens, weil darum die Personen Sich wechselseitig gleich sind, daß sie einer Größe und eines Wesens sind. Offenbar aber wird etwas nicht auf sich selber bezogen kraft einer dem wirklichen Sein nach existierenden Relation. Und wiederum wird nicht die eine Relation auf die andere bezogen kraft einer anderen Relation; sonst würden die Relationen ins Endlose vervielfältigt werden. Und deshalb ist 313. II. Gleichheit und Ähnlichkeit in den göttlichen Personen keine von den persönlichen Relationen verschiedene Relation, sondern in ihrem Verständnisse schließt sie ein sowohl die unterscheidenden persönlichen Relationen, wie die Einheit des Wesens.
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