Dritter Artikel. Die unsichtbare Sendung göttlicher Personen vollzieht sich nur gemäß der heiligmachenden Gnade.
a) Dagegen spricht: I. Daß die göttliche Person gesendet wird, ist ganz das gleiche wie daß sie geschenkt wird. Wenn also die göttliche Person gesendet wird nur gemäß der heiligmachenden Gnade; so wird nicht die Person selber geschenkt, sondern vielmehr ihre Gaben. Und dies ist der Irrtum jener, die da sagen, nicht der heilige Geist werde geschenkt, sondern seine Gaben. II. Dieses „gemäß“ bedeutet die Beziehung der Ursächlichkeit. Nun ist aber die göttliche Person die Ursache davon, daß die heiligmachende Gnade besessen wird und nicht umgekehrt; wie Paulus sagt (Röm. 5.): „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unseren Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben worden.“ Also darf nicht gesagt werden, daß eine göttliche Person gesendet werde gemäß der heiligmachenden Gnade. III. Augustin sagt (4. de Trin. 20.): „Wenn der Sohn Gottes der Zeit nach durch die Vernunft wahrgenommen wird; dann wird gesagt, Er werde gesendet.“ Der Sohn Gottes wird aber nicht allein vermittelst der heiligmachenden Gnade erkannt, sondern auch durch den Glauben und die II. Wissenschaft, im allgemeinen durch die Gnade, welche nicht immer den Einzelnen heiligt, sondern oft zum Besten des Ganzen gegeben wird. IV. Rabanus Maurus sagt, der heilige Geist sei den Aposteln gegeben worden zur Wirkung von Wundern. Das ist aber keine heiligmachende, sondern eine zum Besten der anderen verliehene Gnade (gratis data). IV. Auf der anderen Seite sagt Augustin (3. de Trin. 4.): „Der heilige Geist geht der Zeit nach aus, um die Kreatur zu heiligen.“ Senden aber deutet auf ein Ausgehen der Zeit nach hin. Da nun also eine Heiligung der Kreaturen nicht stattfindet außer durch die heiligmachende Gnade; so folgt, daß die unsichtbare Sendung einer göttlichen Person sich nicht vollzieht außer durch die heiligmachende Gnade. V. VI.
b) Ich antworte, es komme den göttlichen Personen zu, gesendet zu werden gemäß dem, daß eine von selben auf eine neue Art und Weise existiert in einer Kreatur; es komme sodann ihnen zu, geschenkt zu werden, insofern sie von einer Kreatur besessen wird. Beides aber vollzieht sich nur gemäß der heiligmachenden Gnade. Denn es besteht eine gemeinsame Art und Weise, gemäß welcher Gott in allen Kreaturen ist; durch sein Wesen nämlich, seine Macht und seine Gegenwart Dies ist die Art und Weise, wie Er als Ursache in den Wirkungen sich findet, die an seiner Güte teilnehmen. Erhaben über diese Art und Weise aber besteht eine besondere, wonach Gott in der vernünftigen Kreatur ist, wie der Erkenntnisgegenstand im Erkennenden und das Geliebte im Liebenden. Und weil die vernünftige Kreatur durch Erkennen und Lieben kraft ihrer Thätigkeit zu Gott gelangt, so wird von Gott gesagt, daß er nach dieser besonderen Weise nicht nur in der vernünftigen Kreatur ist, sondern daß Er da auch wohnt wie in seinem Tempel. Somit kann keine andere Wirkung der maßgebende Grund sein, daß die göttliche Person auf eine neue Weise in der vernünftigen Kreatur sei als die heiligmachende Gnade. Also nur gemäß der heiligmachenden Gnade wird eine göttliche Person gesendet und geht aus der Zeit nach. Zudem wird von uns nur dann gesagt, wir hätten etwas, wann wir dessen frei genießen und es frei gebrauchen können. Die freie Gewalt aber, der göttlichen Person zu genießen, beruht nur auf der heiligmachenden Gnade. Jedoch wird im Geschenke der Gnade selbst der heilige Geist erhalten und besessen; und Er wohnt im Menschen. Also wird der heilige Geist selber geschenkt und gesendet. IX. X.
c) I. Durch das Geschenk der heiligmachenden Gnade wird die vernünftige Kreatur in der Weise vollendet, daß sie nicht nur frei das geschaffene Geschenk gebraucht; sondern auch der Gegenwart der göttlichen Person selber genießt. Und deshalb vollzieht sich die unsichtbare Sendung gemäß dem Geschenke der heiligmachenden Gnade; und doch wird die göttliche Person selber gegeben. II. Die heiligmachende Gnade bereitet die Seele vor, daß sie die göttliche Person besitze; und dies wird durch die Worte besagt, der heilige Geist werde gegeben gemäß der heiligmachenden Gnade. Jedoch ist das Geschenk der Gnade selber vom heiligen Geiste als Wirkung; und dies wird in jener Stelle ausgedrückt. III. Der Sohn kann wohl durch andere Wirkungen erkannt werden von uns; aber keine andere Wirkung macht, daß Er in uns wohne und von uns besessen werde. IV. Das Wunderwirken ist ein Offenbarwerden der heiligmachenden Gnade; und ebenso die Gabe der Prophezeiung und jede andere zum Besten aller verliehene Gabe. Danach werden diese letzteren Gnaden „ein Offenbarwerden des heiligen Geistes“ genannt. (1. Kor 42.) So also ist die Gabe, Wunder zu wirken, den Aposteln verliehen worden; denn es ward ihnen gegeben: nicht nur die heiligmachende Gnade, sondern auch das diese offenbarmachende Zeichen. Wird letzteres, das Zeichen also, allein zum Besten anderer einem gegeben ohne die heiligmachende Gnade, so heißt das nicht ohne weiteres ebensoviel, als daß der heilige Geist gegeben worden wäre; außer mit einem bedingenden und beschränkenden Zusätze, wie z. B. der „prophetische Geist“; der „Geist des Wunderwirkens“; insofern der Betreffende nur die Gabe der Prophetie, des Wunderwirkens vom heiligen Geiste hat.
