Erster Artikel. Die Seele ist nicht ein Körper.
a) Die Seele scheint ein Körper zu sein. Denn: I. Die Seele ist für den Körper der Beweger. Sie setzt aber nicht so Körperliches in Bewegung, als ob sie nicht selber wieder von einem anderen her bewegt würde. Denn zuvörderst bewegt nichts, ohne daß es selber in Bewegung sei, also bewegt würde; da ja kein Sein etwas geben kann, was es nicht hat, wie das, was nicht warm ist, nicht erwärmt. Ferner müßte ein Sein, welches in Bewegung setzt, ohne daß es selbst in Bewegung ist, eine Art Bewegen verursachen, das nie aufhörte und immer in derselben Weise sich verhielte; da ja die unmittelbare Ursache immer dieselbe wäre; was alles bei der Seele nicht einzutreten scheint. Also setzt die Seele derart in Bewegung, daß sie selber in Bewegung gesetzt ist. Ein solcher Beweger kann aber nur ein Körper sein. (Vgl. Kap. 2, Art. 3 und meine Preisschrif t„Natur, Vernunft, Gott“, Kap. 1, §.2.) Also ist die Seele ein Körper. II. Jegliche Kenntnis vollzieht sich vermittelst einer Ähnlichkeit. Es kann aber keine Ähnlichkeit geben, vermittelst deren ein körperloses Wesen die Körper zu erkennen vermöchte. Also kann die Seele nur, wenn sie selbst Körper ist. Körperliches erkennen. III. Der Bewegende berührt das Bewegliche. Berühren aber den Körper kann nur wieder ein Körper. Also kann die Seele entweder den Körper nicht bewegen oder sie ist selbst ein Körper. Auf der anderen Seite sagt Augustin (6. de Trin. c. 6.): „Die Seele wird „einfach“ genannt mit Rücksicht auf den Körper, denn sie hat keinen Umfang, daß sie etwa einen Raum beanspruchte.“
b) Ich antworte, daß man bei dieser Frage zuerst voraussetzen muß, wie als „Seele“ nichts Anderes bezeichnet wird wie das erste und unmittelbare Princip des Lebens in den Dingen, welche bei uns Leben haben. Was nämlich lebendig ist, nennen wir „beseelt“; Unbeseeltes hat kein Leben. Das Leben aber offenbart sich durch eine doppelte Thätigkeit: nämlich durch Erkennen und durch „In Bewegung setzen“. Die alten Philosophen nun, welche mit ihrem Denken über die Einbildung nicht hinaus konnten, nahmen an, dieses Princip des Lebens sei ein Körper; denn sie konnten nicht sich denken, daß es etwas Anderes geben könnte wie Körperliches. Nach ihnen war also die Seele ein Körper. Daß aber dies durchaus falsch ist, das geht aus vielen Gründen hervor. Wir wählen nur einen aus, der am zuverlässigsten und in gemeinverständlicher Weise darthut, die Seele sei kein Körper. Denn es ist offenbar, daß nicht jegliches Princip von Lebensthätigkeit als Seele bezeichnet werden kann, denn so wäre das Auge eine Seele, da es das Princip für das Sehen ist; und dasselbe gilt von vielen anderen Organen. Vielmehr nennen wir Seele das erste Princip des Lebens in einem Dinge. Nun kann wohl ein Körper ein gewisses Lebensprincip sein; wie z. B. das Herz im tierischen Leibe. Aber erstes, von keinem anderen beschränkten Sein abhängiges, Lebensprincip kann ein Körper nicht sein. Denn offenbar kommt dieser Charakter, Lebensprincip zu sein und demnach Leben zu haben, nicht deshalb einem Körper zu, weil er Körper ist. In diesem Falle müßte ja jeder Körper lebend oder Lebensprincip sein, eben weil er Körper ist. Es kommt dies also, daß ein Körper lebt oder Princip des Lebens ist, einem Körper zu nicht schon deshalb, weil er Körper ist; sondern weil er ein so gestalteter Körper ist. Daß aber etwas im einzelnen so gestaltet ist und nicht anders, das hat es von einem ihm innewohnenden Princip, welches seine bethätigende Form ist und das somit es herstellt, daß das betreffende Sein so und nicht anders beschaffen erscheint. Die Seele also als das erste Princip des Lebens ist kein Körper, sondern die bethätigende, das bestimmt thatsächliche Sein eines Körpers herstellende Form; wie die Wärme als das Princip der Erwärmung kein Körper ist, sondern die Thätigkeit, die bethätigende Form eines Körpers.
c) I. Jegliches was in Bewegung ist, hat außerhalb seiner selbst den Anstoß zur Bewegung; es wird von einem anderen Sein in Bewegung gesetzt. Also muß, wenn nicht immer das eine vom anderen ohne Ende abhängig sein und sonach am Ende nichts resultieren soll, ein Bewegendes existieren, was selber nicht in Bewegung ist. Denn da bewegt werden nichts ist wie von einem Vermögen ausgehen, um etwas thatsächlich zu werden; so verleiht es der Bewegende dem Beweglichen, daß dieses nun thatsächlich in Bewegung sei. Jedoch giebt es nach Aristoteles (8 Physic.) ein in Bewegung setzendes Sein, was durch und durch unbeweglich ist, weder nämlich auf Grund seiner eigenen Natur durch Bewegung zur Vollendung gelangt noch auf Grund eines anderen Seins, mit dem es kraft natürlicher Notwendigkeit vereinigt wäre; und eine solche bewegende Ursache kann eine immer in sich gleichmäßige Bewegung bewirken. Es giebt jedoch noch ein anderes Bewegende, das zwar nicht seiner Natur nach in Bewegung ist, jedoch auf Grund dessen, womit es in natürlicher Vereinigung ist, also nebensächlicher-, ihm selbst von außen her zukommender-, zufälligerweise; und eine solche bewegende Ursache ist die Seele, welche ja die den Körper bethätigende Form ist, und demgemäß auf Grund des Körpers in Bewegung erscheint, nicht an und für sich. Und endlich besteht ein Bewegendes, das an und für sich auf Grund seines inneren Wesens erst selber bewegt werden muß, ehe es bewegt; — und das ist der Körper. Weil nun die alten Naturphilosophen annahmen, es existiere nur Körperliches, so lehrten sie, daß alles was bewegt, auch wieder bewegt werde und daß demgemäß die Seele an und für sich auf Grund ihres Wesens in Bewegung, also, daß sie ein Körper sei. II. Es ist nicht notwendig, daß die Ähnlichkeit des erkannten Gegenstandes dem thatsächlichen Sein nach in der Natur dessen ist, der da erkennt; vielmehr wenn das erkennende Wesen vorher im Zustande des Vermögens für das Erkennen ist und nachher thatsächlich erkennt, so ist es erfordert, daß die Ähnlichkeit mit dem erkannten Gegenstande nur dem Vermögen nach in der Natur des Erkennenden ist und nicht gemäß dem thatsächlichen Sein. So ist ja auch die Farbe thatsächlich nicht in der Pupille, sondern dem Vermögen nach; die Pupille darf vielmehr thatsächlich keine Farbe haben. Also darf nicht in der Natur der Seele die Ähnlichkeit mit den körperlichen Dingen dem thatsächlichen Sein nach sich vorfinden, daß nämlich die Seele wirklich Stein sei oder Holz etc., um Stein, Holz u. dgl.zu erkennen. Sie muß vielmehr im Zustande des Vermögens sein mit Rücksicht auf solche Ähnlichkeiten. Die alten Naturphilosophen aber vermochten nicht zu unterscheiden zwischen Vermögen und thatsächlichem Sein; und deshalb meinten sie, die Seele müsse thatsächlich ein Körper sein, damit sie die Körper erkenne; oder vielmehr, sie sei zusammengesetzt aus allen Principien, welche das Körperliche bilden. III. Ein doppeltes „Berühren“ giebt es: dem Umfange nach und der einwirkenden Kraft nach. Das erstere hat nur statt zwischen Körper und Körper; das zweite vollzieht sich zwischen einem Körper und einem körperlosen Wesen, welches den Körper durch sein Einwirken bewegt.
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