Fünfter Artikel. Gott wirkt in jedem Wesen, welches thätig ist.
a) Dementgegen wird geltend gemacht: I. Wirkt Gott in jedem Dinge, so wirkt Er in hinreichender Weise; und somit wird es überflüssig, daß die Kreatur etwas wirkt. II. Eine einzige Thätigkeit ist nicht zugleich von zwei Thätigseienden, ebensowenig wie eine Bewegung der Zahl nach zugleich zwei beweglichen Dingen zugehört. Ist also Gott thätig in der Kreatur, so kann nicht zu gleich die Kreatur dieselbe Thätigkeit haben. III. Der etwas macht, ist die Ursache dessen, was gemacht ist, soweit er die Form verleiht, vermöge deren das Gemachte thätig ist. Ist also Gott die Ursache, warum die von Ihm gemachten Dinge thätig sind, so ist Er dies insoweit, als Er ihnen die Kraft oder die Form dazu verliehen. Aber das thut Gott gleich im Anfange, wenn Er das Ding macht. Also weiter scheint es keiner Thätigkeit von seiten Gottes zu bedürfen. Auf der anderen Seite sagt Isaias 26, 12.: „Alle unsere Werte hast Du, o Herr, in uns gewirkt.“
b) Ich antworte: Einige verstanden dieses Wirken Gottes in den Dingen so, daß die Dinge kraft ihrer eigenen Vermögen gar nichts wirkten, sondern Gott allein Alles thäte; z. B. daß nicht das Feuer wärme, sondern Gott im Feuer. Das aber ist ganz unmöglich. Denn 1. würde so den Dingen die Beziehung und Ordnung von Ursache und Verursachtem entzogen, woraus schließlich nur auf die Ohnmacht des Schaffenden geschlossen werden könnte. Denn der Kraft des Einwirkenden ist es eigen, seiner Wirkung die Fähigkeit zu geben, daß diese selber wirken kann. 2. Die thätig wirksamen Kräfte der Dinge wären überflüssig, da nichts durch dieselben geschähe. Vielmehr würden alle Dinge überflüssig sein, da jegliches Ding nur um seiner Thätigkeit willen besteht. Denn das Unvollkommene ist da um des Vollkommenen willen. Wie also der Stoff wegen der Wesensform da ist, so ist die Wesensform als erstes thatsächliches Sein da wegen des wirklichen Thätigseins als des zweiten thatsächlichen Seins im Dinge; und so ist das Thätigsein der Zweck des Geschöpfes. Danach also muß man es verstehen, Gott wirke in den Geschöpfen, daß letztere trotzdem eine eigene Thätigkeit haben. Zur genaueren Klarstellung ist deshalb zu erwägen, daß unter den vier Arten von Ursachen der Stoff allein als die Material-, als die empfangende Ursache nicht ein Princip des Thätigseins, sondern bloß ein Princip der Bestimmbarkeit und des Empfangens ist. Der Zweck jedoch, die wirkende Ursache und die Wesensform sind je in verschiedenem Verhältnisse Princip der Thätigkeit. Denn das erste Princip für eine Thätigkeit ist der Zweck, der die einwirkende Ursache zum Wirken bestimmt; das zweite ist die einwirkende Ursache; und das dritte Princip ist die Form dessen, was von der einwirkenden Ursache benützt wird, um zu wirken; mag auch, wie das im Bereiche der Kunst so recht klar ist, die einwirkende Ursache kraft der eigenen Wesens form ebenfalls handeln. Denn der Künstler wird zum Wirken bestimmt vom Zwecke, der da das Gemachte selber ist, z. B. das Bett, das Pult; und er benützt zu seinem Thätigsein das Beil, welches kraft seiner Schärfe einschneidet. So also wirkt Gott in jedem Geschöpfe gemäß diesem dreifachen Gesichtspunkte: 1. Auf Grund des Zweckes. Denn da jede Thätigkeit um eines Gutes willen geschieht, mag dieses Gut ein wahres oder ein Scheingut sein, nichts aber den Charakter des Guten trägt oder zu tragen scheint außer insoweit es einigermaßen dem höchsten Gute, also Gott, ähnlich ist; so folgt, daß Gott selber die Zweckursache jeglicher Thätigkeit ist. 2. Auf Grund der wirkenden Ursächlichkeit. Denn wenn viele Ursachen miteinander in geregelter Beziehung stehen, so wirkt immer die nachfolgende kraft der vorhergehenden und alle kraft der ersten Ursache. Denn die erste wirkt ein auf die zweite, damit diese wirke u. s. w.; und so wirken alle durch die Kraft und in der Kraft Gottes selber, der die Ursache ist der gesamten wirkenden Ursachen. 3. Gott benützt nicht nur die Formen und Kräfte der Dinge, wie z. B. der Künstler das Beil, dem dieser aber seine Form und seine Schärfe nicht gegeben, sondern Er giebt den wirkenden Ursachen zudem ihre Form und ihre Kräfte und hält sie aufrecht im Sein. Somit ist Gott nicht nur die Ursache aller Thätigkeiten, insoweit Er die Form als Princip und Richtschnur der Thätigkeit einmal gegeben hat, wie etwa jener, der den Anstoß zur Bewegung bloß giebt; sondern Er bewahrt alle Formen und Kräfte im Sein; wie etwa die Sonne als Ursache des Offenbarwerdens der Farben bezeichnet wird, insofern sie giebt und bewahrt das Licht, wodurch die Farben offenbar werden. Und weil nun die Form eines jeden Dinges im Dinge ist und zwar um so mehr innerlich, je umfassender und allgemeiner und früher das betreffende Ding ist; und Gott selber als die eigenste Ursache des Seins in allen Dingen existiert, was ja jedem Dinge am meisten innerlich ist, so folgt, daß Gott in allen Dingen am tiefsten innerlich wirkt. Und deshalb schreibt die heilige Schrift die Wirksamkeit der Natur Gott als dem zu, der in der Natur wirkt, wie bei Job (10, 11.): „Mit Haut und Fleisch hast Du mich bekleidet und mit Nerven mich zusammengefügt.“
c) I. Gott ist das hinreichende Princip der kreatürlichen Thätigkeit als erstes Princip; damit ist jedoch nicht überflüssig die Thätigkeit untergeordneter Ursachen. II. Ein und dieselbe Thätigkeit geht nicht von zwei Thätigseienden aus, die gleiche Bedeutung haben. Nichts aber steht dem entgegen, daß ein und dieselbe Thätigkeit ausgeht von einer ersten Ursache und von einer dieser untergeordneten zweiten. III. Gott giebt nicht nur den Dingen ihre Formen und Kräfte, sondern erhält sie auch im Sein, wendet sie an auf eine Thätigkeit und ist von aller Thätigkeit der Zweck.
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