Siebenter Artikel. Was Gott außerhalb der natürlichen Ordnung der Dinge thut, ist ein wunder.
a) Dem steht entgegen: I. Die Erschaffung der Welt und auch jeder menschlichen Seele und ebenso die Rechtfertigung des Sünders sind Werke, welche Gott außerhalb der Naturordnung vollbringt. Denn sie geschehen nicht vermittelst der Thätigkeit einer im Bereiche der Natur enthaltenen Ursache. Es werden aber derartige Werke nicht Wunder genannt. Nicht also Alles, was außerhalb der Ordnung der natürlichen Ursachen geschieht, ist Wunder. II. „Wunder“ wird beschrieben als etwas „Schwieriges und Ungewöhnliches, was über die Macht der Natur und über die Erwartung des Bewundernden hinaus sich vollzieht“. Manche Dinge aber geschehen außerhalb der Ordnung der natürlichen Dinge, welche gar keine große Schwierigkeit in sich schließen, wie das Gesundwerden eines Kranken; andere solche Dinge sind nicht ungewöhnlich, da sie häufig vorkommen, wie damals, als die Kranken auf die öffentlichen Plätze gebracht wurden (Act. 5.), damit der Schatten des heiligen Petrus sie heile; ebensowenig sind solche Dinge über die Macht der Natur, wie z. B. wenn einzelne Kranke vom Fieber geheilt werden; und auch nicht über die Erwartung, wie wir Alle die Auferstehung der Toten z. B. erwarten, die doch außerhalb der natürlichen Ordnung der Dinge vor sich gehen wird. Also nicht Alles ist gleich Wunder, wenn es auch außerhalb der Naturordnung steht. III. Der Ausdruck „Wunder“ kommt vom „Wundern“, vom„Bewundern“. „Bewunderung“ gilt den Dingen, die den Sinnen zugänglich sind. Manches aber geschieht außerhalb der gewöhnlichen Ordnung der Dinge, was nicht den Sinnen zugänglich ist; wie daß die Apostel Wissenschaft erhielten, ohne sie gelernt oder erfunden zu haben. Also ist dies nicht Wunder. Auf der anderen Seite sagt Augustin (I. c. cap. 3.): „Wenn Gott etwas thut gegen den gewöhnlichen Lauf der Dinge, wie wir denselben kennen, so nennen wir das ein Wunder.“
b) Ich antworte, daß „Wunder“ etwas genannt wird, weil es „bewundert“ wird. Bewunderung aber erhebt sich dann in uns, wenn die Wirkung offenbar und die Ursache davon verborgen ist; wie jemand sich wundert, wenn er eine Sonnenfinsternis sieht und davon die Ursache nicht kennt. Nun kann eine solche Ursache manchen unbekannt sein, die anderen bekannt ist. Deshalb ist bisweilen für den einen etwas wunderbar, was es für den anderen nicht ist; wie z. B. ein einfacher Landmann die Sonnenfinsternis anstaunt, der Astronom jedoch nicht. „Wunder“ nun wird genannt, was allseitig und für alle volle Bewunderung erregt; was also eine von vornherein und ohne weiteres für alle unbekannte Ursache hat. Eine solche Ursache aber ist Gott. Was also von Gott geschieht außerhalb des natürlichen Ursachenkreises, der uns bekannt ist, das ist ein Wunder.
c) I. Die Erschaffung der Welt und dergleichen Dinge gehen wohl von Gott allein als der Ursache aus; werden aber nicht Wunder genannt, weil sie ihrer Natur nach nicht geeignet sind, von anderen Ursachen herzurühren. Und so geschehen solche Dinge nicht außerhalb der gewöhnlichen Ordnung der Dinge. II. „Höchst schwierig“ wird ein Wunder genannt, weil es über die Macht der Natur hervorragt; nicht aber gerade wegen der Würde des Seins, in welchem es vollbracht wird. „Ungewöhnlich“ wird es genannt; nicht als ob es nicht häufig geschehe, sondern weil es dem gewohnten Laufe der Natur nicht entspricht. „Über die Macht der Natur,“ nicht allein weil die Natur das nicht kann, was durch das Wunder geschieht, soweit es auf die Substanz des Geschehenen ankommt; sondern weil sie es in der Weise und in der Ordnung, wie es geschehen, nicht kann. „Über Erwarten“ ist es; nicht aber über jenes Erwarten, was auf den Glauben sich gründet, nicht also über die Tugend der Hoffnung, vermöge deren wir die Auferstehung der Toten erwarten. III. Die Wissenschaft der Apostel wurde offenbar in ihren Wirkungen und so erschien sie als eine wunderbare.
