Zweiter Artikel. Gott kann unmittelbar einen Körper in Bewegung setzen.
a) Dementgegen spricht: I. Die Thatsache, daß das Bewegende und der Bewegende insoweit zugleich sein müssen (7 Physic.) und deshalb eine Berührung stattfinden muß. Eine Berührung aber zwischen Gott und einem Körper ist nicht möglich. Denn Dionysius (I. de div. nom.) sagt: „Gott ist es nicht zugehörig, etwas zu berühren.“ II. Gott ist der unbewegliche Beweger. Ein solcher aber ist etwas als begehrenswertes Gut Aufgefaßtes und in dieser Weise in Bewegung Setzendes, nämlich als das Begehrte und Aufgefaßte. Auffassen aber ist nur der Vernunft eigen, die in ihrer wesentlichen Thätigkeit an kein körperliches Organ gebunden ist. Also bewegt Gott unmittelbar keinen Körper. III. Aristoteles beweist (8 Physic.), daß eine unendliche Kraft im Augenblicke bewegt. Keine Bewegung aber kann sich in einem Augenblicke, d. h. ohne jegliche wahrnehmbare Zeit vollziehen. Denn da die Bewegung zwischen zwei entgegengesetzten Enden ist, so würde daraus folgen, dah das Bewegliche zugleich an den beiden entgegengesetzten Enden wäre. Also eine unendliche Kraft kann nicht unmittelbar einen Körper bewegen. Nun ist aber Gottes Kraft unendlich. Also. Auf der anderen Seite vollendete Gott unmittelbar für sich allein das Sechstagewerk, innerhalb dessen sich Bewegungen von Körpern finden; wie Gen. 1, 9.: „Die Wasser sollen sich sammeln ... an einen Ort.“
b) Ich antworte, es sei ein Irrtum, zu meinen, dah Gott unmittelbar für sich allein nicht alle jene bestimmten Wirkungen hervorbringen könnte, welche durch irgend welche geschaffene Ursächlichkeit geschehen. Da also von geschaffenen Ursachen die Körper unmittelbar in Bewegung gesetzt werden, so kann es gar nicht zweifelhaft sein, daß Gott ebenfalls jeglichen Körper unmittelbar in Bewegung zu setzen vermag. Zumal ist dies eine reine Folgerung aus dem oben Gesagten. Denn jede körperliche Bewegung folgt entweder einer Wesensform, wie z. B. die Bewegung von Ort zu Ort jener bestimmten Form folgt, welche der die Bewegung Erzeugende, der Bewegende giebt; oder sie ist der Weg zu einer Wesensform, wie das Warmwerden der Weg ist zur Form des Feuers. Nun gehört es aber dem nämlichen an, sowohl die betreffende Form einzuprägen als auch den Weg zu ihr vorzubereiten oder den Anstoß zu der ihr folgenden Bewegung zu geben. Denn das Feuer z. B. erzeugt nicht nur Feuer, sondern es wärmt auch und giebt so die Vorbereitung dazu, um Feuer zu werden; und endlich bewegt es nach oben und giebt so für die Bewegung jene Richtung, welche der Form entspricht. Da also Gott unmittelbar dem Stoffe Wesensformen einprägen kann, so vermag Er auch in jeder beliebigen Weise jeden Körper unmittelbar in Bewegung zu setzen.
c) I. Eine doppelte Bewegung giebt es: eine körperliche, wie zwei Körper sich berühren; und eine Berührung der Kraft nach, wie das Betrübende den Betrübten berührt. Nach der ersten Art Berührung also berührt Gott den Körper nicht und wird nicht berührt; wohl aber berührt Er nach der zweiten Art Berührung, nämlich seiner Kraft gemäß und setzt so die Kreaturen in Bewegung. Berührt aber wird Er auch in dieser Weise von den Kreaturen nicht, denn keine Kreatur kann Ihn erreichen oder etwas in Ihm verursachen. Und so, in dieser letzten Weise, ist das Wort des Dionyiius zu verstehen. II. Gott hat nicht notwendig, immer nur in Bewegung zu setzen als das von anderswoher Begehrte und von einer anderen Vernunft Auf gefaßte. Er kann auch in Bewegung setzen als von Sich selbst aus Be stimmtes und Bewegtes; denn Alles wirkt Er kraft seiner Güte. III. Aristoteles spricht hier vom Unendlichen in der Größe und im Umfange. Ein solches Unendliche kann nur in einer Nicht-Zeit, d. h. im Augenblicke bewegen. Denn ein solches Unendliche bewegt nach seiner ganzen Masse, da es durch Naturnotwendigkeit getrieben ist; also wäre kein Verhältnis zwischen einem so Unendlichen und einer beliebigen begrenzten Kraft. Die Kraft aber, welche keiner körperlichen Größe anhaftet, ist die eines vernünftigen Wesens, welches mit dem von ihm Gewirkten thut, was diesem letzteren gebührt. Da also dem Körper nicht gebührt, ohne Zeit bewegt zu werden; so folgt aus dem Anstoße, den ein vernünftiges Wesen zur Bewegung giebt, nicht, daß die Bewegung in einer Nicht-Zeit sich vollziehe.
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