Vierter Artikel. Allen Menschen werden, soweit sie pilgern, Schutzengel gegeben.
a) In diesem Falle hätte: I. Christus selber einen Schutzengel haben müssen; da „Er gleich den Menschen geworden und in allem erfunden worden ist wie ein Mensch“. (Phil. 2, 7.) Das scheint aber unverträglich mit der Würde Christi. II. Adam hätte einen haben müssen; was zumal für den Stand der Unschuld, wo also keine Gefahren waren, durchaus überflüssig erscheint. III. Die Schutzengel werden jedenfalls gegeben, damit die Menschen zum ewigen Leben gelangen, zum Guten angeregt und gegen die Angriffe desTeufels gesichert werden. Die aber vorausgewußt sind zur ewigen Verdammnis, gelangen niemals zum ewigen Leben. Die Ungläubigen zudem, wenn sie auch manchmal gute Werke thun, thun sie niemals in guter Weise, wie sich es gebührt; denn sie thun dieselben nicht in gerader Absicht, da wie Augustin sagt (praef. in Ps. 31.), „der Glaube die Absicht leiten muß.“ Die Ankunft des Antichrists endlich wird sein „gemäß der Thätigkeit Satans“. (2. Thessal. 2.) Also haben nicht alle Menschen, die auf Erden pilgern, einen Schutzengel. Auf der anderen Seite sagt Hieronymus (l. c.): „Jede Seele hat ihren Schutzengel.“
b) Ich antworte, der Mensch hier auf Erden müsse betrachtet werden wie auf dem Wege zur Heimat befindlich, auf welchem viele Gefahren sind, nach Ps. 141, 4.: „Auf diesem Wege, welchen ich wandelte, haben sie mir im Verborgenen Fallstricke gelegt.“ Wie also den Menschen, welche auf gefährlichen Straßen wandern, Schutzleute mitgegeben werden, so hat jeder Mensch, so lange er auf Erden pilgert, seinen Schutzengel. Ist der Mensch aber zur Heimat gelangt, dann wird er keinen Schutzengel mehr haben, sondern einen Engel, der mit ihm herrscht; wie der Sünder in der Hölle den Teufel haben wird, der ihn straft.
c) I. Christus als Mensch hatte seine Richtschnur unmittelbar in der Person des „Wortes“; also bedürfte Er keines Schutzes von selten der Engel. Zudem war Er der Seele nach immer der seligen Anschauung teilhaftig, also bereits am Ziele, in der Heimat. Nur dem Körper nach „pilgerte“ Er. Nur allein deshalb also gebührte Ihm ein Schutzengel; nicht zwar als Oberer, sondern als Diener; wie es Matth. 4, 11. heißt: „Die Engel traten hinzu und dienten Ihm.“ II. Dem Menschen drohte im Stande der Unschuld keine Gefahr von seinem Innern aus, denn da war Alles geordnet. Aber von außen drohte ihm Gefahr, nämlich von der List der Teufel; wie das Ende beweist. Deshalb bedürfte er des Schutzes der Engel. III. Die genannten Klassen von Menschen werden auf Erden nicht des inneren Beistandes beraubt, wie ihn die natürliche Vernunft gewährt; und somit werden sie auch nicht beraubt des Beistandes von außen, wie er der ganzen menschlichen Natur beigegeben worden ist; nämlich des Beistandes der Schutzengel. Und wenn sie auch desselben nicht in der Weise sich bedienen, daß sie das ewige Leben erlangen, so werden sie dadurch doch immerhin von vielen Übeln abgehalten, die ihnen selbst und anderen schaden würden. Denn die Teufel selbst werden von den heiligen Engeln abgehalten, daß sie schaden, wie sie möchten; und ähnlich wird aus diesem Grunde der Antichrist nicht so viel verderben als er möchte.
