Sechster Artikel. Erschaffen ist nicht einer einzelnen Person in Gott eigen.
a) Dagegen wird geltend gemacht: I. Was früher ist, steht als Ursache dessen da, was nachher ist; und das Vollkommene als Ursache des Unvollkommenen. Das Ausgehen der göttlichen Personen aber ist früher wie das der Kreaturen; und es ist durchaus vollkommen. Also ist es die Ursache des letzteren; und somit kommt Erschaffen einer einzelnen Person in Gott zu. II. Die göttlichen Personen unterscheiden sich nicht gegenseitig außer durch die Relationen und die Art des „Ausgehens“. Was also den Personen in verschiedener Weise zugeschrieben wird, das eignet Ihnen zu gemäß der Relationen unter ihnen und ihrer Art des „Ausgehens“. Nun wird aber die Verursachung der Kreaturen in verschiedener Weise Gott zugeschrieben: Nämlich im Symbolum wird vom Vater gesagt, Er sei der Schöpfer alles Sicht- und alles Unsichtbaren; vom Sohne, durch Ihn sei Alles gemacht; vom heiligen Geiste, Er sei der Herr und Lebendigmacher. Also kommt den Personen die Verursachung der Kreaturen zu gemäß ihrem „Ausgehen“und ihren Relationen. III. Wird entgegnet, die Verursachung der Kreaturen geschehe gemäß einem Wesensattribut, welches den einzelnen Personen zugeeignet, oder appropriiert werde, wie dies früher dargelegt worden; so scheint dies nicht hinreichend. Denn jede Wirkung wird von jedem Wesensattribut verursacht, nämlich von der Weisheit, der Güte, der Macht. Also gehört sie dem einen Wesensattribut nicht mehr an wie dem anderen. Somit kann nur auf Grund der Relationen und des „Ausgehens“ der Personen, nicht auf Grund der Zueignung von Wesensattributen eine verschiedene Art der Verursachung einzelnen göttlichen Personen zugeschrieben werden. Auf der anderen Seite sagt Dionysius (2. de div. nom.): „Das Erschaffen aller Dinge sei gemeinsam der ganzen Gottheit.“
b) Ich antworte, daß Erschaffen recht eigentlich heißt: Verursachen oder Hervorbringen das Sein der Dinge. Da nun aber jegliches Wirkende ihm Ähnliches hervorbringt, so muß über das Princip der Wirksamkeit geurteilt werden aus der ihr folgenden Wirkung; wie z. B. Feuer wieder Feuer hervorbringt. Also kommt Erschaffen Gott zu gemäß dem, daß Er sein Sein ist; gemäß dem, daß das Wesen in Ihm nur Sein ist. Sein aber und Wesen ist gemeinsam allen drei Personen. Trotzdem aber stehen die göttlichen Personen nach Art und auf Grund ihres „Ausgehens“ in einem gewissen Verhältnisse des Verursachens zu den Kreaturen. Denn wie oben gezeigt worden, verursacht Gott durch sein Wissen und sein Wollen; wie der Künstler ähnlicherweise die Ursache ist für das Kunstwerk. Der Künstler aber wirkt durch die Auffassung, durch das in der Vernunft befindliche Wort und durch die Liebe, die sein Wille zu etwas hat. Und so hat auch der Vater gewirkt durch sein „Wort“, welches sein Sohn ist; und durch seine Liebe, die da ist der heilige Geist. Und gemäß diesem „Ausgehen“ der Personen bestehen in Gott die leitenden maßgebenden Seinsgründe; inwieweit dieselben die Wesensattribute des Wissens und des Wollens in sich einschließen.
c) I. Das „Ausgehen“ der göttlichen Personen ist Ursache der Erschaffung in der Weise wie eben gesagt. II. Wiewohl die göttliche Natur den drei Personen gemeinsam ist, sokommt sie Ihnen doch einer gewissen Ordnung gemäß zu. Denn der Sohn hat sie vom Vater und der heilige Geist von Vater und Sohn. Und ebenso kommt die Kraft zu erschaffen den drei Personen einer gewissen Ordnung gemäß zu. Denn der Sohn hat sie vom Vater und der heilige Geist von beiden. Demgemäß wird vom Vater gesagt, Er sei Schöpfer; weil er die Kraft zu erschaffen von keinem anderen hat. Vom Sohne heißt es, durch Ihn sei alles; weil Er diese selbe Kraft vom Vater hat; denn das „durch“pflegt anzuzeigen das Vermittelnde oder das Princip vom Princip. Dem heiligen Geiste aber, weil Er diese Kraft von beiden hat, wird zugeschrieben, daß Er beherrscht und regiert alles das, was vom Vater durch den Sohn geschaffen worden. In anderer Weise wird dies noch nach den jeder Person zugeeigneten Wesensattributen erklärt. Denn dem Vater wird die Macht zugeeignet, die am meisten in dem Erschaffen sich offenbart; — dem Sohne die Weisheit, durch die der Wirkende vermittelst der Vernunft thätig ist und so heißt es: Durch Ihn ist alles geworden; — dem heiligen Geiste aber die Güte, zu der es gehört, die Dinge zu ihrem Wohle hinzuleiten und zu beleben; denn Leben besteht in der Bewegung von einem inneren Princip aus, und der Zweck und die Güte ist das, was in erster Linie bewegt. III. Jede Wirkung kommt von jedem der Wesensattribute. Aber einejede wird zurückgeführt auf jenes Attribut, mit dem sie ihrer Natur nach eine gewisse Verwandtschaft hat; wie die Leitung der Dinge mit der Weisheit; die Rechtfertigung des Gottlosen mit der Barmherzigkeit und Güte, die sich darin überfließenderweise offenbart; das Erschaffen mit der Macht, denn es bringt die Substanz des Dinges selber hervor.
