Achter Artikel. Die Erschaffung wird vorausgesetzt von den werken der Natur und der Kunst, ist aber denselben nicht beigemischt als ein sie begleitendes Element.
a) Dagegen spricht: I. In jeder Thätigkeit der Natur und der Kunst wird irgend eine Form hervorgebracht. Dieselbe aber wird nicht aus etwas Anderem, da sie als reine Form betrachtet nicht den Stoff als Teil in sich hat; wie z. B. die Form des Weißen, des Viereckigen ohne bestimmten Stoff gedacht werden kann. Also wird eine solche Form aus Nichts hervorgebracht; und somit ist in jedem Werke der Natur und der Kunst ein Erschaffen. II. Die Wirkung ist nicht früher wie ihre Ursache. In den Dingen der Natur aber sind nur die zufälligen Eigenschaften wirkend, wie die Weisheit, die Güte, das Warme. Also wird, da die substantiale Wesensform früher sein muß im Gewirkten als das, was diesen Eigenschaften entspricht und ihnen ähnlich ist, die substantiale Wesensform aus Nichts hervorgebracht; und somit kraft Erschaffens. III. Die Natur macht immer sich Ähnliches. Die Tiere aber, welche durch Fäulnis erzeugt werden, sind ihrer Ursache nicht ähnlich. Also ist ihre Wesensform nicht von der Natur, sondern aus dem Nichts. IV. Was nicht geschaffen ist, das ist nicht Geschöpf. Wenn also zu dem, was von der Natur kommt, nicht das Erschaffen tritt, so ist es nicht Geschöpf; und das ist häretisch. Auf der anderen Seite unterscheidet Augustin (5. de gen. ad litt. 6, 14, 15.) das Werk der Erschaffung von dem der Ausbreitung oder Fortpflanzung als dem Werke der Natur.
b) Ich antworte, daß diese Frage: 1. wegen derer gestellt wird, welche annahmen, die Formen entständen nicht durch die Thätigkeit der Natur, sondern hätten schon vorher wirklich bestanden, wenn auch verborgenerweise, innerhalb des Stoffes. Diese irren aus Unkenntnis des Stoffes, der wohl dem Vermögen nach die Formen der Natur in sich enthält, so also, daß durch die Thätigkeit der Natur aus diesem Vermögen des Stoffes die entsprechende thatsächlich existierende Wesensform wird; nicht aber dem thatsächlichen Sein nach, so daß die Aktion der Natur nur eine Gelegenheit wäre, bei der diese Wesensformen aus ihrer Verborgenheit hervorträten. 2. Es wird die vorliegende Frage behandelt wegen derer, welche meinten, die Wesensform der natürlichen Dinge werde immer von einem eigenen Wirkenden, der seinem Für-sich-bestehen nach vom Stoffe entfernt fei, erschaffen; so daß danach also überall den Werken der Natur sich Erschaffung beimische. Und diese meinten dies aus Unkenntnis der Form. Denn sie sahen nicht, daß keineswegs die Form der natürlichen Dinge für sich besteht, sondern daß vielmehr durch sie und kraft ihrer der Körper ist. Und sonach, da das Erschaffen nur den für sich bestehenden Dingen als solchen gilt, werden solche Formen nicht eigentlich geschaffen und sie werden nicht; sondern sie werden mitgeschaffen und haben ein Mitwerden. Was aber so recht eigentlich vom Wirkenden im Bereiche der Natur ausgeht, ist das Zusammengesetzte, was aus dem Stoffe wird. In den Werken der Natur und der Kunst also ist kein Gemisch von Erschaffen und natürlichem Wirken, so daß das eine Element in der Wirkung vom Erschaffen käme, das andere von der Natur oder der Kunst; sondern ganz geht das betreffende Ding von der Natur oder der Kunst aus, nur wird im Wirken der Natur und Kunst natürlich vorausgesetzt, daß etwas zu Grunde Liegendes erschaffen worden ist.
c) I. Die Formen werden nicht für sich; sondern beginnen zu sein, sobald das Zusammengesetzte aus Stoff und Form besteht. II. Die zufälligen Formen und Eigenschaften wirken nicht für sich allein, sondern kraft und vermittelst der Wesensformen; und deshalb bringt die wirkende Ursache im Bereiche der Natur sich Ähnliches hervor nicht nur nach einzelnen Eigenschaften, sondern der Natur und dem Wesen gemäß. III. Zur Erzeugung der unvollkommenen Tiere genügt die allgemeine Kraft der Natur, wie sie als eine wirkende in den Himmelsköpern ist, und dieser werden die genannten Geschöpfe ähnlich; nicht zwar nach der Natur der Gattung, sondern im Bereiche einer gewissen Analogie. Zur Erzeugung der vollkommenen Tiere aber genügt diese allgemeine Kraft nicht; sondern es wird ein eigenes Wesen als wirkende Ursache erfordert, welches dieselbe Natur und Gattung hat wie das Gewirkte. IV. Das Wirken der Natur tritt nur ein unter der Voraussetzung dessen, was von der Erschaffung herrührt; und deshalb sind die Werke der Natur Geschöpfe.
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