Zweiter Artikel. In ein und derselben Hierarchie oder Rangordnung sind mehrere Chöre.
a) Dagegen spricht: I. „Hierarchie“ heißt „Rangordnung“ (3. de ooel. hier.); und „Engelchor“ heißt ebenso im Grunde „Ordnung“. Also sind viele Hierarchien und nicht mehrere Chöre in ein und derselben Hierarchie. II. Verschiedene Chöre sind verschiedene Abstufungen; und da es sich um reine Geister handelt, so sind es verschiedene Abstufungen nach der Verschiedenheit der geistigen Gaben. In den Engeln aber sind alle geistigen Gaben Gemeingut; weil unter ihnen keiner etwas für sich allein und abgesondert besitzt. Also giebt es da keine verschiedenen Chöre. III. In der kirchlichen Hierarchie werden die verschiedenen Abstufungen unterschieden gemäß dem „Läutern, Erleuchten, Vollenden“. Denn den Diakonen gebührt es, zu läutern; den Priestern, zu erleuchten; den Bischöfen, zu vollenden; wie Dionysius sagt. (5. de eccles. hier.) Jeder Engel aber läutert, erleuchtet, vollendet. Also sind da keine entsprechenden Abstufungen und somit keine Chöre. Auf der anderen Seite aber sagt der Apostel Eph. 1, 20.: „Gott hat Christum gesetzt über alle Fürstentümer und Gewalten und Kräfte und Herrschaften;“ unterscheidet also verschiedene Chöre.
b) Ich antworte, daß eine Hierarchie auch eine heilige Herrschaft, d. h. eine solche Vielheit ist, die auf ein und dieselbe Weise der Regierung des Herrschers untersteht. Eine solche Vielheit wäre jedoch keine geregelte, sondern eine verworrene Menge, wenn innerhalb derselben nicht verschiedene Rangstufen wären. Die Natur der Hierarchie also selber erfordert eine Verschiedenheit in den Abstufungen oder in den Chören. Diese Verschiedenheit wird nun zu erwägen sein gemäß der Verschiedenheit der Aufgaben oder Verrichtungen und der dementsprechenden Thätigkeiten; wie dies ja schon in einem Staate erscheint, wo ein anderer Stand ist der der Richter, ein anderer der der Streiter, ein dritter der der Landbebauer etc. Obgleich aber viele Stände sind in ein und demselben Staate, so lassen sie doch alle sich auf drei zurückführen, insofern nämlich jede vollkommen geregelte Vielheit eine Spitze hat, einen Mittelstand und am Ende ganz untergeordnete Leute. Die Optimaten bilden die Spitze; das gewöhnliche Volk sind die letzten; in der Mitte stehen jene, die anständig zu leben haben. So nun also werden auch in jeder Engelhierarchie Chöre oder „Stände“ unterschieden je nach der Verschiedenheit der Thätigkeiten und Aufgaben; und all diese Verschiedenheit läßt sich auf drei Abstufungen zurückführen: auf die höchste, die niedrigste und die Mittelstufe. Deshalb nimmt Dionysius (7) 8, 9 de coel. Hier.) drei Chöre in jeder Hierarchie an: die Seraphim, Cherubim und die Throne in der ersten; die Herrschaften, Kräfte und Gewalten in der zweiten; die Fürstentümer, Erzengel und Engel in der dritten.
c) I. Unter „Ordnung“ wird 1. verstanden die Regelung selber, welcher gemäß verschiedene Grade inbegriffen werden; und so heißt die Hierarchie „Ordnung“; — 2. ein bestimmter Grad oder eine bestimmte Stufe; und so giebt es in einer Hierarchie mehrere Chöre. II. In der Gesellschaft der Engel ist wohl Alles Gemeingut. Aber das hindert nicht, daß die einen Manches in hervorragenderer Weise besitzen wie die anderen. Denn vollkommener wird etwas besessen von dem, der es auch mitteilen kann als von dem, der dies nicht kann; wie etwas vollkommener warm ist, was wärmen, wie jenes, was dies nicht kann; — und vollkommener ist die Kenntnis in jenem, der lehren, wie in jenem, der dies nicht kann. Und wiederum; ein je vollkommeneres Gut jemand mitteilen kann, desto erhabener ist die Stufe, die er einnimmt; wie im Lehrberufe derjenige höher steht, der eine höhere Wissenschaft lehren kann. So nun etwa ist die Verschiedenheit der Grade oder Abstufungen in den Engeln zu verstehen; nämlich gemäß den verschiedenen Aufgaben und Thätigkeiten. III. Der niedrigste Engel steht in jeder Beziehung höher da wie der höchste Mensch gemäß Matth. 11, 11.: „Wer da der geringste ist im Reiche der Himmel, der ist größer als er,“ nämlich als Johannes der Täufer, „den niemand unter den vom Weibe Geborenen an Größe überragt.“ Der geringste Engel also kann läutern, erleuchten und vollenden in höherem Grade als die entsprechenden Rangstufen unserer Hierarchie. Gemäß dem Unterschiede in diesen Thätigkeiten also besteht nicht der Unterschied zwischen den Engelchören; sondern gemäß anderen Momenten.
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