Dritter Artikel. In ein und demselben Chöre sind mehrere Engel.
a) Dem steht entgegen: I. Alle Engel unterscheiden sich nach Kap. 47, Art. 2, und Kap. 50, Art. 4 der Gattung nach; sind also einander nicht gleich. Die aber ein und demselben Chore angehören, sind sich gleich. Also ist in jedem Chöre nur ein Engel. II. Was zu der einheitlichen Aufgabe der Engel gehört, wonach nämlich ein Chor vom anderen unterschieden wird, das Alles kann mit weit mehr Grund von einem einzigen Engel ausgeführt werden, wie die eine Sonne genügt für Alles, was die Sonne zu thun hat; da ja ein Engel weit voll kommener ist wie die Sonne. Also mehrere Engel in ein und demselben Chore wären überflüssig. III. Sind mehrere Engel in ein und demselben Chöre, so wird der niedrigste im höheren Chore mit dem höchsten im niedrigeren Chore mehr übereinkommen wie mit dem höchsten in seinem eigenen Chore, da ja die Engel alle einander ungleich sind; und so wird dieser Engel nicht mit größerem Recht zu dem einen Chore gehören wie zum anderen. Es würde also die Verschiedenheit der Chöre verwischt. Also ist bloß einer in jedem Chore. Auf der anderen Seite heißt es Isai. 6, 3.: „Der eine Seraph schrie zum anderen hin.“ Also sind in dem einen Chore der Seraphim mehrere Engel.
b) Ich antworte: Jener, der einzelne Dinge vollkommen begreift, kann leicht bis in die geringsten Einzelheiten ihr Thätigsein, ihre Kräfte, ihre Naturen unterscheiden. Wer aber diese selben Dinge nur unvollkommen kennt, der kann nur im allgemeinen unterscheiden. Wenn jemand z. B. in unvollkommener Weise die Dinge der Natur erkennt, der wird nur im allgemeinen unterscheiden und wenige Unterschiede feststellen. Er wird die Himmelskörper in die eine Art Sein setzen, die leblosen irdischen Dinge in eine andere, die Pflanzen in eine dritte und die Tiere in eine vierte. Hat aber jemand eine vollkommenere Kenntnis der Dinge in der Natur, so wird er noch dazu verschiedene Abstufungen und Klassen unterscheiden sowohl in den Himmelskörpern wie in den anderen Seinsarten. Wir aber kennen nur unvollkommen die Engel und ihre Verrichtungen, wie Dionysius sagt. (6. de coel. hier.) Also können wir nur im allgemeinen die Abstufungen und Verrichtungen der Engel unterscheiden; und in dieser Weise erkennen wir nur, daß auf einer Stufe oder in einem Chore viele Engel sind. Würden wir jedoch eine diesbezüglich vollkommene Kenntnis haben, so würden wir sehen, wie jeder Engel seine eigene Aufgabe oder Verrichtung hat und seinen eigenen Wirkungskreis in den Dingen; und zwar in bei weitem höherem Grade, wie jeder Stern, obgleich dies uns verborgen ist.
c) I. Die Engel in einem Chore sind gleich gemäß einer gemeinsamen Ähnlichkeit in ihren Aufgaben, der gemäß sie im selben Chore enthalten sind. An und für sich aber sind sie nicht einander gleich. Deshalb sagt Dionysius (10. de coel. hier.): „In ein und demselben Chore der Engel sind wieder erste, mittlere und letzte.“ II. Jener Unterschied, wonach jeder Engel in einem Chore seine eigene besondere Aufgabe hat, ist uns unbekannt. III. Wie in einer Oberfläche, die teilweise schwarz, teilweise weiß ist, zwei Teile, welche sich gegenseitig, der eine als schwarzer der andere als weißer begrenzen, gemäß der Lage sich näher stehen wie zwei weiße Teile; nicht aber gemäß der Farbe; — so ähnlich verhält es sich in unserem Falle. Zwei Engel, die an den Grenzen ihres Chores stehen, haben mehr Verbindungspunkte untereinander wie ein jeder von ihnen mit den fernstehenden des eigenen Chores, soweit es auf die Natur ankommt; wenigere aber, so weit es darauf ankommt, geeignet zu sein für ähnliche Aufgaben und Verrichtungen; — und nach diesem Geeignetsein für ähnliche Aufgaben besteht die Einheit in einem Chore.
