Siebenter Arlikel. Die Engelchöre bleiben in ihrem Unterschiede bestehen nach dem letzten Gerichte.
a) Das Gegenteil scheint der Fall zu sein.Denn: I. 1. Kor. 15, 24. heißt es: „Christus wird entleeren alle Fürstentümer und Gewalten; wann Er die Herrschaft geben wird Gott dem Vater.“ Das aber wird am letzten Gerichte sein. Also werden auch ihrer Kraft ledig werden alle übrigen Chöre. II. Zur Aufgabe der Engel gehört, zu läutern, zu erleuchten, zu vollenden; was nach dem letzten Gerichte nicht mehr statthaben wird. III. Hebr. 1, 14. heißt es: „Alle sind zum Dienste bereite Geister, gesandt wegen derer, welche die Erbschaft des Heiles ergreifen.“ Ist also „das Heil ergriffen“, so ist es vorbei mit dem Dienste der Geister und somit mit den dazu dienenden Chören. Auf der anderen Seite heißt es Judic. 5, 10.: „Die Sterne verharrten in ihrer Ordnung und in ihrem Laufe,“ was die Glosse auf die Engel anwendet. Also werden sie in ihrer Rangordnung, d. h. in ihren Chören verbleiben auch nach dem letzten Gerichte.
b) Ich antworte: In den Engelchören ist der Unterschied sowohl in der Seinsstufe vorhanden als auch in den Verrichtungen. Der Unterschied in der Seinsstufe aber besteht gemäß der Verschiedenheit der Natur und der Gnade; die da immer bleibt. Denn die Verschiedenheit in der Natur könnte nur verschwinden mit der Natur selber; und die Verschiedenheit in der unverrückbaren Herrlichkeit richtet sich nach dem vorhergehenden Unterschiede im Verdienste, wovon die Gnade die Quelle ist. Die Ausführung aber der Aufgaben der Engel wird in gewisser Weise bleiben und in gewisser Weise vergehen nach dem letzten Gerichte. Vergehen werden sie, soweit diese Aufgaben den Zweck haben, die Auserwählten zum Heile zu führen. Bleiben aber werden sie, insoweit dies der Erreichung des schließlichen Heiles zukommt; sind ja doch die Aufgaben der militärischen Rangstufen andere im Kampfe und andere im Triumphe.
c) I. Die „Fürstentümer“ und „Gewalten“ werden am jüngsten Tage leer gemacht werden, soweit es gilt, andere zur Erreichung des Zieles zu führen. Das wird angezeigt durch die Worte: „Wenn Christus die Herrschaft übergeben wird Gott dem Vater.“ II. Der wirksame Einfluß der einen unter den Engeln auf die anderen muß erwogen werden nach der Ähnlichkeit der geistig vernünftigen Thätigkeit in uns. Viele vernünftige Thätigkeiten aber werden in uns gefunden, welche miteinander in Verbindung stehen wie Ursache und Verursachtes; wie z. B. wenn wir durch viele Mittelsätze hindurch allmählich zu einer einheitlichen Schlußfolge gelangen. Es ist aber offenbar, daß die Kenntnis, welche man von dieser Schlußfolge hat, von allen vorhergehenden Vorder- oder Zwischensätzen abhängt; nicht nur soweit es darauf ankommt, ein neues Wissen zu erlangen, sondern auch soweit es gilt, das erlangte Wissen zu bewahren. Das wird dadurch bezeugt, daß wenn jemand einen solchen Vordersatz, auf dem die Schlußfolge aufgebaut ist, vergißt, er wohl die Schlußfolge als eine wahrscheinliche oder als eine geglaubte festhält, nicht aber als eine zuverlässige gewußte; da er die Reihe der Gründe, auf die sie sich stützt, nicht mehr sich gegenwärtig hält. Nun aber kennen die niederen Engel den Grund für die Werke Gottes vermittelst und auf Grund des Lichtes der höheren Engel. Und somit hängt ihre Erkenntnis nicht nur insoweit sie als neue erlangt wird vom Lichte der höheren ab, sondern auch insoweit sie als bereits erlangte bewahrt und festgehalten wird. Wenn auch also die niedrigeren Engel nicht mehr fortschreiten in der Erkenntnis der Dinge nach dem letzten Gerichte, so wird doch damit nicht ausgeschlossen, daß sie von den höheren erleuchtet werden. III. Die da „die Erbschaft des Heiles ergriffen haben“, werden nach dem letzten Gerichte eine hellere Klarheit haben vermittelst der Dienstleistungen der Engel.
