Fünfter Artikel. Namen, welche das Wesen bezeichnen, können, sobald sie im abstrakten Sinne gebraucht werden, nicht als Subjekt für eine Person stehen.
a) Dagegen spricht: I. Augustinus, der (7. de Trin. 1.) schreibt: „Vater und Sohn sind eine Weisheit, weil ein Wesen; und als einzelne Personen betrachtet, ist da die Weisheit von der Weisheit, das Wesen vom Wesen.“ Der letztere Ausdruck aber besagt ebensoviel wie: das Wesen hat das Wesen gezeugt. Also können Worte, die im abstrakten Sinne das Wesen ausdrücken, mit Prädiikaten verbunden werden, welche auf die Personen sich richten. II. Bei unserem Entstehen und Vergehen entsteht und vergeht auch das, was in uns ist. Der Sohn aber wird erzeugt; und in diesem Sinne entsteht Er. Also da das Wesen Gottes im Sohne ist, wird erzeugt und entsteht auch dieses. III. Ebendasselbe ist Gott und das göttliche Wesen. Dieser Satz ist aber richtig: Gott erzeugt Gott. Also ist auch richtig zu sagen: Das Wesen erzeugt das Wesen. IV. Das Wesen Gottes ist der Vater. Also kann auch das „Wesen Gottes“ Subjekt sein anstatt des „Vaters“. Denn wovon etwas ausgesagt wird, das kann auch Subjekt sein an Stelle dessen, was ausgesagt wird. Also kann ich sagen: Das Wesen Gottes zeugt. V. Das Wesen ist ein Ding, was zeugt; denn der Vater ist es, der zeugt. Ist also das Wesen nicht zeugend, so wird es ein Ding sein, was zeugt und was nicht zeugt. Augustin sagt (4. de Trin. 20.): „Der Vater ist das Princip der ganzen Gottheit.“ Der Vater aber ist nur Princip dadurch, daß Er zeugt oder haucht. Also zeugt oder haucht Gott die Gottheit. Auf der andern Seite sagt Augustin(I. de Trin. 1.): „Kein Ding erzeugt sich selbst. Wenn aber das Wesen erzeugte das Wesen, so würde es sich selber erzeugen, da nichts in Gott ist, was vom Wesen dem wirklichen Sein nach verschieden wäre.
b) Ich antworte, daß über diesen Punkt der Abt Joachim im Irrtum war, da er meinte, daß man ebensogut sagen könne, „das Wesen erzeuge das Wesen,“ wie „Gott erzeugt Gott“. Er beachtete einseitig nur die vollkommene göttliche Einfachheit, gemäß welcher Gott nichts Anderes sei und Ausdrücke wie göttliches Wesen. Er täuschte sich darin, weil man, um die Wahrheit einer Redeweise zu bestimmen, nicht nur erwägen muß das bezeichnete Ding, sondern auch die Art und Weise, wie das Ding bezeichnet wird. Nun ist freilich dem wirklichen Sem nach ganz dasselbe Gott und Gottheit; aber die Art und Weise zu bezeichnen ist nicht dieselbe. „Gott“ nämlich bezeichnet die göttliche Wesenheit als in dem befindlich, der sie hat; und so entspricht es der natürlichen Bedeutung dieses Wortes, daß es als Subjekt für die Person stehen kann. Und deshalb kann, was den Personen eigen ist, ausgesagt werden von „Gott“. Dieses Wort aber „Wesen“ bezeichnet die Wesenheit als von dem (Konkreten) losgelöst, der sie hat, als etwas Abstraktes der Natur seiner Bedeutung nach. Und deshalb kann das, was den Personen als solchen eigen ist, nicht von dem Worte „Wesen“ als dem „Subjekte“ ausgesagt werden. Denn damit würde bezeichnet werden, daß im Wesen ein Unterschied ähnlich wie in den Personen sei.
c) I. Um die Einheit des Wesens und der Personen auszudrücken, haben manchmal die heiligen Lehrer mit etwas mehr Nachdruck gesprochen, als die Eigenheit der Redeweise es erlaubte. Sonach sind solche Ausdrücke wie die Augustins nicht auszudehnen; sondern vielmehr im katholischen Sinne zu erklären, daß nämlich die abstrakten Ausdrücke für die konkreten gebraucht sind und sonach es heißt: Der Sohn, welcher ist Wesen und Weisheit, geht aus vom Vater, der da ist Wesen und Weisheit. Es ist jedoch in diesen abstrakten Namen ein gewisses Verhältnis zu berücksichtigen. Denn jene, welche näher zur Bezeichnung des Altes oder der Thätigkeit herantreten, stehen auch näher den Personen, welche nächstes Princip der Thätigkeit sind. Somit wäre dies schon mehr erlaubt: Natur von der Natur, Weisheit von der Weisheit; wie: Wesen vom Wesen. II. In den geschaffenen Dingen entsteht eine neue Natur; denn sie haben nicht die Natur der Zahl nach als ein und dieselbe. Deshalb wird die menschliche Natur miterzeugt und vergeht mit, wenn der Mensch entsteht oder vergeht. In Gott aber ist es immer ein und dieselbe Natur der Zahl nach, welche der Erzeugte empfängt und die der Erzeugende giebt. Also wird die Natur Gottes im Sohne nicht erzeugt, in keiner Weise. III. Freilich ist Gott und das göttliche Wesen ein und dasselbe dem wirklichen Sein nach; aber die Art und Weise zu bezeichnen ist verschieden. IV. Das göttliche Wesen wird ausgesagt vom Vater auf Grund der Identität im wirklichen Sein. Daraus folgt aber nicht, daß das „göttliche Wesen“ für den „Vater“ Subjekt sein könnte; denn die Art und Weise zu bezeichnen ist verschieden. Der Einwurf würde Geltung haben in jenen Dingen, in welchen das eine ohne Bedingung und Beschränkung vom anderen ausgesagt wird; wie z. B. vom Besonderen (der einzelne Mensch) das Allgemeine (die Gattung „Mensch“) ausgesagt wird. V. Das ist der Unterschied zwischen Substantiven und Adjektiven, daß jene Namen ihr bestimmtes Subjekt bereits mitbringen, diese aber die von ihnen bezeichnete Sache einem vorgelegten beliebigen Subjekte erst zuteilen. Letztere verbinden nur und setzen ein Subjekt voraus, mit dem sie verbinden; die ersteren schließen in ihrer Bedeutung das Subjekt mit ein. Substantivnamen nun, welche auf die Personen gehen, können auch vom Wesen ausgesagt werden wegen der Identität im wirklichen Sein. Und daraus folgt nicht etwa, daß die persönliche Eigenheit, die proprietas personalis, das göttliche Wesen bestimme; sondern sie bezeichnet nur im Wesen Gottes etwas, was durch das Substantiv ausgedrückt ist. Persönliche oder „notionale“ (zeugend, hauchend, hervorgehend) Adjektivnamen aber können nicht vom Wesen ausgesagt werden, außer wenn ein Substantiv mit bei ihnen steht. Deshalb können wir nicht sagen: Das Wesen ist zeugend; wir können aber sagen: Das Wesen ist ein Ding, was zeugt; oder: Das Wesen ist Gott, der zeugt; wenn unter „Gott“ und „Ding“, als dem Subjekte, die Person verstanden wird, nicht das Wesen. Demnach ist da kein Widerspruch vorhanden, wenn gesagt wird: Das Wesen Gottes ist ein Ding, was zeugt; und: Es ist ein Ding, was nicht zeugt. Denn im ersten Falle ist unter „Ding“, als dem Subjekte, die Person verstanden; und im zweiten Falle das Wesen. VI. „Gottheit“, insoweit dadurch das eine angezeigt wird in den drei göttlichen Personen, hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Kollektivnamen, wie Kollegium. Wenn also gesagt wird: Der Vater ist das Princip der ganzen Gottheit, so heißt „Gottheit“ hier alle drei Personen zusammen, ist gleichsam der Form nach ein Kollektivname; insofern nämlich der Vater für alle drei göttlichen Personen das Princip ist. Mit diesem Ausdrucke ist nicht gesagt, daß dann der Vater auch das Princip seiner selbst wäre; wie ja jemand das Oberhaupt des ganzen Volkes genannt wird, ohne daß er deshalb sein eigenes Oberhaupt wäre. Oder es kann gesagt werden, der Vater sei das Princip der ganzen Gottheit, nicht weil Er dieselbe erzeugt oder haucht, sondern weil Er dieselbe als ein Ganzes durch sein Zeugen und Hauchen mitteilt.
