Zweiter Artikel. Das Bild Gottes ist nicht in der vernunftlosen Kreatur.
a) Dies scheint doch aber der Fall zu sein. Denn: I. Dionysius (2. de div. nom.) sagt: „Was verursacht ist, das trägt ein irgend welches Bild der Ursachen.“ Die vernunftlose Kreatur ist aber von Gott verursacht. II. Was eine ausdrücklichere Ähnlichkeit in sich trägt, das ist auch in höherem Grade „Bild“. Dionysius aber sagt (4. de div. nom.): „Der Sonnenstrahl trägt am meisten die Ähnlichkeit mit der göttlichen Güte.“ III. Was vollkommener ist, das ist auch Gott ähnlicher. Das ganze Weltall aber ist in der Güte vollkommener, wie der Mensch. Denn obgleich von allem Einzelnen gesagt wird, daß es gut war; so heißt es doch vom Ganzen, es sei sehr gut. Also das Weltall selbst ist nach dem Bilde Gottes und nicht bloß der Mensch. IV. Zudem sagt Boëtius (3. de consol. mtr. 9.): Gott hat die Welt im Bilde ähnlich gemacht. Auf der anderen Seite schreibt Augustin (6. sup. Gen. ad litt. 12.): „Das ragt im Menschen hervor, daß ihn Gott nach seinem Bilde machte; daß Er ihm nämlich den vernünftigen Geist gab, der ihn von den Tieren unterscheidet.“
b) Ich antworte, daß nicht jegliche Ähnlichkeit, mag sie auch vom Anderen her abgeleitet sein, zur Natur des Bildes hinreicht. Denn besteht bloß eine Ähnlichkeit in der gemeinsamen „Art“ oder in einer Eigenschaft, so wird deshalb etwas noch nicht als „nach dem Bilde“ bezeichnet. Der Wurm z. B., der vom Menschen her entsteht, ist nicht ein Bild des Menschen trotz der Ähnlichkeit in der „Art“. Und ebensowenig ist etwas weiß „nach dem Bilde“ von etwas, weil es nach demselben weiß gemacht worden ist. Vielmehr wird, damit etwas der Natur nach „Bild“ sei, erfordert die Ähnlichkeit gemäß der Gattung, wie das Bild des Königs im Sohne ist; oder die Ähnlichkeit in einer Eigenschaft oder in etwas von außen Hinzutretendem, was nur allein dieser Gattung zukommt und ihr durchaus zu eigen ist, zumal wenn es sich um die Figur handelt; wie das Bild des Menschen im Kupfer z. B. sich findet. Deshalb sagt Hilarius bezeichnend vom Bilde, es sei eine noch weiter bestimmbare Form; er spricht nämlich von einer allgemeinen Wesens- oder Gattungsform. Offenbar aber bemißt man die Ähnlichkeit der Gattung nach gemäß dem letzten endgültigen Unterschiede. Nun sind die Dinge Gott zuerst in der allgemeinsten Weise ähnlich, insofern sie nämlich sind; dann, insofern sie leben; endlich, insofern sie vernünftig erkennen; und diese letzteren sind Gott in der Weise ähnlich, daß nichts von dem Übrigen Gott so nahe steht. Das Vernünftige bildet also den letzten Unterscheidungsgrund zwischen den Kreaturen rücksichtlich der Ähnlichkeit mit Gott und wird somit im eigentlichen Sinne als Bild Gottes bezeichnet.
c) I. Alles minder Vollkommene hat einen gewissen Anteil am Vollkommenen. Was also nicht die ausreichende Natur des Bildes besitzt, hat doch eine gewisse Ähnlichkeit mit Gott; und gemäß dieser hat es einigermaßen die Natur des Bildes. Deshalb sagt Dionysius, die verursachten Dinge hätten ein „irgend welches“ Bild der Ursachen in sich; also nicht das Bild gemäß seiner wahren und ausreichenden, einfachen Natur. II. Der Sonnenstrahl ist nach Dionysius eine Ähnlichkeit mit der göttlichen Güte, soweit es auf das Verursachen ankommt; nicht auf Grund des Wertes seiner Natur. III. Das All ist vollkommener in der Güte wie die vernünftige Kreatur, wenn die Ausbreitung und weite Verteilung in Betracht kommt. Dem Wesen nach und in größerer Einheit aber ist die Ähnlichkeit mit der göttlichen Vollkommenheit mehr vorhanden in der vernünftigen Kreatur, die des höchsten Gutes fähig ist. Zudem kann man sagen, daß man nicht einen Teil dem Ganzen gegenüberstellen und mit ihm vergleichen kann, sondern nur einem anderen Teile. Ist also die vernünftige Natur als solche allein nach dem Bilde Gottes, so wird damit nicht ausgeschlossen, daß das All gemäß einem seiner Teile nach dem Bilde Gottes ist; wohl aber werden davon die anderen Teile des All ausgeschlossen. IV. „Bild“ wird hier von Boëtius von der Ähnlichkeit hergenommen, der gemäß das Kunstwerk die Kunstidee nachahmt, welche im Geiste des Künstlers sich findet. Und danach ist jede Kreatur ein Abbild von der Exemplaridee, welche im göttlichen Geiste besteht. So aber sprechen wir jetzt nicht vom Bilde, sondern inwiefern die Ähnlichkeit in der Natur berücksichtiget wird; — inwiefern also dem ersten Sein die Dinge ähnlich sind darin, daß sie Sein haben; dem ersten Leben darin, daß sie leben; und der höchsten Weisheit darin, daß sie vernünftig erkennen.
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