Achter Artikel. Das Bild Gottes ist in der Seele, weil sich diese auf Gott als auf ihren Gegenstand richten kann und nicht anders.
a) Dem scheint nicht so. Denn: I. Das Bild Gottes, wie bemerkt worden, ist in der Seele, insofern das Wort in uns vernunftgemäß ausgeht und die Liebe. Das aber vollzieht sich in uns auch mit Rücksicht auf andere Gegenstände und nicht bloß mit Rucksicht auf Gott. II. Augustin sagt (12. de Trin.): „Suchen wir in der Seele nach der Dreieinigkeit, so suchen wir in der ganzen Seele danach; wir trennen nicht die vernünftige Thätigkeit, die auf das Zeitliche sich richtet, von jener, die auf das Ewige geht.“ Also auch gemäß zeitlichen Gegenständen findet sich in der Seele das Bild der Dreieinigkeit. III. Daß wir Gott erkennen und lieben, wird uns durch die Gnade verliehen. Wenn also das Bild Gottes nur demgemäß in uns ist, daß wir uns an Gott erinnern, Ihn betrachten und lieben, so ist kein Bild Gottes in uns gemäß der Natur; und so ist nicht in allen Menschen das Ebenbild Gottes. IV. Die Heiligen im Himmel sind im höchsten Grade dem Bilde Gottes gleichförmig gemäß dem Anschauen der Herrlichkeit; weshalb es 2. Kor. 3, 18. heißt: „In das nämliche Bild werden wir hineingebildet werden von einer Klarheit zur anderen.“ Die Heiligen aber schauen in der Herrlichkeit auch das Zeitliche. Also mit Rücksicht auf das Zeitliche als Gegenstand des Erkennens und Liebens ist ebenfalls in uns das Bild Gottes. V. Auf der anderen Seite sagt Augustin (14. de Trin. 12.): „Nicht deshalb ist in unserem vernünftigen Geiste das Bild Gottes, weil wir unserer selbst uns erinnern, uns verstehen und uns lieben; sondern weil dieser Geist auch an Gott denken, Ihn erkennen und Ihn lieben kann, von dem er gemacht ist.“ Also vorzugsweise mit Rücksicht auf Gott als den Gegenstand unserer Erinnerung, Erkenntnis und Liebe besteht in unserem Geiste das Bild Gottes.
b) Ich antworte; zur Natur des Bildes gehört es, daß es in irgend welcher Weise zur Darstellung der betreffenden Wesensform vordringe. Also muß man das Bild der göttlichen Dreieinigkeit in der Seele gemäß irgend etwas berücksichtigen, was die göttlichen Personen darstellt ihrer eigensten Wesensform nach, wie dies nur immer der Kreatur möglich ist. Nun unterscheiden sich die göttlichen Personen gemäß dem Ausgehen des Wortes vom Sprechenden und der Liebe von beiden. Das Wort Gottes aber geht von Gott aus gemäß dem, daß Gott Sich selbst erkennt; und die Liebe geht aus gemäß dem, daß Gott Sich selbst liebt. — Offenbar jedoch nun macht die Verschiedenheit in den Gegenständen die Wesensform des Wortes und der Liebe zu einer anderen. Denn nicht dem Wesen nach dasselbe ist im Herzen des Menschen das Wort, welches er vom Pferde auffaßt, und jenes, welches dem Steine entspricht, und ebenso ist es nicht dieselbe Liebe dem Wesen nach, die dem Steine oder die dem Pferde gilt. Also kann das Bild Gottes im Menschen nur erwogen werden gemäß dem Worte, welches von der Kenntnis Gottes ausgeht und gemäß der daraus hervorgehenden Liebe; und so wird das Bild Gottes in der Seele berücksichtigt, insofern sie auf Gott sich richtet oder dazu geeignet ist. Nun richtet sich der Geist auf Gott in doppelter Weise: einmal direkt und unmittelbar; — dann indirekt und mittelbar, wie wenn jemand das Bild eines Menschen im Spiegel sieht und von ihm gesagt wird, er sehe den Menschen selbst. Und deshalb sagt Augustin (14. de Trin. 8.): „Der vernünftige Geist erinnert sich seiner, erkennt sich und liebt sich. Wenn wir dies sehen, so sehen wir die Dreiheit; noch nicht zwar Gott, aber bereits das Bild Gottes.“ Das heißt, nicht daß der Geist sich auf sich selbst in unbedingter Weise richtete, sondern weil er dadurch weiter hinauf zu Gott sich richtet; wie im V.: „auf der anderen Seite“ hervorgehoben ist.
c) I. Man muß, um der Natur des Bildes gerecht zu werden, nicht nur berücksichtigen, daß etwas von einem anderen ausgeht, sondern was und von wem es ausgeht; nämlich daß das Wort Gottes von der Kenntnis in Gott ausgeht. II. In der ganzen Seele wird eine gewisse Dreiheit gefunden; nicht zwar in der Weise daß außer dem Thätigsein des Zeitlichen und dem Schauen des Ewigen etwas Drittes gefunden würde zur Vollendung der Dreiheit, wie dies auch an derselben Stelle später gesagt wird; — sondern in jenem Teile selber der vernünftigen Seele, welcher zum Zeitlichen sich wendet, ist eine Dreiheit. Aber ein Bild Gottes ist da nicht, weil dergleichen Kenntnis des Zeitlichen zur Seele von außen her hinzutritt; und weil die Zustände selber, vermittelst deren solches Zeitliche erkannt wird, nicht immer gegenwärtig sind, vielmehr bald sich als gegenwärtige dem Geiste vorstellen bald nur gedächtnisweise sich vorfinden; auch nachdem sie angefangen haben zu sein. So z. B. tritt der Glaube hier in der Zeit zu unserer Seele; in der Seligkeit aber wird kein Glaube mehr sein, sondern nur Gedächtnis, eine Erinnerung an den in der Zeit gehabten Glauben. III. Die verdienstvolle Kenntnis und Liebe Gottes ist nur vorhanden vermittelst des Glaubens; eine irgend welche Kenntnis und Liebe Gottes jedoch wird auch durch die Natur geboten. Und dies selber ist der Natur entsprechend, daß der Geist, um Gott zu erkennen, sich der Vernunft bedienen kann; wonach, wie oben gesagt worden, das Bild Gottes immerdar im vernünftigen Geiste bleibt. Freilich kann dabei dieses Bild so kümmerlich sein, daß es beinahe gar nicht besteht, wie bei denen, welche den Gebrauch der Vernunft nicht haben; oder es kann häßlich und finster sein wie bei den Sündern; oder hell und schön, wie bei den Gerechten nach Augustin (14. de Trin. 4.). IV. Das Zeitliche wird in Gott selber von den Seligen geschaut; und deshalb gehört das Schauen desselben mit zum Bilde Gottes. Und das deuten die Worte Augustins an (14. de Trin. 14.): „In jener Natur, welcher der vernünftige Geist in höchster Seligkeit anhaftet, wird er Alles, was er sieht, als Unveränderliches sehen.“ Denn im ungeschaffenen Worte selber sind die unveränderlichen Seinsgründe aller Kreaturen.
